St. André, 25.6.40

Liebe Annerose!

Vielen Dank für Deinen Brief, den ich gestern erhalten habe, Ich danke Dir besonders für Deine Glückwünsche zu meiner Beförderung.
Ich kann Dir sagen, daß ich mich als junger Offizier sehr wohl fühle. Dieser Stand bringt natürlich gerade jetzt allerlei Verantwortung mit sich, man trägt sie aber gerne, wenn man darnach auch die großen Erfolge sieht. Das von Dir angeführte Zitat ist sehr treffend.
Seitdem ich Dir das letzte Mal geschrieben habe, haben wir schon einen ziemlich großen Stellungswechsel nach Süden gemacht. Wir sind durch die Stadt Lyon und von da auch weiter in Richtung Grenoble gefahren. Heute stehen wir in St. André, in der Nähe von Grenoble. Vor uns liegt das große Massiv der franz. und italienischen Alpen. Ein herrliches Bild. Die schneebedeckten Berge üben starke Reize auf uns „Skifahrer“ aus.
Heute früh habe ich mit meinem Chef und noch einem Leutnant meiner Kompanie einen kleinen Bummel durch die Stadt unternommen. Dabei haben wir uns ein ganzes Körbchen (5 Pfd.) Erdbeeren gekauft, die wir heute Mittag als Nachtisch vertilgen werden. An Weinen, Likören und Sekt gibt es keinen Mangel. Gestern haben wir die Flasche Rotsekt (1929er) um 1.- M gekauft. Wir hoffen nun, noch in die franz. Alpen hineinzukommen. Zum Mittelmeer haben wir auch nur noch 150 km. Vielleicht (??) sehen wir auch das noch.
Als neueste Errungenschaft kann ich Dir mitteilen, daß ich seit 4 Tagen einen neuen Wagen, und zwar eine nagelneue 5 sitzige Luxuslimousine fahre. Mit solch einem Wagen könnte man eine nette Ferienfahrt unternehmen. Wie schön wäre es, wenn wir beide einmal so zwei Wochen damit ins Gebirge fahren könnten! Vorläufig kann man ja leider nur von derartigen Plänen träumen, vielleicht wird’s doch noch einmal Wirklichkeit !? –
Ich hoffe, daß es Dir wie bisher auch fernerhin gut geht und erwidere Deine Wünsche vom Feld in die Heimat
Herzlichst
Willy