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Brief (Transkript)

H. D. an seine Freundin am 7.12.1939 (3.2002.0280)

 

7. XII.39.



Mein liebstes Schmuserchen!

Nun, Liebes, wie geht es Dir. Du bist doch noch schön gesund und munter. Zu Deiner Beruhigung will ich Dir gleich vom Sonntag erzählen. Also mein Liebes, bei mir war alles in bester Ordnung. Habe mich nur über einen Kameraden mal richtig geärgert. Aber solche Kleinigkeiten sind nicht wichtig + kommen auch in der besten Gemeinschaft vor. Jedenfalls habe ich recht behalten. Beruhigt Kleines? Und für die Zukunft, Liebes, nicht mehr den Gedanken und Gefühlen nachhängen, wenn sie mal über Dich kommen. Es ist alles in Ordnung und mein Liebes braucht garkeine Angst haben. Es wird alles gut werden und gut Ding will Weil’ haben. Also, nicht wahr Liebes, schön brav sein und wenn der böse Krieg vorbei ist, was werden wir dann erst das Zusammensein zu schätzen wissen + es bewußt erleben. Dann wird das Leben nicht mehr nur gelebt, sondern auch erlebt, einverstanden kleines? Ohne mich geht’s nimmer, Liebes? Ich weiß, Liebste, daß Du mich gern hast, das macht mich auch so ungeheuer froh. Die Trennung kommt Dir wie mir hart an. Aber trotzdem kleines Mädchen, keinen trüben Gedanken nachhängen. Ich bin immer bei Dir passe ganz scharf auf, daß Dir nichts passiert. Und wenn Dein frohes Seelchen sich sich mal ganz verdunkeln will, dann denkst Du nur daran, was uns hier draußen zur Aufgabe gestellt ist. Sieh’ wir sind nicht nur immer in Gedanken bei Euch + stehen Wacht, wir stehen auch hier an der Schwelle unseres herrlichen Vaterlandes auf Posten und Ihr hinter uns. Wir sind also immer und überall zusammen. Und wir stehen hier, weil es unser Führer befohlen hat + damit Ihr daheim in Ruhe leben und unbesorgt Euch schlafen legen könnt. Gibt es im Übrigen für einen Mann denn etwas schöneres, als mit der Waffe in der Hand seinem Vaterland zu dienen? Muß man nicht froh sein + dankbar, so gerade + gesund zu sein, daß man dies tuen + mit dabei sein darf? Gott, der einen nun diese Aufgabe gestellt, wird auch alles so lenken, wie es für Dich, meine Liebste, + mich am besten ist. Glaubst Du daran, kleine E.? Und dann vergiß doch eine nicht, meine kleine E., nämlich meine Mutsch. Sie ist zwar tot, aber glaube mir, ich weiß es ganz bestimmt, daß sie gerade dadurch immer, überall u. wahrhaftig näher bei mir ist, als sie es ja in ihrem Leben konnte. Wenn Dein kleines Herzchen, E., mal verzagen will, dann gehe zu meiner Mutsch, nimm sie ganz fest bei der Hand, erzähle ihr alles, was Dich drückt. Dann wird sie Dein Köpfchen an ihre Brust nehmen und dann muß mein Liebes genau hinhören, was sie sagt. Eines ist gewiß, sie wird Dir alles von Deinem Herzchen wegnehmen + Du wirst dann wieder ganz ruhig + froh sein. Wie kann denn auch mein kleines Singvögelchen sein Köpfchen hängen lassen! Sonst ist es immer so heiter und ausgeglichen. Und was sollte auf einmal anders sein? Gelt, kleiner Strolch, das gibt es nicht. Du bist schön froh, heiter und zuversichtlich. Und im übrigen gilt der Grundsatz, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und über das Aufgeschobene sowie über alles, was wir ausfressen werden, wenn wir wieder zusammen sind, wollen wir uns doch heute schon freuen. Nicht nur rückwärts schauen + das bedenken, was uns beiden gerade in der Gegenwart alles verloren geht, wurden sich auch auf das freuen, was die Zukunft noch alles an Gutem + Schönem, an Freude + Frohsinn in ihrem Schoß für uns birgt. So, jetzt habe ich wohl dem kleinen Frechdachs genug den „Marsch geblasen“. Jetzt ist mir das Mädchen sicherlich böse, ja? Aber nicht lange, gelt, ich bin gleich wieder ganz brav + Du kannst mir doch auch nicht lange böse sein. Das Letztere ist auch wirklich gut, denn ich kann absolut nicht ertragen, wenn mir mein Schmuserchen mal böse + das vielleicht sogar auf längere Zeit sein sollte. Da wären wir ja wieder mal einig, ja Du? Aber wie geht es denn Dir noch? Bestehen denn Deine Reisepläne für Weihnachten immer noch? Ich bekomme Weihnachten keinen Heimaturlaub, das steht nun fest. Es fahren nämlich alle alten Frontkämpfer. Es wird für mich also ein Frontweihnachten werden. Und Du, Liebes, willst Du wirklich nach Homburg oder Landstuhl fahren? Nach Landstuhl ist es von hier aus etwa 25-30 km, nach Homburg ist es nur 13 – 15 km. Wenn Du also kommst und ich bekomme vielleicht „Sonntagsurlaub“ + dazu noch einen Wagen (weißt Du wegen dem auch für uns geltenden Gebot der Benzinersparnis) dann kann ich Dich vielleicht sogar mal aufsuchen. Jetzt sehe ich aber jemand sich freuen + schon Hoffnungen machen. Aber, Liebes, objektiv bleiben. Ich kann Dir keine Versprechungen machen, das verstehst Du doch, gelt! Und daß ich alles tuen werde, das kannst Du mir bestimmt glauben. Du mußt aber auch damit rechnen, Liebes, daß ich nicht kann + dann wird es für mein Liebes eine große Enttäuschung sein. Es hat dann, anstatt sich die Weihnachtslage daheim gemütlich zu machen, eine umständliche Reise gemacht, hat nichts gemütliches um sich gehabt und wird dann von Weihnachten ziemlich unbefriedigt sein. Wenn ich mir so beide Möglichkeiten bedenke, dann möchte ich Dich fast bitten, hübsch daheim zu bleiben & daheim in Deinem warmen Zimmer schön Weihnachten zu feiern. Gelt, kleines, Du verstehst mich! Ich möchte Dir eben alles Unschöne + was keine Freude bringt fernzuhalten. Aber Du mußt mir nun schreiben, welche endgültige Entscheidung Du nun triffst. – Und nun mein Liebes geht es mit den Gedanken bei Dir, in die Baba. Du wirst jetzt sicher schon lange schlafen. Schön weiterträumen. Noch einen leisen Kuß für mein schlafendes Lieb, damit es hübsch weiterträumt. Ich mache s mir jetzt auf meinem Strohsack gemütlich. Also dann gute Nacht.
Es grüßt Dich + küßt Dich immer wieder
Dein H.

 

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