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Brief (Transkript)

H. D. an seine Freundin am 24.10.1939 (3.2002.0280)

 

24.X.1939



Liebste!

Ich muß heute Nachmittag so viel an Dich denken. An Dich denken tue ich ja immer, aber heute habe ich so das Gefühl, als ob Du ganz nahe bei mir seist. Weißt Du, ich möchte jetzt mal bei Dir sein. Ganz still würde ich mich zu Dir setzen, den Kopf an Deine Brust legen, Deinem braven Herzen zuhören + mich ein wenig ausruhen. Dinge, die sich mit einem rauhen Krieger schlecht vertragen, gell? Ich kann ja nicht bei Dir sein, drum lasse mich meinen Gedanken nachhängen und mich träumen, wie es wohl wäre, wenn wir zusammensein könnten. Ich habe heute Nachmittag mal Zeit dazu. Wie lange? Nun, ab und zu kommt mal von drüben eine Granate herübergeheult + saust krachend in das Dorf vor uns. Unsere Geschütze stehen stumm und still, aber genau gerichtet auf ein festes Ziel. Glaubst Du, Liebes, ein herrliches Gefühl, wenn Du hinter der Batterie stehst, den Arm hebst + auf das Kommando „Batterie – Feuer“ 4 Granaten abheulen hinüber zu denen, die uns die Fehde angesagt. Du denkst wohl daran, welchen armen Teufel mag es jetzt in wenigen Sekunden erwischen! Und trotzdem sagst Du im gleiche Augenblick, hoffentlich trifft es dahin, wo recht viele sind + wo möglichst großer Schaden angerichtet werden kann. Ein Hauptmann war einmal an einer Stelle, auf die wir geschossen haben – es war eine Waldkante - + aus der die Franzosen herausgejagt wurden; er sagte, das Gelände sei um- und umgepflügt gewesen. Wodurch unterscheidet sich eigentlich eine Salve in feindl. Ansammlungen von einem Todesurteil? Und man selbst? Man rechnet damit, daß auch Feuer in die eigene Stellung kommt. Man ist fast neugierig darauf, wie es dann wohl aussieht hier, wie man selbst darauf reagiert + wie das Ergebnis ist, wenn das Feuer wieder herum ist. Und kalt ist man dabei. Man denkt einmal daran, dann fliegt sofort wieder der Blick nach vorn hin zur Grenze und zum Feind, den es zu schlagen und in Schach zu halten gilt. Glaubst Du, ich bin fast froh, daß ich hier in der Ecke bin, in der es etwas rumort. Man kann sich dabei so langsam daran gewöhnen, wie es sein wird, wenn der Großkampf entbrennen sollte. Unserer Batterie fehlen eigentlich nur noch ein paar Schuß in die Stellung + wir wären fertige Krieger. Aber alles zu seiner Zeit, gelt? Zur Zeit haben wir mit Schlamm und Dreck + Regen genug zu schaffen. Geschossen haben wir aus unserer Stellung auch schon genug. Arbeit für mich als Batterieoffizier gibt es mehr als genug. So ein richtiges Mädchen für alles ist man. Aber es ist ja egal. Die Hauptsache ist, die Batterie steht, die Leute sind gesund, damit Ihr daheim Euch auf uns verlasen könnt. Und das sollt Ihr. Und ist mal wieder Frieden, dann ist Schlamm etc. alles vergessen + man weiß erst richtig, was ein ausgefülltes Leben im Frieden bedeutet.
Jetzt will ich mal meine Abendportion verdrücken und dann geht es nun ins Stroh Es grüßt + küßt Dich unzähligemal
Dein H.

Als illustrierte Wochenübersicht eine kleine Strohbeilage von meinem Lager.

Mit nach Polen geht mein Strolch aber nicht. Denn dann bist Du so weit von mir weg. Und allein lassen willst Du mich doch hoffentlich nicht. Es würde mir sehr leid tuen. Bleibe lieber in Frankfurt. Das ist mir am allerliebsten.

Was willst Du mir alles schicken Liebes? Ach Du bist ja so gut. Ob ich das gebrauchen kann? Ja. Aber zur Zeit habe ich mir noch soweit vorgesorgt! Nur für etwas Kölnisch Wasser wäre ich Dir dankbar. Aber eines, Liebes, + bitte versteh mich nicht falsch, Du sollst aber nicht Dein Geld für verwenden. Die übrigen schönen Sachen hebst Du auf, die sind dann mein Reservelager + ich fordere an je nach Bedarf.
Kuß Dein H.

 

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