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Brief (Transkript)

H. D. an seine Freundin am 10.9.1939 (3.2002.0280)

 

Sonntag, den 10.IX. 39.



Liebes Schmuserchen!

Wie lange ist es eigentlich schon her, seit wir Abschied nahmen? Mit ist das schon so unheimlich lang. Sag mal, lebst Du denn überhaupt noch? Wie geht es Dir denn. Du bist doch noch gesund und munter, Liebes ja? Wenn ich Dich jetzt mal bei mir haben könnte, das wäre zu schön. Wir grauen Männer müssen aber jetzt unseren Blick wo anders hinwenden + scharf zusehen. Ihr Lieben daheim aber steht hinter uns + und weil wir das wissen, müssen wir umsomehr nach der anderen Seite sehen. Nur denken müßt ihr an uns, daß wir unsere Pflicht voll + ganz erfüllen, wenn es zum letzten Gang kommen sollte. Und wen es trifft, nun gut, dann war das Leben schön + hat geendet in der schönsten + härtesten Pflicht, die ein Mann haben kann gegenüber seinem Volk, seiner Heimat, seinen Lieben + sich selbst. Und nun habe ich eine Bitte an Dich, Kleines! Halte mir gerade in der nächsten Zeit recht tüchtig den Daumen. Ich bin nämlich mit Wirkung von morgen versetzt + habe eine Aufgabe vor mir, in die mich erst hineinleben + hineinarbeiten muß. Siehst Du, und das möchte ich wollen, eine gestellte Aufgabe ganz + voll erfüllen, damit einem die Arbeit selbst Spaß macht. Und dazu brauche ich so einen Menschen, der mir dabei hilft, der an mich denkt, an dem ich mich im Gedanken an ihn + in dem Bewußtsein + der Gewißheit, daß er ausschließlich mir allein gehört, aufrichten + erfreuen kann. Und wenn ich wüßte + ich weiß es, daß Du mir so helfen willst, dann muß es klappen + hinterher können wir uns dann beide freuen. – Sonst geht es mir denkbar gut. Schöner wäre es allerdings, wenn wir 2 jetzt in der Laube sitzen und Kaffee trinken würden. Das wird aber alles nachgeholt, nicht wahr? Ich glaube nämlich nicht, daß Frankreich und England ernstlich anfangen werden. Nun hört Ihr zu Hause ja nun die Nachrichten alle, während wir hier nur ab + zu mal welche hören + im übrigen nichts erfahren. Ihr müßt also besser im Bilde sein als wir selbst. Zeitungen bekommen wir doch auch nur sehr, sehr selten mal in die Finger. Aber es wird schon alles werden. Mein Examen schwimmt natürlich in der Zwischenzeit so nett und langsam flußabwärts. Na ja, schließlich ist die Arbeit ja kein Frosch, die weghüpft, aber eine Schw…ei ist es doch, wenn man so kurz vor dem Ziel abstoppen muß. Ja, und nun mein Liebes möchte ich auch mal für zu gerne etwas von Dir hören. Ich bin ja überzeugt, daß mein Schmuserchen schon oft geschrieben hat. Aber bekommen habe ich noch nichts. Liegt wohl an der Postverbindung. Was werde ich zu lesen haben, wenn ich das vielleicht alles auf einmal bekomme. Kannst Du Dir vorstellen wie ich mich freue. Aber trotz der schlechten Postverbindung schreibe mir nur, ich werde schon einmal Deine lieben Grüße bekommen. Meine neue Anschrift teile ich Dir morgen mit. Schreibe mir bis dahin aber ruhig weiter unter der alten. Und dann mache Dir keine Sorgen. Wir sind schon hier im tiefsten Frieden + über kurz oder lang werden wir 2 ganz allein ein frohes und glückliches Wiedersehen feiern. Nun lasse Dich herzlich küssen, mein liebes Schmuserchen, von dem der immer an Dich denkt + der Dir so viel zu Dank verpflichtet ist + Dich innig grüßen von Deinem
H.

Siehst Du, auch wenn Du nicht bei mir bist, so habe ich Dich doch. Ich habe Deinen Talismann in meinen Händen + der duftet so schön, so wie die kleine E. selbst immer so frisch + schön + munter ist. Auf Wiedersehen, Liebes!

Zu meiner Rechtfertigung: Die Zigaretten habe ich nicht alle allein geraucht. Doch brav von mir, mußt Du doch zugeben, nicht wahr?

Achtung: Du darfst auf Deinen Briefen etc. nicht vergessen, den Absender darauf zu schreiben.

 

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