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Brief (Transkript)

Günter Wolf an seine Ehefrau am 24.7.1944 (3.2002.1357)

 

O.U. den 24-7-44



Meine liebe Miafrau!

Leider bin ich wieder recht lange Zeit ohne Nachricht von Dir und auch der Sonntag ging diesmal ohne Post von Dir leer aus. So weiss ich nicht einmal, ob Du inzwischen nach Berlin gefahren oder zurück bist und richte meine Zeilen an Dich auf alle Fälle nach Markersdorf, von wo sie Dir ja auf jeden Fall nachgeschickt werden werden, wie ich annehme.
Meine Beinverletzung ist inzwischen gottlob wesentlich besser geworden, sodass ich wieder ziemlich unbehindert laufen kann, wenn sie auch noch nicht ganz verheilt ist. Mein langjähriger Kamerad Kirschenmann, der kleine Hamburger, von welchem ich Dir des öfteren erzählte hat mit einigen andern jüngeren Uffz. u. Mannschaften infolge Kommandowechsel unsere Einheit verlassen, um im Rahmen unserer Spezialtätigkeit an anderer Stelle in Frankreich (vermutlich gegen Terroristen) eingesetzt zu werden. So ist nun einmal das Soldatenleben. Nichts ist beständig. Es gibt immer wieder einen unvermeidlichen Wechsel. Und wenn es sich um jemand handelt, mit dem man bald 3 Jahre lang in ziemlich enger Gemeinschaft einen Lebensabschnitt zusammen verlebt hat, so hinterläßt eine solche Trennung im Augenblick eine schmerzliche Lücke. Die Schatten der Vereinsamung quälen einen dann, bis neue Gesichter und neue Eindrücke sich wieder bestimmend in das Alltagsleben des Dienstes u. seiner Tagesforderungen drängen. – Im Übrigen geht mein Leben hier vorerst seinen gewohnten dienstlichen Gang. Die Nachricht von dem Führerattentat hat natürlich auch bei uns wie eine Bombe eingeschlagen. Man mag zum Nationalsozialismus stehen wie man will – das ist Sache der persönlichen inneren Überzeugung – aber, dass in einem Augenblick, wo ein Volk seine letzten Kräfte konzentriert, um eine Entscheidung herbeizuführen, sich Männer finden, die gerade in diesem für die Gesamtheit kritischsten Augenblick das Staatsoberhaupt beseitigen zu müssen glauben, ist ein Verbrechen an der Nation: ein wahrer Dolchstoß in den Rücken! Der Fall des Führers, wenn der Anschlag geglückt wäre, hätte zweifellos ein politisches u. militärisches nachhaltiges wenn nicht katastrophales Schicksal für ganz Deutschland und unsere europäische Sache zur Folge gehabt. Aber ich glaube, das man als Deutscher der Vorsehung dankbar sein muß, daß dieser Mordanschlag nicht glückte. – Ich bin überzeugt, daß wir nicht umsonst stillhalten, wenn auch vorerst noch die Viermotorigen sich über unseren Städten austoben, daß wir nicht umsonst den mit kostbaren Blutopfern im Osten erkämpften Raum Schritt für Schritt preisgeben. Wir haben noch Trümpfe! Und sie werden im gegebenen Moment ihrer größten Wirkungsmöglichkeit ausgespielt werden! Da kann man ganz sicher sein. Und hoffentlich entscheiden sie dann endgültig das blutige langwierige Spiel zugunsten eines glücklichen von der Welt ersehnten Friedens! Ich lege Dir einen Zeitungsausschnitt aus der Pariser Zeitung bei über ein „kleines“ Schicksal am Rand der Invasionsfront. Frankreich ist politisch und geistig zerrissen und darum doppelt elend. Wir sollten daraus lernen in Deutschland uns wenigstens, solange unsere Nation im europäischen Lebenskampf angespannt ist, jede innere Gegensätzlichkeit vom Leibe zu halten. Ich war dieser Tage mit einem 25jährigen Südfranzosen (merkwürdigerweise blond u. blauäugig) zusammen, welcher bei der französischen Legion im Osten gekämpft hat und jetzt von Deutschland aus seinen Urlaub hier in Frankreich verlebt. Wie sieht nun der Urlaub für diesen jungen Franzosen, welcher mit uns für sein Land und ein neues Europa kämpft, aus? In seiner Heimatstadt Toulouse in Südfrankreich kann er seinen Urlaub wegen der Verkehrsschwierigkeiten nicht verbringen, wenn nicht sogar sein Leben dort durch Terroristen gefährdet ist, weil er ja eine „deutsche“ Uniform trägt. Ein Teil seiner Verwandtschaft, welche politisch anders eingestellt ist, will nichts von ihm wissen. – In Paris hat er einen Onkel, der ein Restaurant besitzt; also eine seßhafte Angelegenheit für einen Urlauber. Aber der Onkel ist Gaullist. Als er ihn in der deutschen Uniform sieht, schmeißt er ihn raus … So sind die beiden Gesichter Frankreichs heute. Auf der einen Seite persönlicher Einsatz unter Umständen mit Opferung des eigenen Lebens für die Sache Deutschlands u. Europas. (Es soll in der Normandie Franzosen u. Französinnen gegeben haben, die auf die Engländer u. Amerikaner geschossen haben. Zumindestens sind dort die „Befreier“ noch weniger beliebt wenn nicht gar gehaßter, als die Deutschen es vorher waren.) Auf der anderen Seite: verbitterter, gehässiger Kleinkrieg im Dunkeln von Menschen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben, und in ihrer Revancheeinstellung u. antideutscher (anti “boches“) Gesinnung stur verharren, denen alle Mittel recht sind, Gangstermethoden, Bombenattentate, Morde, Nahrungsmittelgefährdung der eigenen Volksgenossen usw.
Diese beiden Welten u. ihre Exponenten muß man erleben und nur aus dem Kontakt bzw. der kämpferischen Auseinandersetzung mit ihnen kann man das heutige Frankreich und unsere politische und soldatische Aufgabe auch für uns als Deutsche im europäischen Zusammenhang verstehen. Um diesen europäischen Lebenszusammenhang geht es. Für ihn alle diese ungeheuren Opfer und Anstrengungen. Sollen sie nach 5 Jahren Kampf umsonst gebracht worden sein? Das kann kein anständiger Deutscher wollen! – Wenn es ums Grundsätzliche geht, muß man hart u. klar sein. Und so müssen wir eben auch diese für uns im Volks- wie im Einzelschicksal vielleicht härteste Periode des Kriegsgeschehens durchstehen.-
Man wird immer weniger egozentrisch, je älter man wird und je mehr man solche Zeiten miterlebt wie sie uns nun einmal bestimmt sind, dadurch daß man erkennt, wie wenig selbständig im Grunde unser kleines Einzelschicksal ist und wie sehr es mit den überpersönlichen Belangen, welche sich in den Bewegungen der Gruppen- und Völkerschicksale niederschlagen, verknüpft ist. Und trotzdem man auch im kleinen Einzelschicksal steten Kurs halten, wenn man eines Tages wieder glücklich im Heimathafen und Hafen des “Heims“ landen will. So ist die Kompaßnadel meines Herzens trotz aller Zickzackkurse des Krieges und seiner Erlebnisse u. Schicksalwechsel auf Dich eingerichtet, liebste Haselfrau u. meine Wölfe ganz gleich ob ich mich nun nach rechts, links, oben oder unten auf der Landkarte weiterbewege. Ich wünschte nur, ich könnte endlich wieder an Land steigen und bei Dir „längs gehen“, um es seemännisch auszudrücken. Ach, ja … liebste Miafrau, drücken wir die Daumen für bald …!

Doch nun Schluß für Heute. Ich küsse u. umarme Dich von ganzem Herzen ebenso die Strolche mit gleichzeitigen besten Grüßen auch an die Muttel u. alle gemeinsamen Bekannten u. Verwandten in der Hoffnung auf recht baldige gute Nachricht von Dir
immer Dein Günther

P.S.
Wegen aller materiellen Veränderungen wie evtl Umzugsfragen, um unsere Sachen zu retten usw. lasse ich Dir vollkommen freie Hand, liebste Haselfrau.
Was kann ich von hier aus dazu raten oder richtig entscheiden? Du hast zu allem, was Du dazu unternimmst für die Dauer meiner Abwesenheit u. unserer Trennung hundertprozentige Vollmacht, denn ich habe volles Herzvertrauen zu Dir. Handle so, wie Du es für Dich und für die Wölfe für gut befindest. Dann wird es schon richtig sein! – Wie steht es mit der Einschulungsfrage für Peter u. Inge? Hat sich dazu schon etwas entschieden?

 

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