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Brief (Transkript)

Manfred von Plotho an seine Ehefrau am 20.3.1940 (3.2008.2195)

 

den 20. März 1940



Meine liebe kleine Frau,

nachdem wir dem grosstädtischen Trubel in Stirn [?] entronnen sind, kommst Du auch regelmäßig zu Deinem Abendbrief. Gemütlich brutzelt neben mir ein Feuer, ich sitze allein in der Kammer mit den schrägen Wänden, habe mir Deine kleine Lampe montiert und geniesse die innere und äußere Ruhe. Vor mir steht die liebliche Kognakflasche, von der ich schon gestern berichten konnte, leider bereits reichlich geleert, und im Nebenzimmer, nur durch eine Tür getrennt, hustet die alte Frau, weil sie Grippe hat. Nachdem ich Benno die letzten 2 Tage bereits mit Mamy’s Pulvern kurieren konnte, versuche ich mein ... [?] nun auch bei ihr. Gut, dass Prof. Bertram nicht weiss, dass ich ihm ins Handwerk pfuschte. Benno ist aber heute für 10 Tage abgedampft, mit etwas schlechtem Gewissen, weils wirklich nicht komisch [?] ist, die Feiertage in diesem Kaff angebunden zu sitzen.
Nun kann ich noch nicht mal nach Stirn [?] oder nach Wiesbaden. Ich werde mich mit einigen Tagen Sonderurlaub anlässlich meines Gasschutzlehrgangs entschädigen. Was sagst Du denn überhaupt dazu, dass ich so bald schon wieder zu Dir komme? Da anscheinend die Luftwaffe ohne uns mit England fertig werden will, kann man ja auch ruhig Pläne für die weitere Zukunft machen. Wie denkst Du denn wann über Taufe? Jetzt im April oder lieber erst im Mai? bzw. gelegentlich meines nächsten regulären Urlaubs? Hast Du eigentlich meinen Brief an George weitergegeben? Morgen am Karfreitag werde ich nun auch endlich dazu kommen, an Onkel Wolf zu schreiben. Wie weit bist Du denn mit Deinen Danksagungen? Ich habe mit meinen garnicht angefangen, und meine tüchtige kleine Frau fehlt mir dabei! Sie hat so eine schöne große Schrift, da sind die Karten gleich voll, und ausserdem kann man sie lesen, was bei mir doch nur sehr bedingt der Fall ist. – Heute kamen nur Zeitungen von Dir bzw. das Fremdenblatt [?], und von Dir die kleine Unterhose, für die es zur Zeit aber noch zu kalt ist. Auch die Handschuhe kamen richtig an. Im übrigen habe ich sehr liebe Briefe bis zu Nr. 4 bekommen. Dass Du jetzt wieder von Lebenslust und Freude schäumst, kann ich so gut verstehen und Wünsche von Herzen, dass der Krieg bald aus ist, damit ich wieder mitschäumen kann. Dass diese Büchlein von meiner Mutter existieren, hatte ich ganz vergessen. Meine arme Mutter hat ein entsetzlich schweres Sterben gehabt. Schon 3 Monate vorher wusste sie, dass sie unrettbar verloren war, und liess einen schwerkranken Mann mit 4 Kindern, von denen das Älteste 12 und das Jüngste 4 Jahre alt war, zurück. Ich kann sie nur sehr undeutlich erinnern, weil ich doch schon mit 7 Jahren das Haus verliess. Ich entsinne mich wohl an einzelne Episoden mit ihrer Gegenwart, aber ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie sie ging oder wie sie angezogen war. Ja, die frauliche Hand hat uns Geschwistern allen im Elternhaus gefehlt, und jeder spürts wohl auch heute noch auf seine Art. Mich hat das Schicksal ja unendlich verwöhnt und wieder gut gemacht, dass es mir Dich zur Frau gegeben hat. Vielleicht weiss ich gerade aus meiner Jugend heraus, was ich an Dir habe! Aber ich will Dir nicht zu viel Elogen machen, denn sonst sprüht Dein Lebensmut noch unbändiger, nachdem Du wieder so prima aussiehst. Und das wäre zweifellos für die Männer in Deiner Umgebung eine Gefahr. A propos Umgebung, was hörst Du eigentlich von Carl-Henry? Ich sehe leider sehr schwarz wegen seiner Beförderung. So mein kleines Tutzilein, nun muss ich leider ohne Dich in mein etwas primitives Bett. Und dabei steht Bruno’s Bett so einladend leer neben meinem’! Aber in gut 2 Wochen bin ich schon wieder bei Dir, wenn Du mich dann gebrauchen kannst, eine herrliche Aussicht. Seid innigst umarmt Ihr lieben Beiden, von Eurem
Pappi

 

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