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Brief (Transkript)

Gottfried Fabian an seine Schwester und Kinder am 1.4.1945 (3.2002.0299)

 

An der Ostfront, den 1.4.1945



Liebste Hanni und Kinder!

Also muß ich mich wohl damit abfinden, daß ich alles verloren habe, was ein Mensch nur verlieren kann. Ich danke Dir herzlichst für Deine lieben Zeilen, nur Du bist jetzt die Einzige an die wir drei Brüder, mit unsern angelegten Sorgen denken können, wenn das Toben der Materialschlachten zur Hölle wird. Du mußt mir glauben liebe Schwester, das ich von dem Zeitpunkt an, wo es mir zur Gewißheit wird, das ich Eltern und Familie verloren habe, mein eignes Leben, mir soviel wert ist, wie der Dreck an meinen Klamotten.
Am 11.1. fuhr ich morgens um 5 Uhr von Daheim fort, und habe seitdem nichts mehr erfahren.
Am 15.1. war ich bei Neidenburg eingesetzt, dann in Westpreußen, Pommern, Niederschlesien, und Niederlausitz bei Guben.
Nach diesen Kämpfen kam ich zum Führer-Begleit-Batallion, wo ich bis jetzt die Ehre habe, trotz meiner letzten Verwundung, als Elite Soldat zu kämpfen. Heute soll wohl Ostersonntag sein, deshalb will uns der Iwan nicht in Ruhe lassen, trotzdem es regnet, hat er am Vormittag zweimal angegriffen. Jedesmal blieb er liegen und hat uns dann aus Wut die ganze schöne Stellung zertrommelt, an der wir uns die ganze Nacht geplagt haben. Es wird Dich nicht interessieren liebe Hanni, warum ich Dir solche Kleinigkeiten schreibe, aber schau ich muß mich dauernd mit dem in Gedanken beschäftigen, was ich greifen und anfassen kann, denn wenn ich anfange nachzudenken, werde ich ganz gewiß wehsinnig. Es brennt mir in den Fingern, Dir davon zu schreiben liebe Schwester, wie es wohl meinem kleinen Huscherchen ergangen ist, oder was wohl unsere Mutter macht, die ihr ganzes Leben nichts weiter als Arbeit und Sorge gekannt hat und jetzt vielleicht als Dank dafür, irgendwo unter entsetzlichsten Umständen gestorben ist. Oder wie wird Vater sich umgeguckt haben, der den Krieg in dieser Form sich nicht einmal in seinen Träumen zur Darstellung billigen konnte, und der immer meinte wir übertreiben. Hoffentlich ist es Ihm nicht schwer gefallen, als Ihn der russische Panzer überrollte. Ja liebe Hanni, solche Bilder stürmen auf mich ein und ich muß dann ganz schnell etwas tun, sonst springe ich aus dem Deckungsloch und fange etwas sehr Unüberlegtes an. Die Zentral-Auskunftsstelle für Rückgesuchte aus dem Osten denkt wohl garnicht daran mir sowohl wie Gustav etwas über Ostpreußen zu berichten.
Leider mußte auch Jutta mit den Kleinen bis auf die letzte Minute dableiben.
Mein einziger Trost bist Du noch liebe Hanni, weil ich Dir schreiben kann und somit doch mich ab und zu auf Post zu hoffen habe, was in den letzten 3 Monaten nicht der Fall war. Liebe Schwester Deine Adresse ist jetzt bei meiner Einheit eingetragen Und somit erhälst Du die Nachricht, wenn es soweit ist, das mir nichts mehr weh tut. Ich glaube es wird mir nicht schwer fallen. Verzeih bitte, das ich so schlecht geschrieben habe, aber ich besitze leider keinen Schreibtisch. Jetzt bleibt alle recht gesund. Denkt mal an mich und laßt Euch recht herzlich grüßen von
Eurem Fritz

 

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