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Brief (Transkript)

Lutz Raumer an seine Eltern am 30.9.1944 (3.2002.7404)

 

Westen, den 30.9.44


21

Liebe Eltern!

Heute ist der Tag, an dem ich den höchsten Grad der Gemeinheit erreicht habe, ich bin Gefreiter geworden. Obwohl ich eigentlich nur den Winkel suchte, wo man die „Klamotten“ hinwerfen kann, hat man mir doch erst diesen gegeben. Ich bitte nun dieses in der Anschrift zu berücksichtigen. Im Wehrmachtsbericht wird es kaum erwähnt werden. Die Anrede Herr Gefreiter werde ich mir vorbehalten.
Weil ich vorhin gerade etwas vom Wehrmachtsbericht schrieb, fällt mir noch etwas ein Im heutigen OKW-Bericht wurde unser Regiment (1120) erwähnt, dazu auch unser Rgt.-Kdr. Wie Ihr wohl wißt werden meistens die Truppenteile erwähnt, die die meisten Ausfälle haben. Ich kann sagen, bei uns ist das der Fall. Unsere Kompanie ist vorn noch 9 Mann stark, ich glaube das sagt alles, zumal unsere Kompanie bei weitem die stärkste ist. Bei der Abwehr treten diese Verluste nicht ein, nur bei den Gegenangriffen. Der letzte Gegenangriff von uns zeigte auch ein Beispiel von der Raffiniertheit der Amerikaner. Am frühen Morgen wurde ein Spähtrupp gemacht, ob ein bestimmter Waldrand vom Feind besetzt ist, der Spähtrupp stieß über den Waldrand hinaus und stieß auf keinen Gegner. Am Morgen startete nun der Gegenangriff. Kurz vor dem Waldrand wurde auf unsere Leute plötzlich von 15 m ein wildes Feuer eröffnet. Ihr könnt Euch natürlich denken, daß darauf alles was noch am Leben kehrt machte. Da auch ein Fluß zu überwinden war, wurde das Maß des Unglücks noch voll. Der Waldrand war also, als der Spähtrupp dort war, doch besetzt. Der Feind wußte genau, was die Leute dort wollten und verhielt sich deshalb mäuschenstill. Der Angriff konnte auch nicht stark genug geführt werden, da kein M.G. dabei war, weil alle im Verlauf der vorherigen Kampfhandlungen verloren gegangen waren. Daher muß man den ungeheuren Heldenmut der Angreifer anerkennen. Nun aber genug von Krieg.
Ausser mir sind noch einige Unteroffiziere zum Feldwebel befördert worden, daher feiern wir diese Angelegenheit etwas feucht. Weiterer Bericht folgt da die Feier noch nicht beendet.
Da wir uns laufend Schweine organisieren, fehlt es an guter Verpflegung überhaupt nicht mehr. Morgens gehört etwas Gebratenes schon zur Tagesordnung. Heute war es sogar ein „klosettdeckelgroßes“ Kottelett, wenn es auch nicht gerade so groß war, so entsprach es doch einer Wochenration in der Heimat. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß ich bisher mindestens einige Pfund zugenommen habe. In dieser Beziehung ist hier also für jeden Soldaten gesorgt.
Nun Schluß für heute. Seid nun herzlich gegrüßt und geküsst von

Euerm Lutz

 

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