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Brief (Transkript)

Hans-Karl Schmidt an seine Eltern, am 3.9.1944 (3.2002.0251)

 

Polen, 3.9. 44. 0400



Ihr Lieben!

Nun kam wieder etwas Leben in die Bude, indem ein Stellungswechsel vorbereitet und ausgeführt wurde. Dabei kamen wir bei der Kompanie vorbei und konnten Post empfangen. Von Euch waren die Briefe vom 25. u. 28.8. u. Peter Westphals Brief dabei. Ich danke Euch herzlich dafür und will nun gleich zur Beantwortung schreiten. –
Eben bin ich geweckt worden, um den Dienst am Gerät anzutreten. Etwas verschlafen ist man dann immer noch, das gibt sich aber sehr bald. Es kommt nur darauf an, was man tut. Wenn bei einem natürlich die Absicht besteht, überhaupt nicht wach zu bleiben, dann schläft er sofort wieder ein. Es gilt, den kritischen Augenblick zu überwinden. Wenn das geschehen ist, läuft alles von alleine.
An dem Brief von Peter Westphal habe ich gesehen, was ich Euch noch nicht geschrieben habe. Über meine Fahrt wißt Ihr Bescheid, was ich zu tun habe, wißt Ihr auch, nur genau wie W. hat mich der Funkbetrieb zuerst enttäuscht, weil nicht die in der Kaserne gepredigte Disziplin gehalten wird und weil die Zahl der beförderten Nachrichten sehr klein ist. Der Draht übermittelt ja sämtliche Befehle viel bequemer. – Sonst habe ich es ja besser als er, daß für jeden Trupp ein eigener Wagen vorhanden ist. –
Ich kann Euch die freudige Mitteilung machen, daß der Zahnarzt seine Tätigkeit wieder aufgenommen hat. In der nächsten Zeit werde ich ihn dann aufsuchen. Hoffentlich läßt der Iwan ein paar Tage Ruhe. Sonst ist es wieder Essig. Aber hinkommen tue ich bestimmt, darauf könnt Ihr Euch verlassen. –
Vaters u. Mutters Briefe sind doch so grundverschieden. Vater ist immer noch ein Schulmeister, er muß andere Leute belehren, und Mutter ist Hausfrau und Neumünsteraner Zeitung in ihren Briefen. Aber beides ergänzt sich immer so gut, daß ich über alles gut im Bilde bin und auch moralisch wieder eine kleine Erfrischung erhalten habe. Aus Euren Briefen, liebe Eltern, sieht man auch Eure harmonische Ehe, Ihr ergänzt Euch völlig einander. Möge es mir später auch einmal so beschieden sein. –
Die Lage ist augenblicklich wenig rosig. Bei uns herrscht Fatalismus. Wir müssen ja auch weitermachen, sonst sitzt der Russe sofort in Deutschland. Ich weiß aber wirklich nicht, wie hier der Sieg noch herauszuschlagen ist. Es wird nämlich langsam Zeit, daß wir auch wieder aktiv werden, sonst ist’s aus. Euch kann ich nur sagen, habt den richtigen Riecher und legt Bargeld nützlich in haltbaren (!!) Wertgegenständen an, die Ihr später auch wieder los werden könnt, ohne dabei Verluste zu erleiden. Ich könnte Euch zu Spirituosen raten. Wie die Lage dort ist, weiß ich aber nicht. Handelt selbst und laßt keine Gelegenheit ungenützt. Wer weiß, wozu es alles noch dienen kann. Wenn ich so von anderen Leuten höre, wie die für ihre Zukunft gesorgt haben, kann ich die Wut über die armseligen Beamten bekommen. (Aber nur augenblicklich)
So, nun habe ich Euch einen Brief geschrieben, der mit einem von Euch überhaupt nicht im Zusammenhang steht. Das schadet aber nichts. Bei Tage werde ich mir Eure Post noch einmal durchlesen und dann ergibt sich noch vieles zum Schreiben. Eins kann ich Euch noch sagen, daß es hier genau so heiß war, daß hier viel mehr Fliegen sind, daß das Wetter nun kühler wurde, aber trotzdem trocken blieb. Vor dem Winter fürchte ich mich ein wenig. Aber wer weiß, ob es so weit kommt. –
Für diesen Brief reicht es wohl. Bei mir heißt es auch: Dezentralisierung. Am Tage schreibe ich neu weiter. Dieser Brief wird auch früher fortgehen. Herzliche Grüße, Ihr Drei, von
Eurem Hanskarl

An Dutz hatte ich doch die Adresse gegeben! Auf dem Umschlag klar u. deutlich.

 

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