Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Otto Weiß an seine Ehefrau am 31.5.1940 (3.2002.1202)

 

Im Felde, 31. Mai 40.



Meine Lieben!

Schon fast 8 Tage liegen wir in der Nähe von Calais, d.h. nicht immer auf dem gleichen Platze, wir haben fast jeden Tag unsere Stellungen gewechselt, aber doch immer um Calais, das war mal eine sehr schöne Stadt, aber unsere Stukas haben auch hier ganze Arbeit geleistet.
Die Stadt brennt heute noch an vielen Stellen, obwohl sie fast schon 8 Tage in unserer Hand ist. Ebenso ist Dünkirchen schwer heimgesucht worden. Im Hafen von Calais sind Millionenwerte in unsere Hand gefallen, dieses Briefpapier ist auch davon. Es stammt aus England. Die Tommis haben fluchtartig Calais verlassen und wollten sich in England in Sicherheit bringen. Aber unterwegs hat sich ja ihr Schicksal erfüllt, davon sind nicht mehr viel nach England zurückgekehrt, weil unsere Flieger eine kleine Unterredung auf hoher See mit ihnen hatten. Ich habe zugesehen wie unsere Bomber 3 englische Schiffe bombardiert haben. Das war herrlich anzusehen. Augenblicklich haben wir 3 Ruhetage, da ist heute der zweite davon. Es ist vermutlich eine Ruhe vor dem Sturm. Welche Richtung wir dann einschlagen ist noch nicht bekannt
Vielleicht kommt mal plötzlich eine Ansichtskarte von England bei Euch an? Dort drüben würden wir bestimmt noch anders aufräumen als in Frankreich. – In dieser Gegend sind alle Einwohner zu Hause geblieben, wir liegen z.Zt. in einem kleinen Städtchen Guines (Fiennes) da sind viele Flüchtlinge von Calais und auch viele Belgier von der Gegend von Antwerpen. Die sind geflüchtet weil sie Angst hatten, aber wir waren mal wieder schneller wie die Flüchtlinge. Es sind meist Flamen wenn sie langsam sprechen verstehen wir fast jedes Wort Auch meine Schulkenntnisse in französisch kann ich jetzt gut gebrauchen, ich spiele manchmal den Dolmetscher. Ich verstehe noch ziemlich viel davon. Die Belgier sind fast alle sehr freundlich auch die franz. Bevölkerung bisher, nur in dieser Gegend sind sie nicht sehr entgegenkommend, aber sie werden sich noch daran gewöhnen müssen Die Engländer sind überall gehaßt. Das konnte man bei den Gefangenenzügen feststellen, die Engländer haben von den Franzosen manche Rippenstöße bekommen. – In dem Städtchen in dem wir liegen haben wir's uns sehr gemütlich gemacht. Es fehlt uns gar nichts wir leben wie die Fürsten. Schokolade in rauhen Mengen Kaffeebohnen zentnerweise. Wein und Likör zum Schwimmen. Jeden Tag ein frisches Hemd u. Unterhose. u.s.w. Also mit anderen Worten. Es geht uns glänzend. Zigaretten haben wir auch tausendweise, in der Hauptsache englische. Die französischen sind uns zu stark. Wir sind sehr verwöhnt und anspruchsvoll. Eure zwei Päckchen mit Photo u Schlafanzug u.s.w. habe ich vorgestern erhalten. Da haben wir den richtigen Zeitpunkt erwischt. Wenn ichs früher mal mitgenommen hätte dann hätte ich es wieder nach Hause schicken können, So muß ich es eben immer mir herumschleppen. Ich hatte schon gehofft daß Ihrs nicht weggeschickt habt weil es so lange gedauert hat. Paketpost können wir leider keine zurückschicken. Ist ja auch ganz gut sonst würden wir nur den ganzen Tag Pakete zurechtmachen. –
Jetzt muß ich allmählich Schluß machen habe noch viel zu schreiben. Ein andermal mehr, natürlich kann ich nicht immer 6 Seiten schreiben, weil nicht alle Tage Ruhetage sind. Also Päckchen braucht Ihr keines zu schicken. Es geht uns besser wie Euch. Lebt alle wohl und seid recht herzlich gegrüßt von
Eurem Otto

Bald wird der Krieg zu Ende sein. Es geht bestimmt keine 4 Jahre

 

top