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Brief (Transkript)

Hans-Karl Schmidt an seine Eltern, am 31.8.1944 (3.2002.0251)

 

Im Osten, 31.8. 44.



Lieber Vater! Liebe Mutter!

Gerade als gestern die Post fortging, kam Eure vom 22. u. 23.8. an. Ich danke Euch dafür. Die Post hat immer so eine wohltuende, fas befreiende Wirkung. Allein schon die Freude des Aufmachens. Da steht etwas drin, was ich allein nur lesen kann, denke ich mir immer und dann freue ich mich immer schon auf das Kommende. – Es ist auch so schade, daß die Briefe so lange Zeit brauchen. Oft habe ich schon das geschrieben, was ihr mich fragt. Das kommt dann bei Euch zum 2. Mal an. Schaden tut es hoffentlich nichts. Wenn Ihr es Euch doppelt einprägt, hält es auch besser im Gedächtnis. Mein Wochenanfang hat sich nicht bemerkbar gemacht, weil ich ein Zeitlang die Wochentage nicht mehr wußte. Erst als ich feststellte, daß am 28. ein Dienstag war, wußte ich wieder so langsam Bescheid. Vielleicht könnt Ihr Euch nach dieser kleinen Randbemerkung ein Bild von dem Leben machen, was der ganze Funktrupp führt. Was an Ereignissen eintritt wird mitgenommen und sonst bleibt es beim Alten. – Nach einem Vormarsch von 30 km (!!!) trat wieder Ruhe an den Fronten ein. Die Weichsel liegt noch 20 km entfernt, sodaß der Russe in seinem Brückenkopf noch so allerhand speichern kann. Es fehlt an der Ostfront so an Panzern! Während des Vorgehens hatten wir einige zugeteilt bekommen, die haben den Russen ins Laufen gebracht. Als sie an anderen Stellen aber nötiger gebraucht wurden, war es aus mit dem Angriff. – Und deshalb finde ich es Blödsinn, daß bei dem jetzt neu durchgeführten totalen Kriegseinsatz von neuen Divisionen geredet wird, die an die Front kommen sollen. Panzer, Flugzeuge und, wenn es brenzlich wird, genügend Munition, das ist es, was wohl an allen Fronten gebraucht. Wenn wir Menschen gegen Materialübermacht setzen wollen, dann begehen wir Mord. Ob die Führung das nicht selbst weiß? Ob sie danach nicht ihre Rüstung einrichten kann? Es wurde doch immer von Vervielfachung der Produktion geredet? Die müßte sich doch einmal bemerkbar machen. Seht Ihr, diese Gedanken haben alle Soldaten im Feld. Und weil meist nie eine Änderung im Materialkrieg kommt, immer haben wir weniger. Deshalb ist der Mut schon etwas gesunken. Mit den jetzt vorhandenen Truppen kämen wir noch vollauf gegen den Russen an, denn die Soldaten unsererseits sind immer noch besser. Was aber soll ein Regiment machen, auf dessen Linien 200 Panzer zurollen, 50 Panzer werden vernichtet durch Einzelkämpfer, die restlichen kommen durch und in der Höhe des Regimentsgefechtsstandes hat der Russe die Lücken schon wieder aufgefüllt, sodaß wieder 100 Panzer vorstoßen können. Manchmal kann man das Heulen kriegen. Wer es nicht miterleben braucht, kann sich glücklich schätzen. –
Meine Kameraden sind alle weiter gekommen als ich (im Dienstrang u. stellung meine ich) Westerhoff dadurch, daß er nie dumm aufgefallen ist. Wie das gekommen ist, weiß ich nicht. Manchmal saß er auch böse dran; wir freuten uns dann alle, daß es ihn auch einmal erwischte. Und der Sohn von Stud. R. Kühl ist weiter, weil er eher eingezogen wurde. Er ist mir gerade um ein halbes Jahr voraus. Kriegsschule u. Frontbewährung hat er hinter sich, die muß ich eigentlich noch machen. Ob da noch Gelegenheit vorhanden ist? Es sieht fast nicht so aus. Der Russe bereitet auch wohl den letzten Schlag vor. Hoffentlich geht alles gut. –
Das die beiden Klaus Rehder Flugzeugführer werden wollen, ist sehr vernünftig von ihnen. Wenn ich noch einmal wählen könnte, dann würde ich es auch tun. Es ist nicht das verkehrteste. Jede Kugel trifft sowieso nicht, das habe ich auf der festen Erde auch gemerkt. Und in der Luft trifft es noch weniger. Seht Euch doch einmal ein Flak-Schießen an! Und die russischen Schlachtflieger kurven doch auch nur in 500 m Höhe herum. Die Flak hatte jedesmal einen höllischen Feuerzauber für sie bereit. 3 Stück wurden aber nur abgeschossen, obwohl sie uns in einer Woche bestimmt 3 – 4 Mal besuchten. Heute ist es gleich, wo man kämpft. Der Tod droht überall gleich. –
1800. Im Letzten Brief meinte ich, es würde Regen geben. Eingetreten ist es aber noch nicht. Das Gewitter hat fürs erste auch genügt. Nur ist jetzt die Luft sehr schwül geworden. Vorher erfrischte immer noch ein wenig der Wind. Das hat nun auch aufgehört. –
Nun wäre ich wieder einmal am Ende meines aufgespeicherten Schreibvermögens. Mit den langen Briefen ist es nichts, so lange ich nichts erlebe. Von meinen Gefühlen kann ich nichts schreiben. Nur ist es so, als ob ich überhaupt keine hätte. Sonst müßt Ihr mich noch darüber aufklären, was Gefühle überhaupt sind.
Ich grüße Euch herzlich
Euer Hanskarl.

Ich müßt mir einmal ein Bild von Euch schicken, ich habe gar keines mitgenommen. Vielleicht ist Marleen ohne Zöpfe auch mit drauf. Ich warte immer noch auf ihren „ernsten“ Brief. – Und noch eins, wie kann Purzel an der Aue „Raten“ suchen? Waren irgendwelche Zahlungen für Euch fällig?

 

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