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Brief (Transkript)

Manfred Hahn an seine Eltern am 28.05.1944 (3.2002.0235)

 

Brief 2 General-Gouvernement, am 28.5.44.



Liebe Eltern!

Heute am Pfingstsonntag nach dem Mittagessen möchte ich Euch wieder einmal einen Brief schreiben. Es ist alles so furchtbar traurig und langweilig und da denke ich eben schon wieder ans Schreiben. So kann ich Euch wenigstens eine kleine Freude bereiten, indem ich Euch einige Zeilen zukommen lasse. Seid dem 2. Tag, an dem Mutti in Wandern war, haben wir heute wieder das erste schöne Wetter. Das freut uns natürlich ganz besonders, denn sonst würden wir überhaupt nichts vom Pfingstfest merken, daß wohl oder übel in der Heimat doch besser zum Ausdruck kommt. Die Stube haben wir uns schön mit Maiengrün ausgeschmückt, als Geschenk des Führers bekam jeder 12 Zigaretten und ¼ Liter Rotwein. Heute Abend wird uns ein Teaterstück geboten, gestern war das Bataillon geschlossen im Kino. Wir sahen einen schönen und spannenden Film: Kriminalkommissar Eick. Heute Vormittag war bei Preußens großer Waschtag. Jeder wusch Taschentücher, Strümpfe, Hemd und Unterhose. Das Mittagessen war kein Festessen, vor allem war es sehr knapp, so daß wir Adolf Hitler Torte, Komisbrot, zu essen mußten. Außerdem mußten wir eine volle Stunde nach dem Essen anstehen, so daß einem schon vorher der Appetit verging. Eigentlich ist das eine schöne Taktik. Sonst geht es mit gesundheitlich gut, was sich auch von Euch hoffe. Leider haben wir noch keine Feldpostnummer, sodaß wir keine Post empfangen können, und so nichts wissen, was in Berlin los ist, welche Gegend wieder bombardiert wurde. In der nächsten Woche kommen wir übrigens wieder weg von hier und zwar am Mittwoch oder Donnerstag. Es geht zum Truppenübungsplatz Mileck, der hier in der Nähe liegt. Von dort aus sollen wir zum Partisaneneinsatz kommen und eine Feldpostnummer bekommen. Ich glaube aber bis jetzt nicht daran, denn es ist doch bestimmt wieder eine Landserscheißhausparole, wie das immer so der Fall ist, wenn etwas im Gange ist. Auf jeden Fall würde mir das den Rest geben, wo es doch mein einziger Wunsch ist, so schnell wie möglich raus an die Front zu kommen. Ich möchte, nachdem ich 9 volle Monate, Rekrutenausbildung und auch 6 Wochen als Gruppenführer geschult worden bin, was bestimmt von großem Wert war, ausgebildet wurde, etwas anderes kennen lernen als Ausbildung, als Kasernenleben. An der Front möchte ich meine Ausbildung ins Praktische anwenden. Vor allem aber meine unsoldatische Haltung und mangelhafte Führung unter Beweis stellen und durch Auszeichnungen bestätigen. Ich glaube, daß mich Vati in dieser Angelegenheit als ehemaliger Berufssoldat am besten verstehen kann und meine Auffassung vertritt. Als einzelner und im Rang als kleinster Musketier will ich in der Masse in dem uns aufgezwungenden Krieg die Idee des Führers für Deutschland vertreten und wenn es mein Schicksal bestimmt, mein Leben zu opfern. Gerade bei der Fahne, wo man Tag für Tag stur und ohne Überlegung und ohne seinen Geist anstrengen zu müssen, ein und dasselbe tut, kommt es mir richtig zum Bewußtsein, wo ich beim Militär meine größte Enttäuschung erlebt habe und nie Soldat bleiben werde, daß das für mich alles verlorene Zeit ist. Wie schön wäre es doch auf der Welt, wenn man keine Kriege kennen würde, wenn jeder seinen Beruf nachgehen und sich das Leben so gestalten könnte, wie es ihm gefällt. Um das aber zu erreichen, gibt es für uns nur das eine, auszuhalten und auf den Führer zu vertrauen. Nicht mit dem Munde wollen wir streiten, sondern nur auf die Stunde uns vorbereiten. Dieser Spruch steht bei uns im Soldatenheim und trifft für die Front, wie auch für die Heimat zu. Wollen hoffen, daß uns die entscheidende Stunde das siegreiche Ende bringt. Nun möchte ich schließen, weil ich Tante Hanna noch zum Geburtstag gratulieren möchte. Grüßt bitte Tante Lotte und alle anderen Verwandten. In der Hoffnung, daß mein Wunsch bald in Erfüllung geht, grüße und küsse ich Euch recht herzlich
Euer Sohn Manfred

 

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