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Brief (Transkript)

Heinz Sartorio an seine Schwester am 5.9.1943 (3.2002.0827)

 

O.U., den 5.9.43



Liebe Elly !

Ich schreibe heute schon wieder, damit Du laufend unterrichtet bist.
Allerdings habe ich wenig Hoffnung, dass Du die Briefe bald bekommst, denn es geht alles erheblich durcheinander. Unsere Post geht nur auf einem langen Kurierweg zu einem Postamt, und kommt auch auf dem selben Wege zurück. Wo das Postamt überhaupt ist, weiß ich nicht, da" hier alles dauernd umzieht. Wir bekommen auch nur selten und dann auch nur sehr wenig Post. Vorgestern kam wieder Post, aber nur alte Briefe. Von Dir war der L-Br. v. -13.8. und 1 Päckchen mit Zeitungen dabei. Zu dem Brief habe ich nicht viel zu sagen, da ja inzwischen alles durch die Ereignisse überholt worden ist. Es sind ja nun schon mehrere starke Luftangriffe auf Berlin gewesen und ich habe leider keine Nachricht, was alles passiert ist. Ich weiß nur das, was der Wehrmachtbericht meldet und das ist ja ziemlich trocken. Ich glaube aber, dass doch allerhand los gewesen ist und bin nun natürlich in großer Sorge. Ich hoffe doch aber, dass Ihr so schlau ward, Euch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Es hat keinen Zweck, etwas retten zu wollen, außer dem Leben. Das -habe ich hier gelernt. - Wie weit ist es eigentlich von Dir aus bis Mittenwalde? Kannst Du nicht evtl. dort, oder in einem anderen Ort in der Nähe ein Nachtquartier beziehen, bis alles vorbei ist und in Berlin vielleicht nichts mehr zu zerstören ist? Aber meine Ratschläge kommen doch sicher zu spät. Ich glaube schon, dass Du Dich ruhig auf August verlassen kannst. Er weiß vielleicht doch eher Rat, wo er alles mit ansehen kann. Nimm feste Holztruhen und grabe die nötigste Wäsche etc. ein. Und dann j sieh zu, dass. Du aus der Gefahrenzone kommst. Ich fürchte, dass auch Schulzendorf nicht sicher ist, da dort evtl. Notwürfe erfolgen können. Und nun eine Bitte: Schreibe so oft Du kannst. Karten genügen. Ich weiß zwar nicht wann ich wieder Post bekomme, aber vielleicht läuft doch alles besser, als ich denke.
6.9.43
Musste wieder einmal unterbrechen, weil allerhand Betrieb war. Hoffentlich kriege ich jetzt den Brief fertig. Ich will ihm morgen Urlaubern mitgeben, die ihn dann im Reich aufgeben können. Allerdings sind sie auch nicht vor dem 15. im Reich. Aber sicher ist das. noch die schnellste Verbindung. Und nun etwas von hier: Es herrscht immer noch größte Ruhe, trotzdem wir mitten in dem Rückzugsrummel drin sind. Es wird wohl aber nicht mehr lange so ruhig bleiben; Ich glaube aber, wir werden unsere Zelte auch bald abbrechen und uns zurückziehen. Wir halten zunächst nur noch den Rückzug für einige größere Verbände offen. Was aber genau los ist, weiß ich auch nicht. Wir sind mit offiziellen Nachrichten recht schlecht versorgt und daher macht auf uns alles einen ziemlich wirren Eindruck, obgleich alles planmäßig verläuft. Aber es kann nicht mehr lange bis zu einer Entscheidung für uns hier dauern. - Inzwischen macht sich nun die Zivilbevölkerung zur Evakurierung bereit. Es ist ganz furchtbar das mit anzusehen. Das Vieh was nicht zu transportieren ist, wird geschlachtet. Der Hausrat wird verbuddelt und alles andere wird verpackt. Da aber ein großer Mangel an Gespannen besteht, können die Leute nur wenig mitnehmen. Vielfach nur das, was sie gerade tragen können und die Kuh. Das Gejammer ist natürlich groß. Die Leute wissen genau, dass sie alles verlieren, was sie zurücklassen müssen. Es ist ja bekannt, dass auf -Rückzügen alles abgebrannt wird. Man sieht ja auch weithin die, riesigen Feuerscheine der großen brennenden Städte und der Dörfer. Es ist unglaublich, was hier vernichtet wird. Ja, man sieht nur Not und Elend und hört nur Hiobsbotschaften. Die Sache mit Italien gefällt mir ja nun auch nicht. So kann es ja un-möglich weitergehen. Es wird wirklich Seit, dass der Angriff gegen England erfolgt. Wir warten ja jeden Tag darauf. Wenn das gut geht, dann ist alles andere unwichtig. Zunächst haben wir dann im Reich einigermaßen Ruhe und können dann unsere Kraft auf die anderen Fronten konzentrieren. Wenn dieser Angriff aber nicht erfolgt, dann sehe ich auch schwarz. Na, wir müssen eben abwarten.
Sonst geht es mir nun also noch ausgezeichnet und ich bin gesund und munter. Nur haben wir jetzt viel Arbeit und finden oft Tag und Nacht keine Ruhe. Die Verpflegung ist aber immer noch sehr gut und dabei kann man auch schon etwas leisten. - Das Wetter ist wundervoll aber es ist schon recht kalt geworden. Der Pullover ist schon wieder Mode geworden. Wie lange noch, und der endlose Winter beginnt hier. Hoffentlich verleben wir ihn nicht in Russland sondern im Reich und in Frieden.
An Papa habe ich gestern geschrieben. Vielleicht wirst Du den Brief schon gelesen haben. Ich werde auch weiterhin so oft, wie nur möglich schreiben, damit Ihr laufend unterrichtet seid. Allerdings werde ich mich oft recht kurz fassen müssen, denn ich habe jetzt zu wenig Ruhe zum Schreiben. Ich will auch jetzt den Brief abbrechen, denn es kommt immerfort etwas dazwischen und da kann man seine Gedanken doch nicht zusammennehmen. Ich schreibe aber bald wieder.
Ich hoffe nun, dass Ihr bisher alles gut überstanden habt und Ihr auch weiterhin den Krieg gut übersteht, und dass wir uns in 4 Wochen ungefähr im Reich wiedersehen, wenn ich Urlaub habe Bis dahin nun recht herzlichen Gruß
Heinz
Einige Luftpostmarken lege ich bei. Es wird zwar auch nicht schneller deshalb gehen, aber das ist ja auch egal. Von hier aus wird wohl im Augenblick keine Luftpost befördert. Ich werde deshalb immer versuchen, die Post Urlaubern mitzugeben.

 

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