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Brief (Transkript)

Lenz an Mizzi am 26.8.1943

 

P. 26. 8. 43


256.

Meine liebe Mizzi!

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom Montag, also wieder in drei Tagen. So schmerzlich die ersten brieflosen Tage in Paris waren, jetzt bin ich mit der Post wieder versöhnt weil es so schnell geht. In Bordeaux bekam ich ja Deine Montagsgrüße immer erst Freitag oder Samstag, das ist wieder ein Grund mehr, um mit der Versetzung nach Paris zufrieden zu sein. Man kann sich auch kaum vorstellen, dass es für einen Soldaten irgendwo schöner sein könnte – ausser in der Heimat natürlich – als seinen Dienst in Paris machen zu können. Du weißt ja dass ich nicht übertreibe, aber es ist so. Ginge mein Traum, Dir nach dem Kriege einmal nur wenigstens ein paar Tage lang Paris zeigen zu können in Erfüllung, ich würde gern dafür auf so manches andere verzichten. Sehr gefreut habe ich mich, dass Du den kommenden für Wien vielleicht schweren Zeiten so ruhig entgegen siehst. Du hast schon recht, man darf nicht gleich alles so schwarz sehen, und ich glaube auch nicht dass, wenn es wirklich dazu kommt, Wien das gleiche Schicksal wie vielleicht Köln oder Hamburg erleiden wird. Das hoffe ich bestimmt nicht, wenn dann rechne ich eher nur mit den größten Rüstungsfabriken, und davon ist ja doch keine in unserer Nähe. Von W. Neustadt könnte das schon stimmen wie Du schreibst, dass ist ja fast immer das grösste Malheur, dass der Alarm erst kommt wenn die Bomben schon fallen. Vorgestern als sie hier waren, hörten wir die Explosionen der Bomben ganz deutlich von dem Krachen der Flak auseinander, und gleich darauf sehr viel Rauch von den Bränden. Aber es war auf der anderen Seite der Seine. Gestern und Heute war nichts los. Übrigens regnet es heute, das erste Mal ganz schön so dass kein Wetter für die Flieger sein wird. Für seinen Bereitschaftstag passt der Regen ganz gut, ich habe mir 1 kg Trauben in die Kaserne mitgenommen, die liegen neben mir am Tisch und ab und zu greife ich hinüber (So wie jetzt gerade wieder.) Vorher hatte ich wieder ein sehr gutes Nachtmahl im Fliegerheim, „Kalbsbraten mit Nudeln“ und das übliche Glas Rotwein, jetzt noch die Weintrauben dazu. Habe ich also nicht recht? Gestern habe ich mir ein erstklassiges Vergnügen geleistet abends. Ich ging in eines der berühmtesten und schönsten Kabrettlokale von Paris, welches ich schon voriges Jahr besuchen wollte, ins „Casino de Paris“. Das ist neben „Folies Bergère“ und „Tabarin“ im gleichen Rang, und ist so wie „Folies Bergère“ nicht mit Tischen ausgestattet wie alle übrigen, sondern ein Theater. Die Austattung der Revue war eine Pracht für das Auge, aber auch Scenen und artistische Sachen sehr gut. Ich habe ein bisschen über die Schnur gehaut, und mir einen schönen Orchestersitz gekauft um 5- RM, aber ich dachte mir wenn schon was Schönes, dann darf es auch etwas kosten. (Selbstverständlich gehen wir auch dann zusammen dorthin!) Solche ähnlichen Lokale aber im kleinen Stil gibt es ja hier massenhaft, die Pariser lieben diese Note sehr; Witz, Chansons, und ein großer Aufwand an Frauen in allen möglichen Kostümen (wenn man es noch so nennen kann.) 1 Bild war auch (gewiss aus Sympathie) „Walzer aus Wien“, und dazu spielte die übrigens sehr gute Musik, „An der schönen blauen Donau“. Du kannst Dir denken dass mir bei diesen Tönen, trotz der Begeisterung für die Revue, ein bisschen das Herz weh tat. Aber ein Schönheitsfehler war dabei, ich musste ½ Stunde vor Schluss weggehen. Zapfenstreich / 1h! Für diese Woche muss dieser Ausgang ja reichen, morgen ist exerzieren, Samstag wieder Bereitschaft, und Sonntag Telefondienst in der Garage. Aber das Exerzieren steht nur auf dem Papier, bis jetzt hielt der Einheitsführer immer nur einen Vortrag ab. Ich muss wirklich sagen, in Bordeaux hatte ich es schön was Dienst anbelangt, hier aber noch schöner. Darüber wieder im Samstagsbrief mehr. Wegen dem Stoffmuster für Deinen Mantel, bin ich nun froh dass Du endlich einen bekommen hast. Die Farbe ist zwar ein bisschen hell, aber das macht ja nichts, die Hauptsache ist die Qualität, und wie er gemacht wird. Wegen der Façon kann ich Dir nichts specielles raten, Du weisst ja, eine einfache gerade Linie, etwas tailliert, sehe ich am Liebsten. Vielleicht kaufe ich morgen eine Modeheft und schicke es Dir. Ich bezeichne Dir dann, was mir gefällt, wenn Du es wünschst. Heute schicke ich noch das kg Mandeln weg.
An Claudi 1000 Bussi und viele viele Küsse an Dich
[…] Dein Lenzi

 

 



Ansicht des Briefes

 

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