Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Heinz Sartorio an seine Schwester am 7.8.1943 (3.2002.0827)

 

O.U., den 7.8.43



Liebe Elly!

Es ging in den letzten Tagen ziemlich durcheinander bei uns und deshalb komme ich auch erst heute zur Beantwortung Deiner beiden Luftpostbriefe. Beide Briefe haben mich ja nun einigermaßen aus der Ruhe gebracht. Dass es so schlimm mit Fred steht, habe ich ja nun wirklich nicht gedacht. Es wäre schrecklich, wenn Du ihn verlieren würdest, denn trotz allen Ärgers den es oft gegeben hat, war er doch schließlich ein guter Kerl, mit dem Du schön zusammenleben konntest, zumal Ihr so viele gemeinsame Interessen hattet. Es ist zum Kotzen, was wir für ein trauriges Leben haben. Wir haben ja schließlich nichts anderes als Not und Elend kennen gelernt. Die schönen Stunden die wir verlebt haben, sind ja wirklich zu zählen und wiegen die schlechten bestimmt nicht auf. Kaum habe ich mich nun von dem Schreck über den ersten Brief etwas erholt, da kommt auch schon der zweite Brief und der ist ja bald noch schlimmer. Wenn das nun wirklich so kommen sollte, wie Ihr erwartet, dann wäre das ja eine furchtbare Katastrophe. Ich kann nur raten: Macht alle, dass Ihr aus Berlin rauskommt. Papa und Onkel Alex können ja sowieso ohne Schwierigkeiten weg. Kannst Du nicht versuchen, eine andere Stellung außerhalb von Berlin, vielleicht in Gouvernement anzunehmen. Bei der augenblicklichen Lage ist es ja schon besser, wenn Ihr alles im Stich lasst, als Euch selbst in diese Gefahr begebt, bzw. darin bleibt. Dass die Luftangriffe solche Ausmaße annehmen würden, hatte ich ja bestimmt nicht erwartet. Das konnte ja auch kein Mensch ahnen. Die Nachrichten die man von allen Seiten bekommt, sind ja wirklich furchtbar. Die Stimmung in der ich mich befinde ist wirklich traurig. Es überwiegt aber die Wut über die Gemeinheit, mit der gegen die deutsche Zivilbevölkerung vorgegangen wird. Ich hoffe und wünsche nur immer, dass es bald eine Vergeltung gibt und wenn ganz Europa dabei in Trümmer geht. Wenn sich die Menschen eben nicht vertragen können, dann sollen sie sich erschlagen. Mir ist das schon egal Das Erbe tritt sowieso der Bolschewismus an. Die halten sich bestimmt länger als wir. Ich rechne in nächster Zeit mit folgenden Ereignissen: Die Kampfmittel sind ja noch lange nicht erschöpft und das Schlimmste steht ja bestimmt noch den Bewohnern Europas bevor. Ich rechne noch immer damit, dass England eines Tages unter einem furchtbaren Schlage zusammenbrechen wird. Innerhalb weniger Tage wird es dann kein England mehr geben. Ich glaube, man wartet nur noch auf Nebel, der ein 100%iges Gelingen der Aktion garantieren wird. Dieser Schlag ist die einzigste Hoffnung, die wir noch haben. Wenn der fehlschlägt, dann ist es sowieso vorbei Ebenso, wenn er ausbleibt Ich glaube aber an ein Gelingen. Es ist zwar alles Wahnsinn, aber scheinbar hat die "Vorsehung" Europa dieses Schicksal bestimmt. Gelingt nun diese Aktion, dann wird natürlich mit gleicher Münze zurückgezahlt. Aber davon werdet Ihr ja dann nicht mehr so betroffen, dem Afrika ist ja keine so gute Angriffsbasis gegen Deutschland, wie England Was dann kommt, haben wir hier im Osten auszubaden. Aber das ist dann nicht so schlimm, weil wir uns besser schützen können. Wir liegen im flachen Land in einem Loch und da ist die Gefahr nicht so groß. Wenn aber mit den schärfsten Mitteln gekämpft wird, dann dauert wer Krieg sowieso nicht mehr lange, weil das keine Nation lange aushalten kann. Ich weiß nun nicht, ob Du die Logik meiner Überlegungen anerkennst, ich hoffe aber, daß Du mich richtig verstanden hast. Dies ist die einzig mögliche Lösung der augenblicklichen Lage. Entweder wir kämpfen weiter und bleiben Anwärter auf den Sieg oder wir kapitulieren und gehen dann einer traurigen Sklaverei entgegen. So rücksichtslos wie die Engländer und Amerikaner jetzt gegen uns kämpfen, so rücksichtslos werden sie uns auch unterdrücken, wenn wir kapitulieren. Daß der Ruße zusammenbricht, erwarte ich nicht. Ich wünschte nur, dass wir uns mit ihm auf einer vernünftigen Basis verbünden können um dann gemeinsam gegen England und Amerika kämpfen. Sonst gibt es wieder keine Ruhe in der Welt, denn der Sozialismus ist die einzig mögliche Form des Zusammenlebens der Menschen in der Zukunft. Nun noch einmal zu Deiner persönlichen Lage in dieser Hinsicht. Wenn es Ernst wird, dann verlasse sofort Berlin. Du kannst sämtliches Geld von meinem Konto abheben und auch die laufend eingehenden Beträge zu Deinem Lebensunterhalt verwenden. Zieht nach NO, Pommern oder Ostpreußen Das ist m.E. einstweilen die sicherste Gegend. Gleich nach dem ersten starken Angriff musst Ihr verschwinden, wenn weitere Angriffe zu erwarten sind. Ich kann ja von hier aus schlecht raten, was Ihr da tun könnt. In Schulzendorf wird es ja sowieso nicht so schlimm werden. Wenn Du Dich in einem Deckungsloch verkrauchst, dann ist die Sache nicht so gefährlich. Du musst das Loch aber überdecken. Möglichst mehrere Lagen Blech und dazwischen immer wieder eine Schicht Band. Da brennt dann Phosphor nicht durch. Dann auch den Graben möglichst mehrere Meter lang und im Zickzack bauen. Die Enden als Ausgänge lassen und nicht überdecken. Da Ihr leichten Sandboden habt, den Graben bergmännisch versteifen, damit er bei Druck oder Erschütterung nicht einstürzt. Du wirst ja schon wissen, wie man es am besten macht. - Übrigens würde ich Dir nicht raten, Meta zu Dir zu nehmen. Sie macht Dich nur noch mehr verrückt Sie kann ja nach Glienicke ziehen. Da ist sie genau so sicher wie bei Di Papa und Onkel Alex sollen auf jeden Fall aus der näheren Umgebung von Berlin verschwinden. Von der Ernte in Glienicke wird sowieso nicht viel zu retten sein, wenn es mal Ernst wird. Das ist nun alles, was ich zu diesem Thema sagen kann. Ganz so schlimm wie Du, sehe ich die Gefahr sowieso nicht. Berlin wird man nicht so stark angreifen können, wie Hamburg. Und da sind die Angriffe teilweise am Tage gewesen. Es soll angeblich 2oo.ooo Tote gegeben haben. Das wäre wohl 7 % ungefähr. Du siehst also, dass man auch in der Hölle noch Glück haben kann. Es fragt sich nur, ob es sich lohnt, noch auf die Zeit nach dem Kriege zu hoffen.
Nun aber genug davon. Jetzt mal zur Aufmunterung etwas von einem fröhlicheren Krieg, den wir hier fühlen.:
In den letzten Tagen war allerhand los. Es ging Tag und Nacht drunter u. drüber. Mitten in der Nacht mussten wir Fahrzeuge und Kommandos abstellen, am anderen Morgen umziehen. Aus Sicherheitsgründen ging es auf das westliche Flussufer. Der Umzug war sehr schwierig, da wir die Fahrzeuge immer auf und abladen mussten um alles Gerät zur neuen Unterkunft zu schaffen. Es ging bis in den späten Abend und alle haben ungefähr 36 Stunden fast ohne Unterbrechung gearbeitet. Quartier bezogen wir in einer Kolchose ein Mustergut, das unter deutscher Leitung arbeitet und hauptsächlich an das Lazarett liefert. Wir erbten vor allem wundervolle Äpfel, Tomaten und viele Gurken. Es gefiel mir recht gut. Gleich neben dem Schreibstubenwagen war eine Holzbude mit einer Brause. Ich habe mich gleich 5 mal am Tage geduscht. Es war wundervoll erfrischend, zumal es wieder eine unglaubliche Hitze war. Nur die Fliegen waren wieder furchtbar. Fast so schlimm, wie in dem Drecknest, in dem wir vor 2 Wochengelegenheit haben.
Die ganze Freude dauerte aber nicht lange. Noch in der Nacht bekamen wir Verladebefehl. In den frühen Morgenstunden wurden wir schon verladen. Es ging diesmal weiter nordwestlich. Die Hitze war wieder furchtbar. Nachts gab es dann auch ein Gewitter, wie ich es kaum jemals gesehen habe. Sekundenlang pechschwarz, meist aber von vielen Blitzen gleichzeitig erhellt war der Himmel. Dazu ein unheimlicher Sturm und starker Regen. Der Zug hatte direkt zu kämpfen, um durch dieses Toben zu kommen. Mehrere Stunden dauerte das Gewitter.
Am nächsten Morgen waren wir am Ziel (6.8.)- Jetzt liegen wir nun in einem wundervollen Hoch-Mischwald am Rande eines Dorfes. Es ist hier ganz wundervoll. Was wir hier sollen und für welche Aufgaben wir vorgesehen sind, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wird aber gar nichts los sein. In der Stadt die in unmittelbarer Nähe liegt, liegt der Stab der Armee.
Sonst geht es mir prima. Ich muss leider abbrechen, denn der Kradmelder fährt jetzt ab und wartet nur noch auf meinen Brief. Ich weiß noch nicht, wie die Post geht. Ein Postamt gibt es noch nicht, da erst alles eingerichtet wird. Wahrscheinlich werde ich nun auch mehrere Tage keine Post bekommen. In Kürze schreibe ich mehr.
Nun recht herzlichen Gruß, Fred recht gute Besserung und allen viel "Zivilistenglück"
Heinz

 

top