Brief (Transkript)
Heinz Sartorio an seine Schwester am 30.6.1943 (3.2002.0827)
O.U., den 30.6.43
Liebe Elly!
Heute nur ein paar Zeilen. Vor einigen Tagen kam Dein Brief vom 18.6. - Das ist aber auch alles. Der Posteingang ist in letzter Zeit wieder mal recht schlecht. Zu diesem Brief ist nun weiter nichts zu sagen. Dass es Fred nicht gut geht, tut mir ja nun sehr leid. Ich weiß aber auch nicht, was man da machen kann. Ich glaube nur, dass es für Fred das Beste wäre, wenn er wieder nach Gießen könnte. Das hat ihm doch damals wohl geholfen und auf jeden Fall hat es ihm sehr gut gefallen. Und das ist vielleicht auch schon viel wert. Hauptsache ist natürlich, dass die Gegend einigermaßen von Luftangriffen verschont bleibt. - Ich hoffe nur, dass ich bald wieder mal günstige Nachrichten bekomme.
Deinen Brief vom 11.6. habe ich wohl auch noch nicht beantwortet. Er kam ja auch ziemlich spät. Ich glaube, Luftpost geht immer noch am schnellsten. Schicke deshalb nach Möglichkeit immer Luftpostbriefe, damit die Post nicht so lange unterwegs ist und dann schon wieder alles überholt ist. - Eben stelle ich fest, dass der Krieg doch schon beantwortet ist. Ich will nun also nur noch kurz von den Neuigkeiten von hier berichten:
Und da wäre nun eigentlich auch nichts zu sagen. Es ist alles unverändert. Siebenschläfer hat es geregnet und es ist nun wohl längere Zeit mit Regenwetter zu rechnen. Bisher ist es jedenfalls seit Siebenschläfer trübe, regnerisch und kühl gewesen. Hoffentlich bleibt es nicht so, denn dann fällt das Baden, die Wasserpartien usw. fort. Und dann würde es ziemlich langweilig werden.
Mein Geburtstag ist, wie immer, ohne Aufsehen verlaufen. Zum Feiern hatten wir leider keinen Stoff. Vor einigen Tagen hatten wir viel Bier und Wein. Das ist nun aber inzwischen auch alles alle geworden und wir warten schon auf die neue Sendung Marketenderwaren. Mit Zigaretten sind wir nämlich auch knapp geworden. Du brauchst aber deshalb keine zu schicken, denn bis die Sendung hier wäre, haben wir auch schon wieder Marketenderwaren gefasst. Im übrigen ist es auch ganz gut, wenn ich mal ein paar Tage nicht so viel rauche. Platzkarten haben wir diesmal in größerer Menge bekommen und ich bin nun auf den 30 Platz gerückt. Das zählt aber erst ab August. Wenn es so weiter geht, dann bin ich Ende Oktober wieder dran. Mir wäre es ganz lieb, wenn ich diesmal etwas früher fahren könnte, damit ich. nicht immer im Winter fahre. Man möchte ja auch mal sehen, wie es im Sommer im Reich aussieht.
Morgen fährt nun erst mal mein Kamerad von der Schreibstube. Ich gebe ihm das schon angekündigte Päckchen mit. Er packt es aber erst im Reich fertig und es dauert sicher schon noch 14 Tage, bis Du es bekommst. Inhalt: 4 kl. Dosen Ölsardinen, 1 gr. Dose Fisch, 1oo g. Bohnenkaffee und 2 Tuben Käse. Die Fischdosen dürfen nicht lange gelagert werden. Das Material ist ziemlich schlecht und die Fische werden deshalb leicht schlecht. Besonders die Schwarzblechdosen müssen schnell verbraucht werden. Ich habe sie auch schon einige Zeit hier liegen und die Grenze der Lagerfähigkeit wird also bald erreicht sein. Wenn Du für Fisch nicht viel Interesse hast, dann kannst Du ja evtl. einen Tausch machen. Es wird sicher Leute geben, die so etwas auch mal gerne essen und vielleicht gegen Käse tauschen. - Ich würde ja gerne noch andere Sachen schicken, aber ich kann meinem Kameraden nicht allzu viel aufholzen und mit der Post ist alles schlecht zu schicken. Ich würde z.B. Öl kaufen können. Eine Flasche wird aber zu schwer. Ich kann sie also nur Urlaubern mitgeben. Ich will mal sehen was sich machen lässt. Vielleicht nimmt mal ein Urlauber eine Flasche mit. Muss mir nur noch überlegen, wie ich die Flasche am besten Verpacken kann.
Unser Fußballklub macht sich ganz groß. Bisher haben alle Gegner furchtbar verloren. Unsere Mannschaft ist wirklich tadellos. Es bestehen bloß immer Schwierigkeiten, die Spiele zu arrangieren. Wir wollen gerne mal die Städtemannschaft herausfordern. Das würde bestimmt einen interessanten Kampf geben, aber es hat bisher immer noch nicht geklappt. Wir haben jetzt auch wieder große Kommandos unterwegs und die Mannschaft ist dadurch auch etwas auseinander gerissen - Das Schachspielen ist weiterhin noch die große Mode. Wenn ich nicht gerade schlafe, dann habe ich nur 2 Gegner zu fürchten. Wenn der Chef wiederkommt, wird es ja wieder hoch hergehen.
In 8 Tagen wird der Chef ja wohl wieder hier sein und der Spieß wird schon in 2 - 4 Tagen erwartet. Dann ist die schöne Zeit vorbei und mit der Ruhe ist es aus. Nicht das mehr Arbeit wäre, aber der Spieß macht einen mit seiner Nervosität verrückt. Wenn er ohne Schnaps und Weiber ist, dann ist er ungenießbar. Wir müssen dann immer etwas für seine Zerstreuung suchen. Ist aber auch egal, ein bisschen Aufregung kann schon nicht schaden. Wir verkalken sonst noch. Nun noch einen Wunsch: Gibt es im Reich noch Essigessenz ? Wir sind nämlich mit Gewürzen aller Art ziemlich knapp und manchmal möchte man sich etwas würzen und es fehlt dann an allem. Wenn Du also so etwas auftreiben kannst, dann schicke es mir doch bitte zu. Es ist aber nicht so wichtig. Hur wenn Du gerade mal Zeit hast. (Auch Senf!) Vorgestern habe ich übrigens wieder mal Kartoffelpuffer gegessen. Deine große Reibe ist dabei wieder mal zu Ehren gekommen und hat sich tadellos bewährt. Ich habe mich vollgefressen, Dis ich Magenschmerzen hatte. Zum Backen haben wir Sonnenblumenöl genommen. Es war eine verdammt teuere Mahlzeit, aber es hat geschmeckt. Ein Puffer kostete mich mindestens -,50 RM.
Schmuck ist übrigens hier als Tauschartikel gar nicht gefragt. Dagegen kann man mit Kämmen ungeheure Geschäfte machen. Ich bekomme schon durch Beziehungen direkt Kämme ab Fabrik. Nicht gerade viel, aber es reicht, sodass ich immer ausreichen Lebensmittel eintauschen kann.
Ja, eigentlich habe ich nun weiter nichts mehr zu berichten. Voraussichtlich wird es auch in nächster Zeit nicht anders sein. Ich werde also nicht so oft schreiben, allerdings alle 8 Tage kommt schon eine Nachricht von mir.
Zu Deiner Verfügung lege ich 4 Päckchen- und 6 Luftpostmarken bei. Bauern haben für Päckchenmarken großes Interesse. Sie können dadurch ihren Angehörigen an der Front mehr schicken und geben gerne etwas dafür. Verschenke also die Marken unter keinen Umständen. Sie sind sehr wertvoll. 1 Marke mindestens 125 g Speck. Papa hat ja Zeit und kann auf die Dörfer gehen und tauschen. Ich fürchte allerdings nur, dass er sich zu dämlich anstellt. Und nun Schluss für heute.
Weiterhin alles Gute, vor allem Fred recht gute Besserung und allen herzliche Grüße
Heinz
Der Luftangriff auf Köln hat übrigens allgemeine Empörung hervorgerufen. Wenn man dazu die Propaganda der Engländer hört, dann kann man wirklich nur die Wut kriegen. Ich bin jetzt zu der Überzeugung gekommen, dass die Engländer und vor allem die Amerikaner ganz große Lumpen sind. Dagegen sind wir wirklich die reinen Engel. Wir hoffen alle, dass bald sie die Vergeltung kommt, damit dieser elende Luftkrieg endlich mal ein Ende hat.
Ansicht des Briefes
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