6. Brief den 21.7.42

Mein liebes treues Evchen u. liebe Kinder!

Gestern erhielt ich Dein erstes Briefchen, was in mir ungemein große Freude hervorrief. Ich danke Dir recht herzlich dafür mein Liebling. Ja mein liebes Evchen die Trennung ist auch mir schwer gefallen ich habe es mir aber nicht so merken lassen. Aber wie ich so im Zug saß u. der Morgen tagte mit einem herrlichen Sonnenaufgang, war es mir doch sehr sehr weh ums Herz. Da waren denn gleich wieder meine Gedanken bei Dir mein Liebling. Wie wirst Du nachhause gekommen sein, wie wirst Du u. unsere Lieblinge nun schlafen? Na der lange Marsch von Schönhauser Allee nach hause wird Dich wohl doch müde gemacht haben. Ich kann es Dir aber nachfühlen wenn man innerlich erregt ist, kann man trotz großer Müdigkeit nicht schlafen. Ich kenne das, denn mir ist es selbst oft auch so gegangen bevor ich in Urlaub zu Euch kam. Das glaube ich, daß Ingrid u. Evchen sehr erstaunt waren als ich früh fort war. Ja meine Lieblinge ihr habt es am Abend zuvor nicht geglaubt wie ich Euch sagte, daß ich Euch wieder verlassen muß. Ich glaube ihr hättet mir am Abend doch noch ein paar Liedchen mehr vorgesungen. Na wenn ich wiederkomme singt ihr mir noch mehr, auch neue Liedchen vor, nicht wahr? Wollt Ihr das tun? Jetzt singt nur immer dem lieben Muttelchen Eure Lieder vor u. lernt neue dazu damit die gute Mutti auf andere Gedanken kommt u. nicht immer nur an mich denkt. Seit auch immer recht artig zu ihr. Besonders Du kleines Evchen darfst nicht immer gleich weinen, wenn es mal nicht nach Deinem Köpfchen geht u. Ingridchen mal ein anderes Kleidchen an hat als Du. Und Du liebes Ingridchen hilfst weiter der Mutti schön beim Einholen u. wenn ihr zusammen spazieren geht sei immer frischer Laune u. mache nicht mehr solch verquältes Gesicht sondern sei immer lustig u. munter. Ich danke Euch recht herzlich für die schönen Blümchen die ihr mir in Muttis Briefchen beigelegt habt. Papa hebt sich das ganze Briefchen mit Blümchen auf, denn das Briefchen hat mir doch zugut gefallen von meinem lieben Evchen Euer Muttelchen. Ihr müßt Euer Muttelchen immer trösten sie soll nicht weinen um mich, denn einmal ist der böse Krieg doch wieder vorbei u. ich bin wieder bei Euch. Seit artig zur Mutti u. bereitet ihr nur Freude, dann vergißt sie auch die schwere Zeit.
Es ist wirklich wahr mein liebes Evchen, so gut wie mir dieses Briefchen gefällt, kann ich Dir garnicht schreiben. Du schilderst darin so schlicht Deinen inneren Kampf u. läßt aber doch nicht den Mut sinken. So richtig wie es sich für eine solche kleine Soldatenfrau gehört wie Du ja nun einmal bist. An unserm Hochzeitstag war ich in Gedanken nur immer bei Dir so wie Du bei mir warst. Ich sah Dir vor mir stehen wie damals vor sieben Jahr. Als Du das schöne weiße Brautkleid anhattest, die schmucken Bäckchen u. die blauen Augen die mich anschauten u. das kleine Mündchen, die Lippen die dann sagten ich will Dir immer treu bleiben mein Liebling. Alles das sah ich genau vor Augen u. am liebsten hätte ich Dich in meine Arme genommen u. geherzt u. geküßt, Du mein liebes hübsches u. schlankes Frauchen. Du bist doch mein bestes auf der Welt. Nur für Dich u. unsere Kinder lebe u. kämpfe ich. Auch mir kommt es so vor als sei unsere Liebe noch fester geworden als je zuvor. Möge uns Gott weiter beistehen u. unser Glück durch recht baldigen Frieden segnen. Treu will auch ich Dir bleiben solange wir leben.
Heute ist es schlechtes Wetter hier. Es regnet schon den ganzen Tag, aber die Ernte steht sehr gut. Kartoffeln wie Getreide. Hoffentlich kommen bald warme Tage, das Korn zur Reife zu bringen. Unser Abzugstermin ist wieder um 8 Tage verschoben weil wir noch nicht alles haben. Es fehlen noch Geräte u. Waffen. Wir sind diesmal nur eine langsame Kolonne weil wir mit Pferd u. Wagen losziehen. Da werden wir auch nicht wie bisher an die vorderste Front kommen. Der Kampf im Osten geht munter vorwärts. Vielleicht ist es doch möglich, das der Russe es bis vor dem Winter noch aufgibt.
Unser Sportfest war ein großer Erfolg. Feldw. Büge hat sogar den 4. Preis erhalten. Ich dagegen habe keine hohe Punktzahl erreicht weil ich für verschiedene Sportarten doch zu klein bin u. die Komp. jetzt wieder 160 Mann stark ist. Da war die Konkurrenz doch zu groß für mich. Papa hat nicht den nötigen Mumm mehr in die Arme. Na die Hauptsache ist, daß es noch für mein Evchen zureicht u. die Genußwurzel ihren Mann steht. Nicht wahr mein Liebling.
Ich soll Dich grüßen von Feldw. Büge, und meinen anderen Sanitätskameraden Max Franke. Ebenfalls Kaminkehrer (Berle[?]) Der ist hier wieder Hahn im Korb. Er hatte uns am Sonntag auch besucht (er wohnt in einem anderen Ort 9 klm von hier) Am Abend war dann […] u. es wurde mit den einheimischen Mädels getanzt. Ein paar Tänze habe ich auch reskiert (das mußte ich schon wegen Pan Docter u. wegen der Butterverbindungen) Dabei dachte ich aber nur an Dich mein Liebling. Da Du aber nicht dabei sein konntest habe ich dann den Kanal voll Rotwein gefüllt und bin nachhause gewankt, schnell hingelegt u. gleich eingeschlafen. Am andern Tag erhielt ich von meinen Kameraden Vorwürfe warum ich so plötzlich verschwunden war. Ich konnte aber nicht anderst, denn ich mußte auch nur an Dich denken u. Du warst doch nicht dabei.
Gestern habe ich auch mal an Deinen Bruder Willi geschrieben. Vielleicht erhält er diesen Brief. Als ich bei meinem Urlaub mal im Keller war, sah ich mein Rad dort so langsam verrosten. Wie wäre es denn mein Evchen wenn es sich Dein Bruder Fritz mal wieder zurecht machen würde, daß er zur Arbeit fahren kann. Es ist doch besser für ihn wenn er nicht zu laufen braucht. Ich kaufe mir dann später ein Neues u. Fritz ist damit geholfen. Was machen denn unsere Bilder mein Liebling. Hast Du nun alle Feldpostpäckchen erhalten? Ich habe 6 Stück bis jetzt geschickt.
Mir selbst geht es gesundheitlich gut was ich von Euch meine Lieblinge auch hoffe.
Seit nun alle recht herzlich gegrüßt u. geküßt
von Deinem Alfred u. Euer Väterchen.


Ebenfalls soll ich Dich von Kam. Wellermann grüßen