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Brief (Transkript)

Kurt L. an seine Mutter am 14.7.1942 (3.2002.0885)

 

O. U., den 14. Juli 1942



Liebe Mutter !

Ich erhielt heute Deinen Brief vom 10.7., den ich Dir gleich erwidern will. Mir geht es hier in der Schreibstube unverändert gut, habe ja viel Arbeit und jagt immer eines das andere, auch nachts klingelt das Telefon so häufig, um uns irgendwelche Partisanenmeldungen zu bringen, dass man diese Anlage Verwünscht. Aber sonst lebe ich sehr gut, was hoffentlich so bleiben wird, wenn man es auch nicht vorher weiß, wie alles sich in Zukunft entwickeln wird. Bin heute schon fast den ganzen Tag allein, da der Spieß und die beiden anderen Kameraden (Rechnungsführer und Dolmetscher) außerhalb zu tun haben. Uns fehlt nur das Benzin, was wieder sehr knapp zu sein scheint, sodaß wir deshalb auch unsere Post nur unregelmäßig ranschaffen können, was nicht angenehm ist. Es freut mich, dass Du mein bescheidenes Päckchen erhalten hast, sonstige Lebensmittel habt ihr ja allein dort. In letzter Zeit haben wir allerdings keine Schokolade mehr erhalten, sie scheint auch hier etwas knapper geworden zu sein. Doch hatten wir anfangs so viel, dass ich genug davon versenden konnte. Rauchwaren verteilen wir von hier an unsere Kompanie als Marketenderware, wie auch andere Utensilien des täglichen Bedarfs. So habe ich hier genug zu rauchen, dass mir keiner mehr davon schicken braucht. Ich habe auch Lucie gebeten, dass was sie noch bekommt zu Hause für mich hinzulegen. Ich rauche hier meine Zigarren aus der stets vollen Kiste. Auch Wein, Sekt und Schnaps haben wir hier den ganzen Schrank voll. Der Stab zu dem ich ja nun wieder gehöre, lebt ja bekanntlich immer am besten. Auch was das Essen anbetrifft, so lebe ich nicht schlecht. Haben erst gestern ein Hühnchen zum Abend als Extraration gegessen. Erst gekocht und dann in der Pfanne gebraten mit der nötigen Butter dazu. Für uns drei Mann hat es gereicht. Ich mußte ihm sogar den Kopf abhacken. Ein Huhn, welches öfter sogar in unsere Schreibstube spaziert und unseren Nachbarn, Kameraden von der Kommandantur, gehört, werden wir demnächst auch verschwinden lassen, wenn sie nicht besser darauf aufpassen. An Lucie habe ich schon wiederholt Eier und Butter geschickt. Letztere wird ja auf dem langen Transport zwar alt, doch ist sie zum Backen oder Braten wohl doch noch zu gebrauchen. Da wir ja dauernd aus Konservenbüchsen leben, benutzen wir die leeren Dosen zum Schicken. Ich hatte schon daran gedacht, Euch die Büchsen zu schicken, aber es sind sehr wenig Weißblechbüchsen dabei. Von Tante Hete erhielt ich vorgestern auch einen Brief, worin sie mir mitteilte, dass Jochen nun auch in Russland ist, wahrscheinlich im Süden. Ich hatte ihr vor einiger Zeit mal einen Brief geschrieben. Von Hans bekam ich erst gestern den letzten Brief. Er hat mir in letzter Zeit für seine Verhältnisse sehr viel – oder wenigstens oft – geschrieben. Ich nahm zuerst an, dass er auch nach hier käme, als er mir von seiner achttägigen Reise schrieb. Aber nun hat er nur einen Transport in Frankreich gemacht. Doch ist er ja leider nicht mehr Telefonist, sondern ist wieder bei seiner alten Formation. Auch von Wilfred und Besuch habe ich Nachricht. Sie liegen beide nördlich von mir und in der Kampfzone im Einsatz, wo es nicht sehr angenehm ist. Uns werden jetzt auch viel Walderdbeeren und Blaubeeren ins Haus gebracht, wofür wir meist ein Stück Brot oder Tabak geben. Dies ist wohl auch das einzige Obst, was es hier gibt. Des öfteren wird den Partisanen auch mal eine Kuh weggenommen und haben wir dann mal einen Tag etwas Frischfleisch, was immerhin doch selten ist. Auch Salat haben wir öfter. Leider sonst kaum Frischgemüse. Alles dies sind Nachteile für die Zähne, da die Vitamine fehlen und sich in Zahnkrankheiten dann die Mängel herausstellen, woran es auch bei uns nicht fehlt. In den letzten Tagen ist nun viel Wehrmacht in unsere Gegend gekommen und wird wohl eine große Aktion demnächst gegen die Partisanen steigen. Sie wurden auch sehr frech in letzter Zeit. Wagten sich schon bei Tage aus den Wäldern heraus, um Überfälle zu machen. Nachts sind sie ja ständig beim Minenlegen. So mancher Urlauber hat schon nach dem gewiß verdienten Urlaub hier im Osten auf unserer Strecke den Tod gefunden. Tante Grete hat sich für meinen Glückwunsch inzwischen selbst bedankt, nur die Anschrift war von fremder Hand. Anbei wieder ein paar Postkarten für Dich. Hier ist seit gestern ein mächtiger Sturm. Sonst hatten wir prächtiges Sommerwetter. Unsere Russen machen auch feste Heu für unsere Pferde. Auch wird Holz bereits für den Winter geschlagen. Pro Mann 5 Festmeter sind zu schlagen. Im übrigen hoffe ich Ende September auf Urlaub fahren zu können. Hoffentlich ist Dein Fuß wieder gut! Mit herzlichen Grüßen an Dich und Hilde

Dein Kurt

 

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