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Brief (Transkript)

Robert Witzke an seine Ehefrau am 2.7.1942 (3.2002.7605)

 

O.U., den 2. Juli 1942



Meine liebe Ingeborg, Mein geliebtes Ingeken! –
Mein süßes, kl. Frauchen! Ach was noch. - -

Endlich habe ich Zeit, viel Zeit von den letzten Tagen und Ereignissen zu berichten. Von wo und wie ich schreibe, das kommt zum Schluß. - -
Am 17. u. 18.6. hatten wir also die Straße ostw. Tobruk gesperrt. Am späten Nachmittag des 18.6. zogen wir dichter an T. ran. Am 19.6. früh sollte T. angegriffen werden. Bei Dunkelheit ging es mit den Fahrzeugen bis auf 5 klm. an den Panzergraben heran, dann wurde abgesessen und es ging bis an die Zähne bewaffnet, mit Handgranaten, geballten Ladungen usw. bis direkt an den Pz.-Graben. Es war das erste mal das T. von Osten her angegriffen werden sollte, und es erschien uns ganz sonderbar, daß der Tommy sich bisher so ruhig verhielt. Unser Btl. hatte mal wieder den ehrenvollen Auftrag die Spitze zu bilden (wahrscheinlich traditionshalber.) Die 4 Komp. nebeneinander sollten in breiter Front über den Graben, Gassen durch den Stacheldraht hauen und im Nahkampf die festungsartigen Werke nehmen. Vorher würden Stukas jedes Werk mit 2 der schwersten Bomben belegen. Hinterher, bis wir durch den Draht sein würden, sollte unsere gesamte Artillerie ihren Feuersegen auf die Bunker setzen. Nach uns sollten Pioniere für die Panzer Übergänge über den Graben schaffen. Hinter den Panzern würde es dann weitergehen. Anschließend sollte noch ein zweites Schützen-Btl. nachfolgen usw. usw. - - So war der Angriff vorgesehen. Uns, die wir Tobruk zur genüge kannten, war es nicht gerade rosig zu Mute. Doch allen war es klar, T. mußte diesmal fallen. –
Am 19.6. früh um 03.45 Uhr gings los. Stuka belegte Bunker mit schweren Brocken. Dicke Rauchschwaden lagen über dem Vorfeld. Es war noch windstill, für uns Infanteristen günstig, denn wir kamen so leichter an den Stacheldraht. Dann setzte die Artillerie ein. Alles in allem war es ein Feuerzauber, wie man ihn sich schöner nicht vorstellen kann. Eine Stunde später zeigten weiße Leuchtkugeln (weiße Sternbündel) an, daß die ersten Werke genommen sind. Nun verläuft alles programmäßig. Der Tommy ist so überrascht, daß er vollkommen überrannt wird. Am Abend sind bereits Stadt und Hafen genommen. Sonntag früh geht es nun von rückwärts an die südl. und westl. Werke, doch der Tommy, zumeist Schwarze, kommt uns schon zu Tausenden entgegen. Seine Waffen hat er zu Haufen angesteckt, alle Fahrzeuge brennen. 2 Stunden später kapituliert er restlos. Man kann es noch garnicht fassen, daß uns T. diesesmal so leicht in die Hand fiel. Man kann aber auch jetzt übersehen welch ein Wahnsinn es ihm Vorjahr war, uns darauf anzusetzen. Unsere ganze kl. Division hätten sie zusammengehauen wie kaltes Eisen. Herrgott. Tobruk ist unser! Was das heißt, wird man in der nächsten Zeit erst so recht erfahren. - -
Wenn wir nun an eine Pause dachten, dann hatten wir uns geirrt. Schon am Nachmittag ging es weiter in Richtung Bardia. Bis Gambul [?] auf der Straße und von da an nur noch Wüste. Unsere Division wird man nie woanders finden als in der Wüste. Wir, die Steinalten sind nun mal Spezialisten dafür. Tag und Nacht fahren wir nun. Ziemlich 10 klm tief in der Wüste geht es immer nach Osten. Unser Ziel ist Marsa-Matruk. Man bekommt in 24 Stunden kaum 1 Stunde Schlaf. Bei Nacht wird gefahren. Die engl. Bomber suchen uns in der Nacht zwar, finden uns aber selten. Am Tage ist es schlimm. Je näher wir Marsa-Matruk kommen, desto mehr haben wir unter Bomben- und Tieffliegerangriffen zu leiden. Es ist schlimm und die Ausfälle sind groß.
Und nun kommts, Ingeken. Du darfst nicht erschrecken, denn ich fühle mich schon wieder ganz wohl. Am 24.6. hatten wir allein 12 Bombenangriffe zu überstehen. Gegen 18.00 Uhr war der letzte und da hatte es mich auch erwischt. Bombensplitter-Steckschuß im linken Kniegelenk. Ich ließ mich verbinden und fuhr in meinem Wagen weiter. 2 Stunden später mußte das Bein schon geschient werden. Das Knie war mächtig dick geworden. Gelenkerguß. Nach einer qualvollen Nacht kam ich am nächsten Morgen zum Sanitäts-Zug. In einem Kranken-Kraftwagen wurde ich dann mit etwa 40 andern Schwer- u. Leichtverwundeten noch 3 lange Tage u. Nächte hinter der Div. durch die Wüste mitgeschleppt. Es kann sich niemand vorstellen was das heißt. Fahre über einen gepflügten und gefrorenen Acker und das 3 Tage lang. Es war fürchterlich, 4 Mann sind unterwegs noch unter gräßlichen Schmerzen gestorben. Bei normalen Verhältnissen wären sie jederzeit durchgekommen. Am 27. abends kamen wir auf dem Hauptverbandsplatz in Sidi el Barrani an. Hier wurde das Bein frisch verbunden. Ich bekam eine Spritze gegen Wundfiber in den Oberschenkel. Das Knie war mächtig dick. Am nächsten Morgen ging es mit einer Sanitäts-Ju. nach Tobruk. 2 Tage habe ich hier gelegen. Das Knie wurde punktiert und eine Menge Blut mit Wasser herausgeholt. Am 30.6. ging es nach mit einem Flugboot nach Tarent, und am 1.7. mit einem Lazarett-Zug nach Deutschland. Im Lazarett-Zug nun schreibe ich diesen Brief. Augenblicklich haben wir Neapel erreicht Sonnabend oder Sonntag werden wir in Deutschland sein.
Wir werden alle in bayrischen Lazaretten untergebracht, und wenn es geht, (es ist sehr wahrscheinlich) dann lasse ich mich nach Spandau verlegen. Schön wär’s ja. Im Augenblick bin ich restlos zufrieden. Es geht nach Deutschland. Bald gibt es Uralub, und wir sehen uns bald wieder. Ach Ingeken, und das im Juli – August.
Als wir in Tarent an Land getragen wurden und uns deutsche u. ital. Soldaten u. ital. Ziv.-Bevölkerung mit Orangeade und Pflaumen, Feigen u. Birnen empfingen, da spürte man erst wieder, daß man noch ein Mensch war. Klares reines Wasser konnte man trinken, Orangeade, - und schöne grüne Gärten gab es, ach herrlich, herrlich.
Ich schreibe Dir sofort, wenn ich in einem deutschen Lazarett untergebracht bin. Ach, ich freue mich ja schon so auf „daheim“.
Und nun, mein liebes Frauchen, mache Dir keine Sorgen. Ich denke, daß ich bald kuriert bin und daß ich Dich bald in die Arme schließen kann.
Es grüßt und küßt Dich nun recht herzlich

Dein Robert


Herzl. Gruß den lieben Eltern usw.

 

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