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Brief (Transkript)

Eberhart Becker an seine Eltern am 17.4.1942 (3.2002.0225)

 

In Rußland, den 17.4.42



Liebe Eltern u. Geschwister!

Nun sitzen wir also drin im heiligen Rußland, mitten zwischen den Panjes. Am Montag haben wir, wie ich Euch schon schrieb, in Ostpreußen verladen und sind nach zweitägiger Bahnfahrt an unserem Bestimmungsbahnhof angelangt. Die Fahrt verlief ohne besondere Zwischenfälle. Sie führte uns zuerst durch mir wohlbekannte Gegenden. Wir durchfuhren dieselbe Strecke, auf der ich voriges Jahr nach dem Transport mit dem Flugzeug, mit dem Lazarettzug gefahren bin. Von dieser Station aus ging es dann aber erheblich nach Süden, sodaß wir also nicht in demselben Abschnitt gelandet sind, sondern im Südteil des rechten Nachbarabschnittes. Ich denke, daß Ihr so ungefähr wißt, wo ich stecke. Wir sind hier noch etwa 200 – 300 km von der Front entfernt und werden hier wohl auch noch etwa drei Wochen bleiben. Als wir auf unserer Endstation nach der Transportfahrt, die unter schlafen, skat spielen, essen und trinken verlief, wie das ja immer so ist, war es Nachmittags gegen 5 Uhr. Wir konnten nicht gleich mit dem Ausladen beginnen, da noch an der Rampe Vieh eingeladen wurde. Es war ein ganz elendes Zeug, diese Kühe, kaum so groß, wie ein halbjähriges Kalb bei uns, und so klapprig und dürr, daß sie kaum auf den eigenen Beinen stehen konnten und teilweise in die Wagen getragen werden mußten. Unser Ausladen ging verhältnismäßig schnell, aber es war doch immerhin schon dunkel geworden, bis wir abmarschieren konnten. Wir waren vorher noch vor Partisanen gewarnt worden, die sich hier in der Gegend rumtreiben sollten und tatsächlich wurde der Stab, der mit den Motteilen der Komp. vorausfuhr, aus einem Wald heraus, durch den unser Weg führte, beschossen. Es war also ein recht krippliges Gefühl bei der Fahrt in pechschwarzer Nacht. Zuerst ging es durch den Ort, zu dem unser Ausladebahnhof gehört, in dem ich mich auch noch verbiesterte, weil überhaupt keine Wegmarkierung vorhanden war. Dann ging es über die Beresina, die durch das Hochwasser in einen großen See verwandelt war. Daran anschließend kam dann der Wald und ich war recht froh, als wir diesen ohne Zwischenfall auf unseren Rädern hinter uns gebracht hatten. Nach mehrstündiger Fahrt kamen wir dann glücklich in unserem Unterkunftsdorf an, aber was hatte ich von der Kompanie noch bei mir. Kaum die Hälfte, die anderen waren auf der holprigen Straße mit Panne liegengeblieben oder sonst aus irgend einem Grunde zurückgeblieben. Nun zogen wir also ein bei unseren neuen Wirten, den biederen Panjes. Ich zog mit meinem Zugtrupp in eines der Häuser, die durchweg aus zwei Räumen bestehen, einem Vorraum, der als Abstellraum für einiges Gerät oder als Stall für eine armselige Kuh dient, und einem Wohnraum, in dem sich die ganze Familie aufhält, und wo alles gemacht wird, kochen, schlafen usw. Als wir also in unsere Hütte kamen, lag der Mann mit seiner Frau und einem Kind auf dem einzigen Bett, die Oma u. der Opa mit einem etwa 12jährigen Jungen auf dem Ofen, und nahmen von uns weiter keine Notiz. Wir machten uns also nur eine Strohschütte zurecht und hauten uns hin, müde wie wir waren. Am anderen Morgen erwachten wir, ohne zu unserem großen Erstaunen von Ungeziefer aufgefressen zu sein. Bis jetzt bin ich glücklicherweise davon verschont geblieben, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die Bevölkerung ist freundlich und durchaus gastfreundlich, und wir bemühen uns, sie nicht unnötig zu vergrämen. Lustig sind die Verständigungsversuche auf beiden Seiten, aber mit einem Soldatenwörterbuch bewaffnet, kommen wir notdürftig zurecht. Von meinen weiteren Erlebnissen im nächsten Brief. Für heute möchte ich schließen.
Recht herzliche grüße sende ich Euch
Euer Eberhard

 

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