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Brief (Transkript)

Alfred Marx an seine Ehefrau und Kinder am 2.3.1942 (3.2002.0230)

 

Rußland, den 2. März 42



Mein herzliebes gutes Evchen mein treuer Lebenskamerad u. liebe Kinder!

Gestern wurde mir große Freude zuteil indem ich nach einem viertel Jahr das erste Lebenszeichen von Euch mal wieder bekam indem ich Deine Briefe vom 8.12., 16.12. u 28.12. erhielt. Weil ich nun heute gerade Zeit habe, will ich sie gleich beantworten. Den vom 8.12. zunächst danke ich Dir recht herzlich für all diese ausführliche Briefe, war mir doch direkt ein Stein vom Herzen gefallen endlich mal was von Euch zu hören. Nach Deinem Brief hast Du auch 3 Wochen lang von mir nichts gehört obwohl ich immer fleißig geschrieben hatte. Es ist schon so, wie Du dachtest. Die schlechten Wetterverhältnisse u. die Postsperre hatten eine frühere Bestellung verhindert. Du schreibst Du hörst gerade durch den Rundfunk das schöne Lied: „Komm zurück.“ Unser lieber Gott wird Euch schon diesen Wunsch erfüllen u. mich heil u. gesund zu Euch zurückkehren lassen. Es hat aber alles seine Zeit u. wir wollen nicht mit dem Schicksal hadern wenn es nicht gleich ist. Die Hauptsache ist ich komme zurück nicht wahr mein Liebling. Und daß ich zurückkomme sagt mir eine innerliche Stimme. Sie sagt aber auch Geduld Geduld. Mit Urlaub ist ja nicht zurechnen weil nun die Kampfhandlungen bald wieder in größeren Ausmaßen beginnen. Der Schnee wird bald wegtauen u. dann geht es loß. Ich bin gesundheitlich ohne erfrorene Glieder über den Winter gekommen u. schon allein dafür will ich Gott danken. Denn wie Du selbst weiß haben sich viele viele andere Soldaten die Zehe oder andere Gliedmaßen erfroren. Daß es den Hans darin auch so schnell packen würde hätte ich nicht gedacht. Ich hoffe u. wünsche sehr, daß er nun wieder gesund ist. Was ist denn nun aus seinem Familienzuwachs geworden? Ist es ein Bub oder ein Mädel? Ist denn eigentlich unser altes Rundfunkgerät noch in Ordnung? Ich denke daran besonders Sonntags wo es Dich den langen Abend unterhalten soll. Es ist schon recht mein Liebling ängstige Dich nur nicht gleich, wenn mal die Post unregelmäßig eintrifft. Uns verbindet ein unsichtbares Band was nicht abreißt wenn die Post mal nicht pünktlich eintrifft. Damit habe ich mich auch immer in der sehr langen Zeit getröstet wo ich keine bekam. Uns hat Gott zusammengeführt u. wird uns auch nicht trennen. Daß Dich unsere Liebe über die schwere Zeit hinweghelfen freut mich außerordentlich. Ja, ja meine Lieblinge wie gern möchte ich sie mal wieder sehen. Ab u. zu sieht man hier trotz Not u. Elend auch ein lebhaftes u. hübsches Kind, was mich an unsere Lieblinge erinnert. Gerade an Weihnachten hatte ich hier solch niedliches Wesen von 3 Jahr um mich. Es gibt auch hier gute u. saubere Menschen nicht alles ist Dreck. Man merkt dann aber auch gleich, daß es nicht Kommunisten sind, sondern aus der längst vergangenen Zeit kommen. Auch diese Menschen beten wie viele Millionen: „Herr schenke uns recht bald wieder den Frieden.“ Ja mein liebes Evchen Du hast recht, auch einmal wird dieser Tag kommen wo die Friedensglocken läuten.
Von meinem Bruder Fritz erhielt ich vor kurzem auch einen Brief mit Foto. Es ist sehr naturgetreu getroffen. Ich will zusehen, daß ich ihm mein letztes Foto auch schicke. Der arme Kerl wird wohl jetzt für Rußland sicherlich auch reifgemacht werden. Oder ist vielleicht schon hier. [...] scheint in Frankreich oder sonstwo zu liegen, denn von hier hat niemand seit Dez. Urlaub bekommen. Es freut mich, daß Du mit Klements in Königinhof in einem Freundschaftsverhältnis lebst. Es sind ja auch wirklich gute Leute. Das Päckchen von ihnen habe ich noch nicht bekommen. Auch Deine nicht. Na eines schönen Tages wird schon alles eintrudeln. Unser lieber Hugo hat für unsere Kinder also ein Legespiel gebastelt. Er läßt es sich ebend nicht nehmen Freude und Liebe zu schenken. Wenn die Zeiten auch so schwer sind. Da tut er es erst recht. Von ihm hatte ich auch gestern einen 8 Seiten langen Brief bekommen der mit Humor gewürzt war. Daß alles so knapp in der Heimat ist, hätte ich nicht gedacht. Grade jetzt müßte es doch wenigstens Briefpapier u. Umschläge geben. Für die schönen Beilagen und Bildchen von Dir mein liebes Ingridchen danke ich Dir recht herzlich. Ich werde alles schön aufheben. Du mein Liebling schickst einen Zeitungsausschnitt über „Pioniere bauen eine im Rücken der Sowjets“ Na da waren wir ja nicht dabei, haben aber ähnliche Situationen gemeistert u. die Brüder in die Flucht geschlagen. Das Gesindel treibt sich überall rum. Da kann man sein wo mal will.
Nun zum zweiten Brief. Wenn es Post gibt, kommt auch gleich ein Haufen. Das bestätigt auch dieser. Die Karten zu Ingrids u. Evchens Geburtstag haben Euch also alle gefallen. Das war ja auch der Zweck der Sache. Der Kamerad der sie malte ist Reklamemaler bei Aschinger. Der Junge hat wirklich was los. Ich freue mich sehr, daß meine Lieblinge die Briefchen schon verstanden haben, die ich dazu schrieb. Sie sollen nur alle Küßchen gut aufsparen die sie mir schenken wollen. Ich merke auch schon, daß Du mein liebes Evchen in den Kindern den Keim der Vaterliebe säst. Das ist recht so mein Liebling, daß es die Kinder von klein auf lernen u. die Vaterliebe muß ihnen ebend gelernt werden. Besonders wenn der Vati nicht zuhause ist. So wie Du mich liebst, werden mich auch mal die Kinder lieben. Und daß Du mich herzinniglich liebst, lese ich auch zwischen den Zeilen in jedem Brief. So soll u. muß es auch sein. So will es unser Gott u. die Natur. Ihr seit mein Lebensinhalt so wie ich Deiner bin. Darauf ist mein Glaube zu Gott u. zu Euch aufgebaut. Er wird mich nicht verlassen.
Es muß wirklich ein einträchtiges Bild sein, wenn unsere Lieblinge miteinander spielen. Oder wenn Ingridchen, Evchen so bemuttert u. sie mit in ihr Bett nimmt wenn sie weint. Es ist auch wirklich ein Glück, daß wir zwei Kinder haben. Da erzieht Eines das Andere u. das Zusammengehörigkeitsgefühl bleibt fürs ganze Leben bestehen. Keiner wird den andern untergehen lassen im Strom des Lebens. Ich selbst bin heute stolz darauf, daß ich aus einer großen Familie stamme.
Das glaube ich Dir gern, daß Du mein Liebling oft schlaflose Nächte hast u. um mich bangst. Dabei denke ich an das schöne Frühlingsgedicht wo der letzte Vers lautet „Und wenn Dir oft auch bangt u. graut, als sei die Höll’ auf Erden. Nur unverzagt auf Gott vertraut es muß doch Frühling werden.
Auch über die schwere Zeit mit wenig Fett u. Lebensmittel werden wir hinweg kommen u. wie Du selbst schreibst wenn ich ich wieder zuhause bin, bist auch Du gesund.
Wurst sollt Du mich auf keinen Fall schicken, die eßt nur selbst. Denn wir werden gut versorgt. Ein kleiner Kuchen ohne viel Zucker genügt auch schon, denn wir sind hier sehr bescheiden geworden. Es ist doch ganz anständig von meiner Firma, daß sie Dir 50 M geschickt hat. Mir selbst werden sie auch ein Päckchen gesand haben was aber bisher noch nicht in meiner Hand ist. Auch ich schickte Euch am 23.11.41. 150 M. Hast Du das Geld auch nicht bekommen. Morgen schicke ich wieder 225 M ab. Dein lieber treuer Bruder sieht doch immerzu unseren Kindern eine Freude zubereiten bei den Geburtstagen. Na die Hauptsache ist, daß sich auch die Kinder bei der Feier so gut vertragen haben. Dein Einvernehmen mit Schwester Martha hat sich wohl gebessert? Es ist ja auch anzuerkennen was sie den Kindern schenkt. Nun zu Deinem letzten Brief. Du hast also vergeblich auf Papis Kommen am Heiligabend gewartet. Ja es ist einmal so liebes Evchen. Jetzt sind schon wieder 9 Monate darüber verflossen u. die Zeit schreitet immer weiter. Ich dachte u. hoffte, daß Du den Heiligabend bei Deinem Bruder Fritz verlebst. Ich hatte es Dir doch geschrieben u. Fritz auch. Es war nur gut, daß Maiwalds auch zu Dir gekommen sind. Es war für Euch doch eine unverhoffte Freude die Päckchen von mir gerade am Heiligabend. Hier kommen auch meistens die Päckchen in solcher Verspätung an. Oft können die Kameraden das Gebäck nicht essen wegen den Benzingeruch oder Geschmack. Ich hatte bisher damit Glück. Na aber wer weiß wie die letzten ankommen werden. Hast Du die Fleischbrühe noch bekommen? Du hast Dir sicher viel Mühe mit den Handschuhen gemacht. Bis jetzt sind sie aber noch nicht hier u. es ist ja auch schon zu spät wie überhaupt die ganze Wintersammlung zu spät war. Na ich erkenne aber Deine Arbeit an mein Liebling und werde alles wieder zurückschicken für später. Selbst habe ich jetzt ein paar schöne mit Fell gefütterte Handschuh. Siehst Du mein Liebling heute hatte ich wenigstens Stoff zum schreiben u. das nächstemal beantworte ich jeden Brief nach einander. Sonst geht es mir gut, denn ich bin noch gesund und munter, was ich von Euch auch hoffe.
Seit nun herzlich gegrüßt u geküßt von Deinem Alfred u. Euer Väterchen

Gute Nacht behüt Euch Gott

 

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