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Brief (Transkript)

Robert Witzke an seine Ehefrau am 22.12.1941 (3.2002.7605)

 

Afrika, den 22. Dez. 41



Meine liebe Ingeborg!

Weit ist der Weg zurück ins Heimatland! - - Das merkt man immer wieder, alle Tage und jede Stunde bei diesem elenden Wüstenkrieg. Wochenlang schlägt man sich nun schon herum mit dem Erfolg, daß wir langsam aber sicher zurückgehen. Bengasi haben wir nun schon erreicht. Natürlich nicht auf der Straße, sondern hunderte von Kilometern tief in der Wüste. Bei Tage wird gekämpft und bei Nacht schlägt man sich durch. Der Tommy hat von uns gelernt. Was wir im März/April mit ihm gemacht haben, das macht er jetzt mit uns, allerdings in einfallsreicherer Form. Er kommt mit einer erdrückenden Übermacht, selbst greift er nie an, sondern setzt uns eine Unmenge von Panzern und Artillerie vor die Nase und wir verzetteln und schwächen unseren Laden durch unsere dauernden Angriffe. Traurig sieht es hier aus. Von denen, die im Februar ausgezogen sind, sind nur noch wenige übriggeblieben. E. Daubitz ist wieder mal verwundet. K. Hoffm. auch. Wo sie jetzt stecken mögen, habe ich im Augenblick keine Ahnung. Kannst Du Dir vorstellen, daß ein Mensch 6 Wochen herumläuft und sich erst 2 Mal gewaschen hat? - - Was die Wüste an Unannehmlichkeiten aufzuweisen hat, haben wir nun schon durchgekostet: große Hitze, Kälte, Sandstürme und augenblicklich Regen, Regen, Regen, dazu nachts die lausige Kälte.
25.12.1941
Ich komme erst heute, am 1. Weihnachtstag, dazu, weiterzuschreiben. Gestern war Heilig Abend. Nur gut, daß es einem nicht so recht zum Bewußtsein kommt. Nach einigen Kampfhandlungen am Tage sind wir von 19:30 Uhr, die ganz Nacht durch, bis heute Nachmittag gerollt. Von uns aus sollen sie Weihnachten verlegen. So ausgezeichnet habe ich sie noch nie erlebt. - -
27.12.1941
Bis hier hin bin ich am Weihnachtstag gekommen, dann hieß es: Aufsitzen! - Marsch! Dieses verdammte Fahren bei Nacht kann einen schwach machen. Nur gut, daß der Tommy mit seiner lausigen Artillerie wenigstens in der Nacht schweigt. Zu allem Überfluß regnet es natürlich heute wieder. Während Du diesen Brief liest, wirst Du wohl im Stillen fragen: ja, Robert, weißt Du denn, was heute für ein Tag ist? - Und ob ich das weiß. Wie gern möchte ich jetzt vor der Tür stehen und wenn Du aufmachst sagen: "Ich bin nur mal schnell herübergekommen, um meinem geliebten Frauchen zum 1-jährigen Hochzeitstag zu gratulieren. und ein paar schöne Blumen zu überreichen! Das wäre doch noch eine freudige Überraschung. Na, nicht daran denken.
"Agedabia" haben wir nun schon erreicht. Es mutet einen doch komisch an, wenn man sich um die Orte, die man schon einmal siegreich genommen hat (zum Teil blutig erkämpft) in der Rückwärtsbewegung nochmals schlagen muß. Wahrscheinlich werden wir unseren ganzen Laden hier zusammenziehen und den Tommy kommen lassen. Jetzt hat man doch wenigstens wieder den Rücken frei. Es ist nichts miserabler, als wenn man von 2 oder 3 Seiten Feuer bekommt. -
Es ist für heute schon wieder vorbei mit dem Schreiben.
1.1.1942
Bevor ich weiter schreibe, möchte ich Dir, meine liebe Ingeborg und den lieben Eltern, ein gesundes und frohes Neues Jahr wünschen. Vor allem wünsche ich, daß es uns beiden wieder die freundliche Seite des Lebens bringen möge.
Wie Du ja aus dem Wehrmachtsbericht weißt, haben wir hier bei "Agedabia" dem Tommy bis heute ein paar kräftige Schläge verabreicht. Es sieht nun nicht so aus, daß wir vor den komischen Hütten liegen, schön an der Straße aufgebaut und den Tommy kommen lassen. - Am 27.12. lagen wir schon etwa 30 km wüstenwärts von Agedabia, da von Süden kommend Feind gemeldet war. Gegen Abend hieß es: Aufsitzen! Marsch! In der Nacht fuhren wir dann weit ausholend nach Süd-Osten, etwa 30 km (das ist schon sehr viel). Am nächsten Tag nochmal etwa 70 km. Dann hatten wir ihn. Er war von 3 Seiten eingeschlossen und nun begann ein regelrechtes Kesseltreiben. Wir sollten ihm den Rückweg verlegen und Du kannst Dir sicher vorstellen, was bei uns los war.
Das ganze Btl. dazu 1 Btl. von einem Schützenregiment und eine Panzerjäger-Komp. mit Panzerabwehrkanonen, so zogen wir weit auseinandergezogen dem Feind entgegen, um den Ring zu verkleinern. Durch die offene Seite sollte er ruhig hinaus, denn da lief er den "Itakern", die um Agedabia den Verteidigungsring bildeten, vor die Rohre. Der Erfolg war denn auch ganz ordentlich. Er hätte allerdings noch besser sein können, wenn die "Itaka" besser aufgepaßt hätten. Man darf nichts von ihnen sagen, aber von mir aus sollte man sie alle einstampfen. Der Soldat an sich ist gut, seine Führung aber und seine Ausrüstung ausgesprochen "Mist".
Ich könnte Dir nun einige eigenen, kleinen Episoden erzählen, aber die würden Dich nur erschrecken. Lieber später mal erzählen.
Silvester hatten wir uns den ganzen Tag mit dem Tommy herumgeschlagen, zum Abend wurde es ruhiger. Der Feind lag nur einige klm. vor uns eingebaut, wie wir. Trotzdem ließen wir es uns nicht nehmen, dem Tommy die Jahreswende auf deutsche Art kundzutun. Schlag 24 Uhr gaben 12 Geschütze verschiedenen Kalibers, krachende Schüsse ab, den engl. Stellungen abgekehrt. Leuchtspurgeschosse aus Panzerabwehrkanonen, 2 cm und 8,8 "Flak" und Marsch-Gew. abgegeben, durchkreuzten von allen Seiten, steil in die Luft geschossen, den Himmel. Dazu stiegen aus hunderten von Leuchtpistolen weiße, rote und grüne Leuchtpatronen in die Luft. Rote, blaue oder violette Leuchtpatronen zerteilten sich hoch in der Luft und warfen nach allen Seiten, wie ein Springbrunnen seine Wasserstrahlen, 4, 6 oder 8 weiße Sterne. 15 Minuten lang war der Himmel über unserer Front von einem wahren Leuchtspur- und Sternenregen übersät. Es war ein herrlicher Anblick. Der Tommy wird gedacht haben, entweder sind die "Germans" verrückt geworden oder der Teufel ist bei ihnen los. Jedenfalls war er so anständig, oder so begeistert, und gab nicht einen einzigen Schuß ab. Am nächsten Morgen allerdings schickte er uns seinen Neujahrssegen reichlich herüber.
Meine liebe Ingeborg! Wenn Du bis hierher gelesen hast, mußt Du wissen, daß heute der 3.1.1942 ist. Ich habe das neue Jahr mit neuer Kraft und neuem Lebensmut begonnen, denn ich erwarte von 1942 Besseres als von "41". Es wird Dir eine Beruhigung sein zu wissen, daß es hier wieder bergauf geht. Gesundheitlich geht es mir gut und das ist die Hauptsache.
Heute haben wir unseren neuen Chef bekommen. Es ist der 6. in 10 Monaten. 2 davon sind beim Tommy, einer gefallen. Von den Offz., die Du mal in Z. beim Offz.Fest kennengelernt hast, bin ich nur noch mit 2 Offz. hier. Von Afrika wird man in der Heimat, außer den beteiligten Familien, wenig gesprochen haben. Einen zweiten Sommer möchte ich und wohl alle Alten, nicht mehr hier erleben. Jedoch der Soldat schweigt und gehorcht.
Nun möchte ich mich für Deine beiden Briefe vom 10. und 24.11.41 bedanken. Am 1.1.42 habe ich sie bekommen. -
Deine Urlaubspläne waren nicht schlecht. Richtig getippt hast Du auch vonwegen Herten. Es ist doch klar, daß ich nicht alleine gefahren wäre. Was heißt hier: Geld. Übrigens, hast Du mal nach dem 15.11.41 Geld durch die Post erhalten? Ich habe mal 2000 Lire dem Rechnungsführer zur Einzahlung gegeben. Du wirst aber wohl nichts bekommen haben, denn wenige Tage nach unserem Ausrücken, war der Tommy auf unserm alten Lagerplatz. Wir hatten Zelte und alle überflüssigen Geräte und Bekleidung zurückgelassen, dazu ein Nachkommando. Wir sind nur mit einem Marschanzug und einer Wäschegarnitur ausgerückt. Einen Tag vor Silvester konnte ich die Wäsche endlich durch Beutesachen wechseln. (Einige Wochen wäre es eigentlich noch gegangen.) Das Nachkommando einschl. Schreibstubenbesatzung und Rechnungsführer sind seit der Zeit vermißt. Das Lager haben wir nicht mehr wiedergesehen. Aber davon ein andermal mehr.
Ich wünsche Dir nun alles Gute und bleibe mit einem herzl. Kuß und den besten Grüßen
Dein Robert
Recht herzl. Neujahrsgrüße auch den Eltern und sonstigen Anverwandten und denen die's hören wollen.

 

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