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Brief (Transkript)

Freundin an Willi Betz am 1.12.1941 (3.2002.0257)

 

Ingolstadt, den 1.12.41.



Mein lieber Willy!

Ich wollte mich für Deinen Brief vom 31. Oktober bedanken und nun kam auch einer vom 19. Oktober an, der hat aber eine lange Reise hinter sich!! Ich habe mich über beide Briefe sehr gefreut und danke Dir recht herzlich dafür.
Dein Tell ist also auf einmal nicht mehr da gewesen und ich glaube, daß Du ihn sehr vermißt. Gerade an Hunde, die so treu und anhänglich sind, gewöhnt man sich so, - Vergangenen Samstag war ich allein, da Mutti auf einer D.R.K. Führerschule ist zu einem Lehrgang und denk' mal, wer mich da am Bahnhof erwartete? Unser Lumpi! Das ist doch rührend!
Du schreibst in einem Deiner beiden Briefe von den russischen Liedern. Die russischen Weisen sind doch alle so schwermütig, gelt! Wie ist eigentlich die russische Bevölkerung, wenn Ihr sie antrefft, zu Euch?
Ein guter Kamerad von Dir, Lt. Heublein, mußte also auch sterben. Du hast mir schon manchmal von ihm erzählt und auf dem Bild, das in Antwerpen aufgenommen wurde, ist er ja mit darauf.
Ach, manchmal frage ich mich doch: Warum mußte Alles so kommen? Aber darf man denn so fragen? Eine große Zeit will starke Herzen und all’ den Gefallenen danken wir am Besten, wenn wir weiterkämpfen und weiterleben und nicht zurücksehen, sondern vorwärtsblicken und nur ein Ziel vor Augen haben: Den Sieg! –
Wann werden wir uns mal wiedersehen, lieber Willy? Gibt es denn gar keine Aussicht auf Urlaub? Es wird nun schon ein ¾ Jahr, daß Du das letzte Mal zu Hause warst.
Wenn Du aber dann mal da bist, wollen wir es uns recht schön machen, gelt!
Immer näher und näher rückt Weihnachten. Die Schaufenster sind schon weihnachtlich geschmückt, nur der Schnee fehlt noch. Und ich denke jetzt zurück an die Kinderzeit. Voll Erwartung war man da in der Zeit vor dem Fest und wenn dann am heiligen Abend ein Klingelzeichen ertönte, durfte ich kommen. Und dann stand da der große Weihnachtsbaum und obwohl er jedes Jahr gleich war und ich fast jede Kugel kannte, fand ich ihn immer wieder neu und schöner. Und darunter saßen dann die Puppen in einer langen Reihe und jede hatte etwas Neues an, dafür sorgten meine Mutter und Großmutter immer. Und dann gab es noch viele, viele Überraschungen und vor allen Dingen Bücher, die hatte ich damals schon so gerne. Und der Kaufladen war da und nicht oft genug konnten Mutti und Vati und Großmutter bei mir einkaufen und – und – so könnte ich noch lange erzählen!
Es war doch so schön!
Aber inzwischen ist man größer und groß geworden – man steht fest im Leben und hat seinen Mann zu stehen, um die vielen Soldaten die draußen sind, in der Heimat zu ersetzen und man tut es gern.
Aber einmal, nach dem Krieg, wird Alles wieder anders werden. Alle, die sich gern haben, werden beieinander sein können, man wird glücklich und froh sein. –
Nun aber Schluß mit Träumereien – ich grüße Dich auf das herzlichste und Alles Gute von
Deiner Annerose

 

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