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Brief (Transkript)

Edgar Steuerwald an seine Eltern am 23.11.1941 (3.2002.1234)

 

Rußland, den 23. Nov. 1941.



Meine lieben Eltern!

Mit der allergrößten Freude habe ich heute Post empfangen. Und was denkt Ihr, was ich erhalten habe? 2 Stück 100 gr. Päckchen und 2 Briefe vom 27. + 28. 10. Ihr wißt gar nicht, wie mein Herz bebte, als ich die Post empfing. Gerade wo es hier diese Sachen gar nicht gibt, also ich bin sehr froh. Und trotzdem es schon spät ist, schreibe ich noch jetzt die Antwort. Eines hat mich aber doch etwas geärgert, und zwar schrieb Vati in seinem Brief, daß Ihr Euch nichts gönnt. Ich habe aber eine Bitte. Denkt bitte genau so wie an mich, an Euch. Ich möchte nicht, daß Ihr Euch alles entzieht. Ich kann mir denken; daß es in Stettin alles auf Marken gibt. Und jetzt bitte eines: Wenn es etwas gibt, denkt bitte zuerst an Elga, denn die gebraucht es nötiger wie ich. Dann denkt an Euch und zuletzt an mich.
Und jetzt beantworte ich Eure Briefe. Ich kann ja leider nichts dafür wenn die Post unregelmäßig geht. So oft ich Zeit habe, schreibe ich an Euch. Fernerhin habe ich aber eine Bitte: Schreibt mit bitte, welche Briefe Ihr von mir erhalten habt, und zwar das Datum des Briefes, denn ich führe eine Kontrolle. Und jetzt zu Vätis Brief. An Dich habe ich folgende Bitte: Schreibe bitte mir dann, wenn Du genügend Zeit hast, denn ich weiß, daß Kopfarbeiten anstrengend sind. Nun zu der Kartoffelfrage. Auch hier in Rußland sind diese sehr kanpp.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich die Russen über Wasser halten können. Nach meiner Ansicht müssen die Russen doch kurz über lang den Hungertod sterben, denn die Ernährungslage ist zu schlecht. Und jetzt herrscht hier eine große Kälte. Durchschnittlich - 16 Grad - 20 Grad Kälte. Hoffentlich kommen wir bald in eine andere Gegend. Eure kleinen 100 gr. Päckchen habe ich auch erhalten. Leider habe ich mir nicht die Anzahl gemerkt. Heute habe ich auch von Onkel Paul Nachricht erhalten. Er schrieb, daß er fast jeden Tag an mich denkt und schon manche Träne wegen mich vergossen hat. Trauen tue ich den Frieden ja nicht, denn Papier ist ja geduldig.
Und jetzt möchte ich schließen! Für heute verbleibe ich mit 1000 Grüßen u. Küssen
Euer Edgar!

Schreibt mir bitte recht bald Antwort!

Und was ich nicht vergessen möchte: Schickt mir bitte so schnell wie möglich Schreibpapier, den Kalender und die Brieftasche.
Nochmals viele Grüße + Küsse

 

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