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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Frau am 05.08.1944 (3.2013.355)

 

Am See, Sonnabend, den 5.8.1944



Mein herzliebs Fraule!
Gestern ist nun mal kein Brief zustande gekommen – der heute früh erst abgeschickte Brief mit dem Morsezeichen für die Buben war schon gestern fertig und ist aus Versehen nicht mit der Post weggegangen. Gestern hätte ich nun auch garkeine Zeit gehabt zu schrieben: ich habe bis halbelf abends eifrig an meinem Mil.Geo-Aufsatz geschrieben und habe ihn glücklich mit 40 grossen Folioseiten fix und fertig abgeschlossen! Du kannst Dir denken, wie glücklich ich bin, dass ich diese Arbeit nun bewältigt habe. Und weil ich gerade so schön im Schaffen bin, habe ich heute früh gleich noch die Besprechung eines Büchleins von Wiersbitzky über Südostasien angefangen, mich nicht durch das Mittagessen stören lassen und sie richtig gleich nach dem Essen fertig gehabt, in die Maschine geschrieben und an den Geographischen Anzeiger abgeschickt. Den Durchschlag lege ich Dir bei. Jetzt stehen noch zwei Aufgaben bevor: die Beschriftung des Photos von der Friaul- und Abruzzenreise und die Ausfüllung des Luftschadenfragebogens. Auch diese Berge werde ich übersteigen. Wenn man erst mal anfängt zu steigen ist man ja schon halb oben, gelt. Und vielleicht kommt doch auch dafür ein leises Hauchle über die Alpen geweht und hilft dir, …. Ja? Ich spürs glaube ich schon!
Ich kann Dir noch eine ganz besondere Freude machen: gestern früh bei der Visite sagte der Stabsarzt, als ich auf seine Frage nach meinem Befinden geantwortet hatte, dass es mir ganz ausgezeichnet gehe, „Sie sehen aber auch prächtig aus und haben sich fabelhaft erholt, seit Sie hier sind!“ G’freut Dich das nicht auch?? Ich bin aber auch so schön braun und der Hosenbund passt schon lang nicht mehr, kein Wunder bei d e r guten Verpflegung. Und jeden Tag das schöne Obst, zur Zeit besonders Pfirsiche, - wisst Ihr Buben, die sind Pfir-mich, Pfir-dich, Pfir-sich, und die Steine kann man halt herrlich gegen bestimmte Ziele im Garten werfen, z.B. gegen die grossen Bananenblätter. Mein Zimmerkammerad hat als Artillerist schon eine grosse Anzahl Abschüsse erzielt!
Und da ich gerade bei solchem Unsinn bin: Ihr könnt Euch denken, dass es in unserm Zimmer nicht gerade trübsinnig zugeht. Der Oberleutnant kann schon ausgehen, und wenn er heimkommt, und sich ins Bett legen will, dann sind auf einmal seine Hemdsärmeln zugenäht oder ein andermal vermisst er seine Hausschuhe und findet sie nach langem Suchen in meinem Nachtkästle, oder er liegt so unbequem und flucht auf die Matratze, bis er feststellt, dass ihm jemand [Einschub: da der Vati nicht laufen kann, müssen das ja wohl die „unbarmherzigen Schwestern“ gewesen sein!] seine genagelten Bergschuhe unter die Matratze gelegt hat, und gestern fand er in seinem Kopfkissen, das sich so gar nicht seiner Lage anpassen wollte, einen Aschenbecher! Unser Balkon ist vom Fenster des Chefarztes (eines Oberstabsarztes) aus eingesehen daher ist längst das Schild in unserem Zimmer „Feind hört mit“ von uns umgewandelt worden in „ F e i n d s i e h t m i t!“
Eben während ich dies schreibe, bringt Oberleutnant Rechenberger die Post „Nur für Herrn Major!“ Zwei Briefe von Dir mein Wuile, Nr. 81 von der Saalburg (26.7.) und Nr. 82 vom 28.7.! zwei so arg liebe Briefle, so recht von meinem goldigen lieben Fraule. Ach, das ist schon unmenschlich, diese Mordtaten der feindlichen Flieger – so ein friedliches gemütliches Bimmelbähnle zwischen Feldern und Wiesen macht die haarsträubende abgrundtiefe Gemeinheit dieser Berufsmörder, - als solche bezeichnen sie sich ja wahrhaftig selbst! – besonders sinnfällig, wiewohl ja auch jedes zerstörte Heim in der Stadt eine furchtbare Anklage gegen die ist, die dies Verbrechen erfundet [sic!] haben und dulden. Um so herzlicher freue ich mich, dass Du mit den Buben so schöne Ausflüge machst. Das kann ich mir denken, dass den Buben das Saalburgmuseum gut gefallen hat! Und der liebe Opa, der „Vater vons Janze“ war auch mit! An der Lochmühle hätte ich den Buben gezeigt, an welcher Stelle ich mit meinem Schulfreund The Leo im Erlenbach abgekocht habe! Wir sind doch mal in einer Winternacht von Frankfurt zu Fuss mit Rodelschlitten zur Lochmühle gewandert, haben dort auf einer kleinen Insel im Bach abgekochte und sind mit einer Stallaterne auf tief verschneitem Waldweg in ständiger Gefahr uns im Dunkeln zu verirren über die Saalburg nach Dornholzhausen gewandert, von wo uns die Elektrische dann nach Hause brachte. Damals hätte ich auch nicht gedacht, dass mein Gebüb mal auf denselben Wegen wandeln würde mit einer arg lieben Mutti und einem Butzbacher Opa und einem Sohn meines Maschles! Von der Saalburg sind wir im Winter immer nach Dornholzhausen hinuntergerodelt, das ging wie der Wind, wenn die Bahn gut eingefahren war. Schade, dass in Heidelberg immer so wenig Schnee fällt. Aber wir nützen dann das Wanderwetter aus, das in jeder Jahreszeit zu haben ist, gelt, darauf freue ich mich schon schrecklich. Und nun solls also zum Wochenende nach Bodenrod gehen! Wie schön muss das sein – gewesen sein, denn es ist ja heute schon wieder eine Woche weiter! Ihr müsst mir mal genau berichten, ob alles noch an der alten Stelle steht, gelt! Seid Ihr über Espa gelaufen? Das sind alles so liebvertraute Namen, ja auch schon von meiner Doktorarbeit her, dass allein schon das Niederschreiben mir innige Freude bereitet.
Damit mein Fraule auch einmal etwas für sich zu knobeln hat, habe ich ihm ein Kreuzworträtsel gemacht, das sogar ein bissle auf unsere ganz persönliche Dinge zugeschnitten ist – wirst schon sehen. Die Lösung liegt verschlossen bei. Es ist übrigens eine ganz schöne Gedankenakrobatik nötig, sie ein etwas grösseres Muster zusammenzukriegen. Oft geht’s so herrlich, alles stimmt zusammen und da bleibt auf einmal ein einziges winziges Kastel, in dem halt der Buchstabe nicht hineinpassen will und das ganze Gebäude bricht zusammen und muss neu aufgeführt werden. Und trotzdem ist es eine wunderschön entspannende Beschäftigung, wie Gartenarbeit nach dem Bürodienst oder Autofahren mit Fraule schnell mal hinter die Berkeley Hills! Do you remember? Just a couple of days ago when I awoke I tried to hold a lecture in Geography an appearently [sic!] it was a very great success – fore nobody listened to me and I could chatter as a goose! Isn’it [sic!] cute? Just grand, dont [sic!] you think so too? Whatever happens – there is no doubt that we had been together in the States thirteen years ago! Do you still remember how the Oberammergau Maria was longing for her Munich beer? Take a deep breast! Let it out! O dear!!! Wann wir wohl mal wieder english talken werden? Es scheint zur Zeit so unmöglich – und doch müssen die Menschen ja auch mal wieder zusammenkommen und aufbauen, nicht nur zerstören.
Heute soll die Meldung von der Aufgabe von Florenz gekommen sein. Ich hatte sie eher erwartet. Aber wir können ja schliesslich auch nicht dem Feind einfach alles überlassen, nur weil er sich über jede Abmachung hinwegsetzt und Kulturgüter ihm nichts bedeuten! Um Ilse und ihre Mutter dürfen wir uns nicht sorgen. Wer sagt uns, dass unser Rat, das Land zu verlassen, der bessere gewesen wäre? Einzig die lange Ungewissheit über ihren Verbleib und ihr Befinden ist schwer zu tragen. Ich lege Dir im nächsten Brief eine Nummer der Südfront bei mit zwei Artikeln über Florenz, die vielleicht auch Frau Held gern einmal liest. Ich will jetzt meine Dichtung und Wahrheit wieder aufnehmen, die über dem Mil.Geo.Aufsatz doch etwas zu kurz gekommen ist. Wie gern spräche ich öfters mit Dir darüber. C.P.‘s schönes Hinauswerfspiel hat mir viel Freude gemacht – wir werden es mal zusammen in Butzbach spielen, ja? Ich sende es Euch mit dem nächsten Brief zurück – dieser hier würde zu schwer werden. C.P. soll sich doch auch mal im Abzeichnen von Gegenständen versuchen, das Dreherhäusle vom Fabrikgarten aus (oder etwas näher), die Fabrik, ein Gartenstuhl, einen Baum, alles nur mit möglichst wenigen Strichen und in klaren Linien. Hat er ein kleines Skizzenbuch für Ausflüge? Da gibt es immer so besonders schöne Dinge festzuhalten, ein paar Weiden am Bach, eine Mühle, die Ruine Cleeberg oder gar die Münzenburg, den Hexenturm, ein alter Zaun, ein Wiesengras – oh ich möchte gleich mittun da. Frisch ans Werk!
Du fragst nach Beinle, Kieferle, Nierle, Brüch-le [sic!]? Denen geht es allen glänzend! Gesunde Nierle sind fleissig und arbeiten geradezu goldig. Kieferle kaut den ganzen Tag. Brüch-le sind längst unsichtbar und das Beinle steckt friedlich in seinem warmen wattegefütterten Gips und fürchtet sich vor der kalten Welt, in die es ja nun hoffentlich bald hinaustreten darf. Wann? Ich weiss es immer noch nicht. Geduld, Geduld, wenn der Gips auch bricht, dann läufst Du ja noch lange nicht! --- In diesem Sinn wirbel ich mein Wuile um und um und geb ihm Jonejadde Wochenendküssle auch zur Verteilung ans Gebüb und zuletzt noch einen ganz eigenen lieben Kuß für mein liebs […]fühliges fleißiges Weible von seinem Woi
Verzeih die mehrfachen Versehen (Verschreiben) in der […]!
Just too bad!

 

 



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