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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Frau am 18.04.1943 (3.2013.355)

 

Berlin, 18.4.1943
Palmsonntag
Im Generalstab



Mein geliebtes Fraule!
Als Offizier vom Dienst begehe ich den ersten Teil meines Palmsonntags, um den 2. Teil dann, gegenwartsferner aber dem Tage besser angepaßt in der Matthäus-Passion zu verbringen! Ruth, die noch immer krank liegt, hat auf die DIG [Deutsch-italienische Gesellschaft] vorausschauend gute Karten besorgt, sodaß die ganze Bootsbesatzung außer Ernstchen, der Luftschutzdienst hat, zusammensitzen wird.
Ich habe als schönste Palmsonntagsfreude deine liebe Karte vom „alleinen [sic!] Morgengang“ bekommen, von Pfaden, die wir ja auch teilweise miteinander beschritten haben vor unserer Ausreise nach Ostasien. Denk dir, die schönen Wege, von denen du schriebst, kenn ich ganz genau – und liebe sie so sehr! Kannst du dir vorstellen, daß mir Freiburg innerlich und auch geographisch näher ist als Heidelberg? Ich glaube auch die Eltern würden sich zu einem Umzug nach Freiburg entschließen können, wenn je ich einmal noch Freiburg vorschlagen werden sollte. Weißt du, Freiburg würde mich auch landschaftlich so sehr viel mehr anregen als Heidelberg. Der Buntsandstein ist eben einfach langweilig gegenüber allen kristallinen Stufen. Und gar der Schwarzwald mit seinen Bergformen, seinen herrlichen Pflanzen und Häusern und Menschen, da ist noch Natur, die in Heidelberg so arg in Eintrittskarten und Panoramawege gezwängt ist – man muß vielleicht gar nicht so weit weg von Heidelberg, um sie noch unverfälscht zu finden. Jetzt wo die Jungens größer sind, können wir doch schon größere Ausflüge machen, und das ist ein herrliches Vorhaben, wenn wir Männer erst wieder mal zu Haus sein dürfen und der Wahnsinn, in dem sich die Völker stürzen mußten, nur weil selbstsüchtige Herrscher das ihre suchten, [geschwärzter Abschnitt, zu entziffern ist: statt an ihr Volk zu denken, in dem ja unser Führer … … … als einzigen … … dem deutschen Volk …] sich, das auch als vielleicht einziges im Grund doch sehr selbstlos und bescheiden ist, ein Ende hat.
Ich habe gestern einen sehr schönen Nachmittag und Abend bei Krappes gehabt und eben nochmal angerufen und mich bedankt. Die wohnen ja wirklich ganz reizend, in einem modernen sehr geschmackvollen Haus, das etwas zurückgerückt ist von der Straße, in einem großen Garten mit breitem leicht gewellten Rasen, Stauch- und Blumenstöcken, Blüten- und Obstbäume, einigen Tannen, Schaukel und Kletterspiel für die Buben, Garage im Kellergeschoß hinter dem Haus, großem Wintergarten, alles mit sehr angenehm reihigen Linien, kurzum: das Ideal unserer künftigen Wohnung. Bei uns ist ja nur die leidige Notwendigkeit der zusätzlichen Zimmer für meine vielen Bücher. Aber auch das schaffen wir, gelt, vor allem, wenn man ein so goldig liebes, auch ohne Wein zeitvertreibendes Weib hat, das sich auf eigene Veranlassung Meßtischblätter kauft!! Du mein Wiesle, eine innigere Freude hättest du mir garnicht bereiten können. Ich könnte jubeln vor Glück und habe gestern auch den ganzen Abend bei Krappes innen wieder das Glück empfunden, das du mir zu aller Zeit gebracht hast.
Wir haben so von Canton geschwärmt, von den alten Zeiten, dem Unbeschwertsein des Daseins in Canton, den reizenden Abenden im Klub, den Erlebnissen mit den Boys, den Abenden am Wasser, den Ritten und parties und der Faust-Aufführung. Dabei wies Ami auch das Gästebuch vor, dessen Mittelblatt ich gezeichnet hatte – ich hatte keine Ahnung mehr davon!
Krappes Buben waren gestern zum Ferienaufenthalt nach Schlesien gefahren außer dem 3 ½ jährigen Wolfgang, einem ganz reizenden Kerl mit braunen Augen, zuerst der Mutter ähnlich wirkend, dann aber doch durchaus der Vater wie alle 3 Buben. Ami ist schon etwas älter geworden, sieht aber immer noch gut aus und hat noch die gleiche nützliche Ausdrucksweise, weißt du, so richtig amüsant, ich hatte das ganz vergessen. Und Mutz, ganz unverändert. Nur Fritz Lindenau ist recht schmal geworden, er ist recht geplagt von seinem Magen – Magen – bye. Zwölffingerdarmgeschwür. Seine Frau mit den 2 Buben lebt in Memel, ein drittes Kind scheint unterwegs zu sein. Ich bin mit Lindenau abends nach Haus gefahren und wir haben uns noch nett unterhalten. Erika ist in Memel beigesetzt. Er hat ein großes Büroeinrichtungsgeschäft mit Druckerei u. Stempelfabrik. Das Geschäft geht natürlich nur schwer weiter, ist aber nicht still gelegt. Er selbst ist im OKM tätig, wohnt in Falkensee (noch über Spandau hinaus) und leidet […] doch recht sehr unter dem Bürodienst. Er ist noch genau so still und lieb wie in Canton, ein so netter anständiger Kerl.
Herbert Lehmann ist am Donnerstag zu einer mehrtägigen Exkursion in die Gegend von Zittau gefahren mit Anneliese und 4 männl. u. 9 weibl. Teilnehmern. Ich mußte ihm vorgestern eine dienstliche Rücklaufung zustellen, weil er nach – Griechenland fliegen muß, um dort wieder ein paar Wochen tätig zu sein. Sprich bitte nicht mit anderen darüber, mir fällt eben ein, daß auch diese an sich harmlose Sache besser garnicht gewußt wird, weil die Leute so schrecklich viel „quatschen“, selbst ganz einsichtige und zuverlässige Leute. Ich las vor ein paar Tagen ein für Offiziere bestimmtes Blättchen das einige sehr beherzigenswerte Sätze enthielt. Man solle ja nicht glauben, daß der einzelne Rufer in der Wüste nichts vermöge. Jedes unbedeutende Wort der Zuversicht und der Aufrichtung, grad gegenüber unbedeutendsten Menschen gesprochen, kann Wunder wirken. Und wenn es nur bei der Milchfrau oder einem kleinen Handwerker ist – es findet Grund und kann wachsen und es wirkt. Man muß nur selbst an diese Macht glauben. Genau so wie das Gerücht und die Lüge sich verbreitet, kann doch auch das gute Wort und die Zuversicht und der fanatische Glaube an unsere gute Sache sich weiter verbreiten und ihm Weg machen. Und da ist jeder Helfer und jeder Gleichgesinnte recht.
Ob Ihr gestern schön gefeiert habt? Ich habe so an Euch gedacht und zugleich wieder einige Sorge gehabt wegen der sehr unruhigen Nacht, die Ihr gehabt haben müßt. Hoffentlich ist nicht zu viel Schaden angerichtet worden. Die Zahl der abgeschossenen Flugzeuge ließe doch auf ziemlichen Zauber schließen!
Leb wohl, du mein Geliebtes! Lebe dich wieder schön ein in Heidelberg, unternimm nicht zu viel, ruhe so viel du kannst und bleib mein geliebtes Weible. In unendlicher Liebe und Zärtlichkeit
bin ich dein alter Woi
Ein ganz ganz liebes Küßle dem Martin-Bub!
[Rand:] Der Amarie einstweilen einen herzlichen Dank für Wäsche und nützliche Beipackung!

Nachschrift!
Mein Mädele! Die Nachricht, die du Eichen über Paule gegeben hast, beschäftigt mich außerordentlich. Das ist ja wieder ein ganz besonderer Fall von Hinterhältigkeit. Warum sagt man dem Mann nicht in Berlin, daß man ihn nicht haben will. Oder wer oder was steckt dahinter? Er sollte den Herrn Rektor um Schutz angehen gegen ein Verfahren, das seine persönliche und wissenschaftliche Ehre aufs Stärkste gefährdet. Man muß doch geradezu den Eindruck haben, er habe etwas ausgefressen, daß man ihn erst nach Berlin bestellt („um Sie meinem Herrn Minister vorzuschlagen“) und dann kurzerhand einen anderen vor die Nase setzt. Paul sollte sich auch hinter Schmitthuber klemmen – man sollte nicht schutzlos solchen Dingen ausgesetzt sein. Ich bedauere es, daß ich nicht da bin, um an Ort und Stelle mit Paul alles zu besprechen. Ich müßte den Vorgang genauer kennen, damit eine Beschwerde nicht ins Leere stößt. Der Minister kann berufen, wen er will, er kann aber nicht einen rufen und einen anderen nehmen. Es sollte sich vor allem die Universität und das Land-Ministerium dagegen wehren, daß Willkür regiert. Denn das ist nicht im Sinne des 3. Reiches, sondern strikt dagegen!
Ob Paul in Berlin eine Ungeschicktheit begangen hat aber vielleicht der Annahme war, er müsse entscheiden, während das Ministerium zu entscheiden hatte? Das alles müsste ich wissen. Ich werde ihm am besten selbst schreiben, wollte dir nur erst ein Echo auf deine Mitteilung

 

 



Ansicht des Briefes

 

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