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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Frau am 08.10.1942 (3.2013.355)

 

Berlin, den 8.10.1942.



Mein geliebtes Mädele!
Nun endlich habe ich etwas Zeit, Dir den schon so lang versprochenen Dänemarkbrief zu schreiben. Ich bin etwas in Sorge wegen des Johannesbubs und auch deinetwegen, weil ich seit meinem Anruf am Montag früh nichts weiter über sein Befinden gehört habe. Es kam noch Dein lieber Brief vom Sonntag, der durch unser Gespräch schon überholt war, aber keine neuere Nachricht, vor allem von dem Ergebnis der Untersuchung durch Frau Dr. Roether. Hoffentlich hat sich all es wieder beruhigt, denn ich bin mehr in Sorge um Dich als um den Bub, der an sich eine gute Verfassung hat trotz seiner Dürre. Woher soll er auch dick sein bei d e n Eltern! Dass Du keinen Mittagschlummer mehr haben k a n n st betrübt mich recht sehr. Ist es nicht doch einfach mit Gewalt möglich? Es wäre so furchtbar wichtig, gerade nach dem Büble, das doch einen guten Teil Kraft von seiner Mutter gefordert und genommen hat. Sieh doch mal zu, mein Fraule, es wäre so ungeheuer wichtig, dass Du Dir täglich etwas Ruhe verschafftest. Sonst kannst Du den vielen täglichen Anforderungen garnicht gewachsen sein, und die sind heute, gerade auch nach der seelischen Seite, so sehr gross. Ich merke es an mir, wenn ich nicht ausgeschlafen oder sonst wie müde bin, dass ich dann auf irgendwelche seelischen Beanspruchungen viel empfindlicher anspreche als mit ausgeschlafenem satten und „behaglichen“ Körper. Gerade jetzt in den Tagen manchmal tollen Wirbels, wenn er dem anderen die Klinge [sic!] zu meiner Tür in die Hand drückt, den ich oft, man könnte aus der Haut fahren, wenn man nicht gut im Stand wäre. Die 8 Tage Kopenhagen haben mir doch ausserordentlich gut getan, das merke ich jeden Augenblick. Und damit sind wir also endlich bei dem Thema, das immer angeschlagen und nie recht zu Ende geführt war. Heute solls gelingen.
Der Schlusstrich unter die ganze Unternehmung ergibt eine sehr erfreuliche Summe von reizenden Einzelheiten und schönen bleibenden Gesamteindrücken. Der Geist der Tagung war wie der Geist des „Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Kopenhagen“, das bis jetzt sehr unglücklich von dem Vorkämpfer für das Deutschtum in Schleswig-Holstein Prof. S c h e e l geleitet war und dadurch aber auch jeder Berührung mit den Dänen entbehrte. Eine unglücklichere Wahl hätte man weiss Gott nicht treffen können als gerade diesen Mann, den best gehassten Feind aller Dänen, an die Spitze eines solchen Instituts zu stellen. Der Werbeerfolg war darum auch gleich Null, zumal man sich auch noch des unglücklichen Wortes „Kultur“ bedient hatte, die das Institut den Dänen bringen sollte. Unter „Kultur“ verstehen die Dänen ausschliesslich soviel wie „Benimm“ und „Erziehung“ – und das sollten die Nazis den Dänen bringen?!!! Es war darum ein sehr glücklicher Gedanke, nun mal eine rein wissenschaftliche Tagung aufzuziehen und zwar gerade auf dem Gebiet, in dem die Dänen mit an erster Stelle stehen durch ihre jahrzehntelange ausgezeichnete Polarforschung und durch ihre Kolonien in Island und Grönland und auf den Faröern. Hier war ein unpolitisches Thema, das leidenschaftslos unter den Vertretern der an der Polarforschung beteiligten nordischen Staaten zur Erörterung belangen konnte. Der Erfolf [sic!] der Tagung hat gezeigt, wie gut der Gedanke war. Und der Geologe Prof. F r e b o l d hat die gabze [sic!] Sache sehr geschickt aufgezogen und sehr diplomatisch angepackt, sodass alle voll befriedigt waren und keiner sein Nationalgefühl zurückstellen brauchte.
Ich habe Dir ja das Programm geschickt. Die Vorträge waren durchweg auf erfreulicher Höhe, und an jeden Vortrag fast schloss sich eine sehr ausführliche und rege Erörterung an. An einem Tag sassen wir gar bis drei Uhr Mittags. so [sic!] eifrig wurde hin und wieder gesprochen und der ganze Fragenkreis geklärt. Anschliessend gingen wir meist mehr oder weniger gemeinsam zum Mittagessen, das gemeinhin im „Glacis“ eingenommen wurde, einem Speisehaus, in dessen gemütlichem Keller man ausserordentlich gut und wohlfeil speiste. Ich war zweimal von Herrn Frebold eingeladen, eine besondere Auszeichnung, wie er überhaupt mir sehr dankbar war für mein Kommen und meine rege Beteiligung. Dass ich mit allen Deutschen und Ausländern mich gut und angeregt unterhielt, ist ja eigentlich selbstverständlich. Man merkt an sich selbst ja auch mit der Zeit eine immer grösser werdende Reife und sachliche Ruhe. Am vorletzten Abend waren wir, zum Ersatz für den ausgefallenen Empfang beim Gesandten, vom Gesandtschaftsrat in den Räumen des Instituts zu einem Abschlussempfang eingeladen, bei dem ein paar freundliche Worte gesprochen wurden, nach dene man sich zunächst in den festlich hergerichteten Vortragsraum setzte, dessen Stühle zum Flügel hin aufgestellt waren und der im Licht der zur Decke strahlenden Stehleuchtkörper ein sehr angenehmes Licht hatte. Ein zufällig in Kopenhagen anwesendes Künstlerpaar, Willi Häuser und Frau, musizierten. Er Geige, sie am Flügel und brachten wirklich erlesene Kunst, die dadurch besonders gefiel, dass er ausgezeichnete schlichte und sehr gehaltvolle kurze Erläuterungen zu dem gab, was sie spielen wollten. Die Frau hatte einen wunderbar feinen und vergeistigten Ausdruck bei ihrem Spiel, sodass beiden reichster und wirklich von Herzen kommender Beifall gespendet werden konnte und alle höchst angetan waren von dieser besonderen Zugabe, die man an dem Abend garnicht erwartet hatte. Es schloss sich dann ein kaltes Büffet an, dessen Ausmaße und Beschaffenheit ich nach meinen ersten dänischen Grüssen nicht weiter zu schildern brauche. Es
[Notiz auf 4. Briefseite:] Oh weh, eine freigelassene Seite! Soll Christoph bemalen: den Vati mit Fräulein von Üchtritz im Kutschwagen!
war jedenfalls, um mit Hermann Löns zu reden, äusserst äusserst! Ganz von selbst hatte sich der Tisch, an dem ich mit netten Leuten sass, zu einem festen Pol in der Erscheinungen Flucht entwickelt. Ich habe den ganze Abend meinen Platz nicht gewechselt, und a l l e netten Leuten sassen einmal bei uns, besonders natürlich auch Frau Pedersen, deren stille feine Art einfach veredelnd wirkt. Eine der Damen des Institutes hat das – chinesische Dolmetscherexamen gemacht, das gab natürlich auch gleich guten Gesprächsstoff, Austausch der Namenscharaktere und Erzählen von Canton und Fraule und so. Und Vorzeigen der Bilder natürlich – ach wie oft und wie gern sind die in Dänemark vorgezeigt worden! Und ich hatte da gerade noch das vierte liebe Album in Berlin bekommen mit den reizenden Familienbildchen. Dafür musst Du noch einen ganz besonders lieben Dank haben mein Herze! Die Panzerkompanie ist ganz besonders lieb und macht mich doch sehr stolz!
Am letzten Tag, dem Samstag, habe ich mich früh nach dem Einnehmen der Frokost (in der Mælkerei Stine) mit einer Dame des Instituts getroffen, die mir beim Einkaufen ein bisschen behilflich war und die ich dann zum Dank am Nachmittag mit ins Freie nahm. Das heisst wir fuhren mit herrlichem Blick hinüber zur schwedischen Küste, bestiegen einen einspännigen Kutschwagen mit altem Pferdchen und liessen uns eine Stunde lang durch die herrlichen Eichen- und Buchenwälder zum Jagdschloss Eremitage des Königs fahren, einem Renaissancebau, der ganz einsam auf einer von Wald umgebenen Anhöhe steht und herrlichen Blick zum Meer und nach der andern Seite auf die Waldgebiete und eingestreuten Felder der Insel Seeland hat. Wir haben dann in einem guten Hotel am Strand noch Kaffee getrunken und trafen uns dann Abend [sic!] in Kopenhagen im vornehmsten Restaurant, „Wivex“ bei ganz vorzüglichem Essen, zu dem ich sie eingeladen hatte unter der Voraussetzung, dass sie selber zahlt!!! Werde halt nie ein feiner Mann, wie Du mit Recht immer wieder bemerkst! Hervorragende Musik, überbackenes Fischfilet von köstlichster Beschaffenheit und Menge, Gansbraten mit Rotkohl, Kartoffeln und 1937er Mosel dazu und dann endlich Apelgröd med Flöde – das Paradies auf Erden sag ich Dir! Schade, dass die Dame mit dem schönen Namen Renate von Üchtritz zwr [sic!] nett, aber doch nicht mehr so recht jung und in manchen Dingen etwas eigen ist. Ich habe so unendlich oft gerade bei der Kutschfahrt und beim Kaffee über dem Meer und dann im lichterschwelgenden Restaurant zur ausgezeichneten Tanzmusik gedacht: „Hätt ich j e t z t mein Fraule bei mir“!!! Aber Du warsts ja immer!
Die Dänen waren zwar überall in der Stadt durchaus höflich, aber l i e b e n tun sie uns Deutsche nicht! Sie leben doch wohl zu sehr in satter Selbstzufriedenheit und können es sich nicht vorstellen, dass sie an dem grossen Geschehen in der Welt ringsum Anteil zu haben Brauchen [sic!], wenn sie nicht wollen. Es geht ihnen noch gut, es ist ihnen nie schlecht gegangen, und so kann es geschehen, dass eine gebildete Dänin kürzlich einem Deutschen gegenüber geäussert haben soll: „Wenn ich Ihnen offen sagen darf, was wir Dänen wünschen, so ist es, dass die Deutschen den Bolschewismus bekämpfen und dann von den Engländern besiegt werden sollen.“ Ich glaube, dass die eine recht bezeichnende Ausserung [sic!] ist, - Die Frauen sind übrigens durchweg sehr gut und geschmackvoll angezogen. Auf den Strassen wimmelt es geradezu von Radfahrern und in den Läden sieht man herrliche Waren in anscheinend beliebiger Menge zum Verkauf ausgestellt. Fehlen nur die Devisen. Ich soll übrigens unbedingt wieder mal nach K.[openhagen] kommen und hab nicht nein gesagt. – Nun aber Schluß, mein Frauli, gelt, schreibst mir schnell ein
[Rand:] kurzes Kärtle, wie es Euch geht, vor allem dem Johannesbub. Laß dirs gut gehen und nimm ein innig liebes Küßöe von deinem alten Woi
Am nächsten Dienstag, 13. Oktober, hat Ernst Hesselbarth Geburtstag!

 

 



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