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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Frau am 10.02.1941 (3.2013.355)

 

Berlin, 10.2.1941.



Mein Wuile!
Am Tag kriegt man so viel unvorhergesehenen Besuch, dass ich garnicht einsehe, warum ich nicht meinem Weible mal einen unvorhergesehenen Brief schreiben soll. Ich komme gerade aus der Gesellschaft für Erdkunde von einem sehr guten Vortrag des Gesandten v. A s m i s, der seinerzeit C r e d n e r in Siam betreut hat und der wirklich ganz besonders eindrucksvoll und vernünftig über seine Tropenjahre und das Verhalten der Deutschen in den Tropen und unsere künftigen Aufgaben als Kolonisatoren sprach, und finde da Deinen allerliebsten frohen dicken Brief vom Tauwetter mit der ganzen Stuttgartvorfreude sodass, während mir Frau Schirmer das Wasser heiss macht für das Abendessen, d.h. für mein Hag-Kola-Pulver, die Maschine schnell auf den Schreibtisch gestellt wird und im Handumdrehen ein liebs Grüssle für mein liebes Wiesle zu Papier gebracht ist. Ists recht?
Hab Dank, mein unverbesserlich liebes Briefschreiberle, bist halt doch ein Erz- und Urstrickle, dem ichs in Stuttgart aber kräftig heimzahlen werde mit hunderttausend lieben Küsslen! Warte nur!!! Dass Du so früh schon auf die Beine musst, tut mir richtig leid. Das wird ja ein heiter verschlafenes Chinaehepaar sein, das da zum Vortrag im Lindenmuseum erscheint. I c h werde immer wieder bemerken „but that’s not what I want’d [sic!] to say“, und das Fraule wird melodisch dazu gähnen und ab und zu bemerken „just too bad, is n’t [sic!] it?“
Das Tauwetter, von dem Du schreibst, ist inzwischen auch bei uns eingetroffen, Die Strassen triefen, aber es hat nur wenig geregnet und die Überschwemmungen, die man fürchten musste, werden hoffentlich nicht zu gross werden. Dass die Leute jetzt endlich Kohlen sparen können, freut mich besonders. Ich habe sofort Unterbuxen --- ja, Dein Mann trägt zur Zeit tatsächlich welche!!! Freilich nur nach Maßgabe des Gelegentlichen, das in diesem Falle durch die grosse Kälte dargestellt war! --- und Wollwams ausgezogen, weil mir einfach zu hoass wurde.
Eine halbe Stunde später! Eben ein fabelhaftes Abendessen verdrückt. Hat herrlich geschmeckt, hab ungeheuer gefuttet und fühl mich pumperlwohl, wie das Mutti zu sagen pflegt. Schmeckts Dir auch immer so, mein Herz? Ich bin so gespannt auf Dein Aussehen! Der Regen und das Tauwetter ist vielleicht ganz gut für Dich, denn das Skilaufen ist doch eben recht anstrengend und für ein so tiny little thing nicht gerade zum Fettwerden, gelt! Aber gefreut hab ich mich doch unheimlich, dass Du so viel im Schnee und auf den Brettern warst. Da fällt mir gerade ein: in Karlsruhemusst DU mit der Strassenbahn in die Stadt rein fahren. Der Bahnhof ist arg weit draussen und der Weg lohnt nicht ausser im ersten Teil am Tierpark mit seinem künstlichen Hügel entlang.
Heute wieder mal eine ganz eigenartige Duplizität der Fälle – die Anzeige von Kathinkas Verlobung mit ihrem Oberleutnant, und zugelich eine Ansichtskarte von Lotti aus der Winterfrische im --- Haus Hörner!!! Ich leg Dir die Karte gleich bei, damit Du auch Deine Freude dran haben kannst. Die Welt ist wahrlich klein! Übrigens habe ich Dir besonders herzliche Grüsse zu überbringen von Prof. B o e r s c h m a n n. Ich traf ihn heute in der Gesellschaft für Erdkunde nach dem Vortrag. Er hat sich mächtig gefreut, und hat sich sehr eingehend nach Dir erkundigt. Sein Sohn ist Leutnant und kommt jetzt gerade auf Urlaub nach Haus. Jeden Montag ist hier im Kaiserhof ein Treffen der Ostasiaten, zum Mittagessen, da werde ich demnächst auch mal hingehen. Es wird immer erst einleitend die neue Lage in China erörtert. Karten werden gezeigt und die kommenden und Gehenden berichten über den far East!!
Am Donnerstag Abend werde ich bei Hesselbarths zu Nacht essen um dann von dort gleich zum Schlesischen Bahnhof zu gehen, wo ich in den vom Osten kommenden Schnellzug einsteigen werden. Hoffentlich ist er recht leer, dass ich micht schlafen legen kann. II. Klasse schläfts sich ja „prima“, wie Christoph sagen würde. In Frankfurt komme ich früh an und werde dort opulent frühstücken, nachdem ich mich rasiert habe. Und am Nachmittag halte ich schon mein Fraule im Arm!! Juchei! Wiesleliebs, ich freu mich halt so arg auf das Zusammensein mit Dir und wir werden es uns auch ganz wunderschön machen, gelt? Hoffentlich schreibt mir der Pudel rechtzeitig das Hotel, damit ich vor dem Vortrag an meine Lichtbilder komme. Ich werde dem Pudel noch schreiben, dass er auf jeden Fall der Aenny mitteilt, in welchem Hotel wir unterkommen, damit ich bei der Ankunft notfalls bei Aenny fernmündlich nachfragen kann, falls mich die Nachricht vom Pudel hier nicht mehr erreicht.
Schluss, mein geliebtes Wiesle. Ich muss noch ans Kriegstagebuch. Freu Dich aufs Wiedersehen, wie Dein Wöffle sich freut. Es wird dies wohl der letzte Gruss sein vor unserm Wiedersehen.
Ich – hab – dich – lieb!
Dein Wöffle

[Rand:] Sascha einen herzlichen Gruß!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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