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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Frau am 21.05.1940 und 25.05.1940 (3.2013.355)

 

La F., 21. Mai 1940



Du mein innigst geliebtes Fraule!
Heute war ein Freudentag erster Grüße! Zwar bin ich erst um ½ 7 früh zu Bett gegangen und war um 11:20 Uhr schon wieder auf dem Marsch, aber die Belohnung blieb nicht aus: ein dicker Packen Post kam an und darunter dein liebster Brief mit dem Stempel vom 15.(!). Der hat also trotz unseres schnellen Vormarsches dein Wöffle erreicht und ihm so unendliche Freude gebracht! Wie sollte er mich auch nicht finden! Deine Bitte oder vielmehr ist’s ja nur ein liebes Wünschen, dessen Erfüllung ja schon in der Freude des Wünschens beschlossen liegt, ist mir stündlich so gegenwärtig und liebevoll nahe. Ein blinkendes Sternlein verrät mir deine Liebe wie ein zartgeädertes grünes Blatt oder ein spiegelndes Gewissen, und bei 1000 Gelegenheiten treffen sich unsere Gedanken in der unbegreiflichen Gemeinsamkeit unseres Liebens. Ach mein Herzensfraule, das ist eine so wunderbare Verbindung,, die keiner äußeren Mittel, keines Anrufes und keines Briefes bedarf, sondern nur des unendlich lieben Gefühles, des Mit- und Ineinanderschwingens.
Marianne Fuchs schreibt mir heute, daß sie das so bewundert an uns, wie wir auf ganz kurze Stunden voll auskosten können für uns, und das ist schon richtig, daß wir 2 so ineinander leben, daß schon der „Augenblick“ – ganz wörtlich genommen, uns genügen kann.
Deine liebe frohes Bild im blauen Rahmen schaut mich an – ich habs zum ersten Mal aus der braunen Ledertasche (Moski!) genommen, in der es den ganze Vormarsch mitgemacht hat! Es ist mir ganz eigen, daß du fragst, wo ich wohl sein mag, weil ich immer meine, du wärst doch ganz bei mir auf dem großen Marsch, der mich der Reihe nach über die Grenzen Luxemburgs, Belgiens und Frankreichs brachte. Gestern Nacht im fahlen Mondlicht hab ich die Vorstädte von St. Qu. durchfahren, heute sind wir wieder in ganz bäuerlicher Landschaft, freilich zum Unterschied von den wich- und heckenreihen Ardennen nun im fruchtbaren Kreidegebiet mit weißen staubigen Landstraßen und weiten Blick über das ganz flachwellige Gelände mit weitabständgen, durch Kirchtürme und Baumbestand ausgezeichnete Bauerndörfern. Die Dörfer sind fast völlig verlassen. Hier und da schaut scheu ein grauhäuptiger Mann aus dem Viestall und Hunde stromern mit eingezogenem Schwanz zwischen den Häusern umher. Die Läden an den Fenstern sind geschlossen.

25.05.1940


Eine späte Fortsetzung findet dieser schon so lange angefangene Brief. Wir sind schon wirder [sic!] zweimal umgezogen, aber immer noch in der selben Gegend und bäuerliche Umgebung, diesmal an dem Fluss, der unterhalb der frz. Hptstadt [sic!] in die Seine mündet. Es ist herrliches Wetter wieder, vielleicht ein bisschen zu herrlich, weil die frz. Flieger recht frech werden, vor allem nachts. Allerdings setzt ihnen unsere Abwehr kräftig zu. Heute Vormittag haben Maschinengewehrschützen unserer Truppe im nächsten Dorf einen frz. Flieger, der zu frech wurde, tatsächlich heruntergeholt!
Als wir gestern Nacht in unserem neue Quartier einzigen, kam der Gefreite Köhler aus Urlaub und brachte mir halte D e i n Päckchen!!! Ich kann garnichts darüber sagen, mein Herz, Du musst es selbst fühlen, was es einem Feldsoldaten bedeutet, wenn er von seinem liebsten Geschöpf, das er hat, so ein Päckchen kriegt, ein Päckchen, an dem jedes Schnürchen und jedes Papierchen durch die lieben geliebten Hände gegangen ist! Und mit welcher Liebe ist das alles ausgesucht, mit wieviel lieben offenen und verschwiegenen Dingen hat mein Herzelieb mir wieder Freude gemacht. Lass Dich ganz stürmisch umarmen, mein Herze und Dir einen wonnig lieben Kuss geben!! Vielleicht hat er ein leichtes Rauchschmäcklein – kein Wunder bei so guten feinen Zigarillos!! Und die Kuchenkrümel auf dem Tisch musst Du auch verzeihen, die hab ich nämlich von meiner Liebesten, die hat sie mir in einem herrlichen Festkuchen geschickt, der den weiten Weg durch Belgien und Frankreich bis an die Oise gefunden hat.
Fortsetzung quer, von wegen des leichteren Schreibens auf der Schreibmasch[…]. Mein liebstes Fraule! Ich habe dir so unendlich viel zu erzählen und weiss garnicht, wo ich anfangen soll. Das Kriegserleben ist diesmal so ganz besonders eigenartig, fast ungewohnt, da es zuerst ja ausschliesslich im Vormarsch hinter der kämpfenden Truppe bestand, erst jetzt sind wir selbst an der inzwischen zum Stillstand gekommenen Front eingesetzt, an der der Feind wohl im Laufe der Zeit seinen Widerstand verstärken wird, so wie wir uns natürlich ständig verstärken und sichern. Diese jetzige Form des Krieg[…] ist mir natürlich aus den 4 Weltkriegsjahren voll vertraut, denn die grosse[…] Vormärsche habe ich nicht mitgemacht, mit Ausnahme des Vormarsches in […] der grossen Schlacht in Frankreich ab 21. März 1918, die in vielem mit unserem Vormarsch hier grosse Ähnlichkeit hatte, nur nicht dieses atemraubende Tempo einhielt.
Ich persönlich bin als Angehöriger der Stelle, bei der ich tätig bin, natürlich nicht eigentlich kämpfender Soldat, und es gehört manche Überwindung oder Entsagung dazu, sich an dieser Stelle voll eingesetzt zu fühlen. Ich habe Dir ja gelegentlich erzählt, wofür wir zu sorgen haben, es ist sehr viel und oft nicht ganz einfach, aber die Hauptentscheidung habe ich nicht selbst zu treffen sondern eben Starke, und sich dann einordnen müssen oder manchen ausführen müssen, was man sich selbst zunächst anders zurechtgelegt hat, das verlangt ben [sic!] einfach, dass man ganz Soldat ist. Als Befehlshaber einer Truppeneinheit hat man natürlich mehr persönliche Freiheit, aber ich sehe andererseits, dass ich an der alten Stelle, mit ich seinerzeit ausgerückt bin, jetzt doch nicht die vielseitige und bunte Tätigkeit und Verwendung hätte, die meine jetzige Stellung mit sich bringt.
Zur Zeit sitzen wir in einem villenartigen Gebäude am Rande eines Dorfes, das wie alle Dörfer hier, immer etwas städtischen Gepräge hat[.] Die Bewohner des Hauses müssencrecht [sic!] wohlhabend gewesen sein, der Parkettboden und die Eichenholztäfelung, die Ausstattung der Sxhränke [sic!], die Grösse des Kellers und der Nebenggäude [sic!] zeugen von einem Wohlstand, dessen Quellen und dessen Nutzbarmachung beide recht unklar bleiben. Wie soll man sie feststellen? Die Bewohner sind geflohen. Hier im Dorf sind noch ein paar alte Leute, und ein Kaufladen soll auch noch in Tätigkeit sein – ich hatte noch keine Zeit, mich danch [sic!] umzusehen, weil ich erst mal Ordnung schaffen musste. Da war heute früh allerlei zu befehlen. Die beiden Küchenräume, in den Stapel von Tellern, bestecken, Tüchern, Eierschalen, leeren Flaschen, halbgefüllten Tassen usw. zusammen mit Papier und Dreck herumlagen, mussten erst mal geordnet und gesäubert werden. Auf dem Herd stehen jetzt grosse Töpfe, im denen Wasser zum Spülen heiss gemacht wird, die leeren Flaschen sind gesammelt, der Tisch ist in das Geschäftszimmer gewandert als Arbeitstisch – es wird Luft und Licht. Im Hof, hinter einer Stallmauer, wird gerade kunstreich eine Latrine gebaut – schon gestern im alten Quartier habe ich eine bauen lassen mit Wellblechdach und Schalldämpfer (!!), sie wird nun von andern genossen wernckönnen [sc!]. Und hier im Haus – „Abschliessen“ ruft mit eben Hptm. Starke zu, er nimmt die Briefe mit zum Feldpostamt – juchei, da kriegt mein Wiesel bald einen Gruss!! Lass dich in innigster Liebe stürmisch und fest umarmen und dir einen ganz innig lieben Kuss geben für Dich und die Buben und die Eltern' [sic!]
Inniglichst dein Woi

Ich sende morgen allerlei entbehrliches Papier an deine Anschrift!

Hier unter den Bäumen steht ein Panzer, aber ein eiserner, von dem muß ich den Buben erzählen! Fabelhaft!!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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