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Brief (Transkript)

Martha Panzer an ihren Mann am 08.09.1944 (3.2013.355)

 

115.

Butzbach, 8.9.44



Mein Geliebter!
Zwar ists Schlafenszeit und der Tag war lang, bes. durch eine fast völlig schlaflose Nacht. Aber ich möchte Dir doch noch inniglich danken für Deinen liebsten, sorgenvollen Brief vom 4.9., der heute früh gebracht wurde u. der doch wenigstens ein kleine Echo auf all mein eigenes tiefes Sorgen ist, denn wenn ich auch nicht viel darüber schreibe, so geht es doch Tag und Nacht mit mir und ich sehe kaum mehr einen Trost und wenig Hoffnung für allernächste Zeit. Man muß jetzt in unserem armen, notleidenden Volke und Lande leben, um das ganz begreifen zu können und letzten Endes hilft da keine Tapferkeit und kein Heldenmut gegen derartige Mörder und derartige Übermacht aller Waffen. Und dennoch sind wir, vor allem auch Papa, noch zuversichtlicher als alle anderen u. meinen, wenn wir erst mal eine wirklich klare Verteidigungslinie haben u. den Feinden der Nachschub erschwert wird, könnte doch noch ein Eindringen ins geliebte Vaterland […] verhindert werden. Ich bin immer wieder schwankend in meinen Plänen, und das gibt mir keine Ruhe. Ob ich sie aber daheim finde u. ob es richtig ist, die Kinder in die größere Gefahr zu bringen? Sie habens halt hier so herrlich gut, vor allem mit der Ernährung. Aber unser Heim, Dein baldiges Kommen, es zieht mich doch mit allen Fasern nach H[eidelberg]. Vielleicht darf ich mich ja im Winter noch mal anders entscheiden u. wieder herkommen, dann allerdings ohne A.[A-marie], denn ihr Hiersein ist ein Martyrium für die Eltern, vor allem für Mutti. Manchmal denk ich, es wäre vielleicht gut, sie durch äußeren Zwang loszuwerden, aber ob und wie ich es dann schaffen könnte?! Wie herrlich u. unausdenkbar schön wäre es, wenn ichs vermöchte! Papa meint eben, ich solle doch an meinem 1. Plan festhalten, A. am Dienstag vorauszuschicken (da sie am Mittwoch ihren Kurs hat) u. dann erst mit den Kindern nachzukommen, ehe Du selbst eintriffst. Papa meint, wir sollten keine Katastrophen begünstigen durch übereilte Sorge, aber mir wäre es ja nur deshalb furchtbar, wenn wir von Dir getrennt würden u. nicht zueinander könnten! Wie lange Du wohl bei uns bleiben kannst? Ob Du nicht gut und richtig daran tätest, Dich in H. noch eine Weile ambulant behandeln zu lassen durch Massage u.s.w.? Denn für Deinen neuen Dienst mußt Du doch erst wieder quicklebendig und völlig gesund sein! Bitte, lasse Dich doch einfach nach H. überweisen u. überlasse es Prof. Dittmar, was er zu der Weiterbehandlung meint, es wäre doch gewiß die allerrichtigste Lösung. In G. oder Z. kannst Du Dich nicht mehr schonen u. hast keinerlei Pflege und beides ist gewiß sehr sehr notwendig.
Den allerstärksten Heil- und Genesungsfaktor findest Du in Martin! Könnte ich Dir doch einmal nur so einen Tag mit ihm wirklich beschreiben!! Dies Erwachen des zerwuschelten Rackers, sein Rufen, sein glucksendes Lachen, sein Kosen und „Mama wieb“ (lieb), sein Singen, sein allersüßestes Sprechen, ach, Herzelieb, Du wirst es nicht fassen, wie wonnig Dein Jüngster ist, ein ganz ganz besonders liebes, feines, witziges Geschöpfchen. Abends stehen die Großeltern u. die Kinder u. die A. um ihn herum wie hungrige Tiger u. jeder will sein Kussi u. kriegts auch, u. keinen vergisst er u. nennt sie alle mit Namen u. wenn einer fehlt, dann muß er ihn erst sehen, z.B. „Opa hole, Nat sade“ u. dann macht er einen tiefen Diener u. zieht lachend die Treppe hinauf um auch „Mama Heia noch ein bißchen zu […]. Heute sang er goldig rein: „Fuchs, du has die Dans dedohle, wieder her, Jäder hole, Schießdewehr!“ Und alles versteht u. begreift er u. folgt goldig. Minna, die heute Dein Udine-Kleid nähte,!!! (ni!) war ganz überwältigt von seiner Wonnigkeit, wie erst der Vati!!
[Randeintrag der 4. Briefseite:] C.P. hat dies Briefpapier zum 6.9. bek., aber er wird froh sein, wenn ich es verschreiben! Heute war wieder 3x Alarm, vor- u. nachm., wir konnten nicht hinaus!
[Randeintrag der 3. Briefseite:] Schick nur recht viel Gepäck voraus, aber vooorsichtig, versichert u.s.w. Und laß Dich feste umarmen u. liebkosen, wie ein Traum ists, daß wir uns bald wiedersehen sollen, ich kanns noch garnicht fassen. Dein Fraule

 

 



Ansicht des Briefes

 

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