Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Martha Panzer an ihren Mann am 29.06.1940 (3.2013.355)

 

Heidelberg, 29.6.40



Mein Herzliebster!
Mit dem Stift schreib ich so ungern und so schlecht, drum lieber ans Maschinle, das mir recht vertraut geworden ist. Ich weiss nicht, wann all die Kartengrüsse, dich Dir mir anderen in diesen letzten Tagen schreib, Dich erreichen werden, ich aber hab Dir innig zu danken für viele liebste Grüssle, alle sehnlichst erwartet und mit jubelnder Freude gelesen und ins Herz versenkt! Wo Du wohl eben steckst und ob Ihr endlich zur Ruhe gekommen seid, Herr Volkspolizist?! Ach, wie ich Dich vor mir sehe, in all diesen neuen und mir irgendwie doch sehr vertrauten Situationen. Doch kann man halt einfach überall hinstellen und immer bist Du mein Wolf und ein ganzer Panzermann!! Schrecklich stolz bin ich auf Dich und hab mich auch für den franz. General gefreut, dass er gerade meinen Schatz als Betreuer erwischt hat, der seine Sache gewiss menschlich und militärisch hervorragend macht! O Du, wenn ich Dich nur schon wieder daheim hätte! Wie lange werden wir noch warten müssen? Ihr werdet doch wohl noch lange dort im Süden bleiben und ich bange, ob Ihr wohl für England eingesetzt werdet??? Die Spannung ist doch sehr gross und jeder fragt sich wann und wie es „losgehen“ wird! Ich habe natürlich auch so meine eigenen Ideen darüber und denk, es wird alles sehr schnell gehen und recht schlimm für das englische Land und Volk werden. Armes, hochmütiges England!
Heute war ich den ganze Tag ein bisschen aus den Fugen, was zwar niemand gemerkt hat, umso mehr aber ich selber. Diese gestörten Nächte machen sich halt doch bemerkbar und vorgestern waren es 2 Std., die wir im zugigen Keller sassen und heut wieder eine Std.! Und dann die Schiesserei und das Warten – und doch tun wirs gern, wenn’s nicht schlimmer kommt. Unsere Flak ist jetzt verstärkt worden, vielleicht verjagt das die Kanadier und Australier, die es sein sollen! Heute Nacht wollte sogar Stöffeli streiken, aber er ist dann unten immer am muntersten und lässt die andern nicht wieder einschlafen. Am Donnerstag, als ich mit ihm von Schlierbach/Ziegelhausen heimkam und sehr angestrengt war von der langen Radfahrt gegen den Wind und Regen, kamen noch Marianne Fuchs mit Schwägerin und Dorle. Wir tranken hier noch Tee und zogen bei strahlendem Wetter zum Ehrenfriedhof, gottlob ohne Buben, die sich daheim maskiere wollten und zu müd zum Laufen waren. Droben setzte ein so schauerlicher Dauerregen ein, dass wir kaum etwas sahen, es war furchtbar und ich musste unter M.‘s Regenschutz gehen, sonst wär ich verweicht! Einsam stand ein Sarg neben dem Sandsteinsockel, die Leidtragenden mit Soldaten und Offizieren hatten unter einem Arbeitszelt (der Ehrenfriedhof wird nach beiden Seiten in den Wald hinein vergrössert!) Schutz gesucht, es war ein doppelt traurig-trostloses Bild.-
In der Ordopäthischen [sic!] Klinik war es so interessant! Dittmar war famos und hat sich viel Zeit zur Untersuchung gelassen, alles sehr genau geprüft. Christoph hat nicht nur Plattfüsse, sonder auch Knickfuss und sehr schlaffe Haltung. Er bekommt Einlagen, die Dittmar selbst mit feuchtem Gipsverband Mass genommen hat in einer richtigen Hexenkammer, was alles dem Bub ungeheuren Eindruck gemacht und viel Spass gegeben hat! Dann hat die Gymnastikerin eine Stunde lang mit ihm geturnt, damit ich alles sehe und nachmachen kann, das war besonders nett! Der Betrieb in diesem Riesenanwesen, die vielen Verwundeten u.s.w. war sehr eindrucksvoll. Himmel, der noch schwer verpackt dort liegt hat sich sehr über unseren Besuch gefreut, ist recht deprimiert, hat aber unfassliches Glück gehabt, da ja sein Autor auf eine Mine gefahren war, wobei er herausgeschleudert wurde und als Einziger übrig blieb! Seine Kopfwunde ist soweit geheilt, der Oberarmbruch ist sehr kompliziert und dauer lang. 5 Wochen liegt er nun schon fest. Er und seine Frau lassen Dich herzlich grüssen. Er findet, dass Ihr die Universität hochhaltet als Einzige! – Verzeih, Herze, ich merk, dass ich zu müde zum weiterschreiben bin, ich stopf noch einige Strümpfe und geh dann ins Heio.
Vom Päckle schreib ich morgen, es ist ja sooo lieb!!!
Rädle nach wie vor beglückend, das wahre überhaupt! Juchhu!
[Rand:] Letzter Gruß gestern vom 21.6. – vielleicht morgen was späterer. Ade! Kußi-Kußi Dein lieb mal Fraule

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top