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Brief (Transkript)

Martha Panzer an ihren Mann am 03.06.1940 (3.2013.355)

 

Heidelberg, am 3. Juni 1940



Mein heißgeliebter Wolfmann!
Ich sitze im Wartezimmer des Zahnarztes, leider im Schatten, aber draußen vor der Tür steht mein blitzblankes Rädlein, das mich bald durch die strahlende Sonnenallee zu deinen Eltern führen soll, denen ich deine neugetippten Frontberichte bringen will. Und heute morgen habe ich schon wieder ein zu unendlich liebes Kärtle von dir , den „Blindgänger“, denn es hat blindlings den Postdurcheinander bezwungen und ist schnell, vom 29.05. hierher geflogen, ohne eingeschlagen- nur bei Bemühung- bereitete eine Explosion der Freude! Hab Dank! Wenn du nun auch endlich meine vielen Briefe erhieltest! Wie und wann sollst du die alle lesen, wenn sie dich überfluten?! – Beruhigt hats mich halt nun sehr daß du im gestrigen langen, lieben Briefle vom 21./22.05., das als echter Sonntagsgruß mich erfreute, von fal. Fliegern schreibst, die jetzt frech wurden, nachdem sie beim Vormarsch gottlob so völlig versagt haben, da sie da uns hier zu stören versuchten. Ach, mein Herze, die Sorge ist schon groß und die Spannung und nur allein deine Grüße können mich beruhigen. Wegen uns musst du dir aber keinerlei Sorgen machen, es geht uns unverschämt gut und es blieb bisher bei dem einen Fliegeralarm. Und wir sind natürlich sehr vorsichtig und die goldig-munteren Kerlchen ohne Furcht erleichtern mir ja die Schwere der Zeit und der so militärischen Maßnahmen. Wenn die Flieger auch manches Unheil unter der Zivilbevölkerung, in ihren Schicksalen ausrichten die Stimmung verderben sie im ganzen nicht. Unbegreiflich tapfer sind die deutschen Menschen bewunderungswürdig mit ihrer Haltung fürs Vaterland! Und wenn´s, was wohl sein wird, in unserem nahen Südwesten ernster wird, ziehen wir so wie so nach dem Jannusdorf in unser einsames Asyl – 6 lange Wochen. Ein bißchen fürchte ich mich ja davor so ohne jeden Zwiespruch, mit dem ich hier verwöhnt bin, aber körperlich und nervlich wird es mir gut tun, denn hier will man auch immer zu viel von mir! Gestern hatte ich eine so herzlichen Sonnensonntag, vollkommen schön, von deinem wonnigen, lang erwarteten Brief eingeleitet, der um 9 Uhr kam! Dann schwang ich mich aufs Rad und fuhr zu Fuchsens, um ihnen deine Berichte zu bringen und mit ihnen auf dem sonnigen Balkon zu plaudern. Donnerstag Abend wollen sie Abschied für Peter feiern, der Freitag zu den Luftnachrichten geht, aber ich werde nicht mitfeiern, da ich konsequent immer abends daheim bleibe, um bei ev. Fliegeralarmen bei meinen Büblein zu sein. Sonntag nun ½ 2 Uhr fuhr ich mit Fr. Weiß nach Schwefingen, wo wir das ganz ganz allerliebste und feine meisterlich gespielte Lustspiel von Lope de Vega sahen. Ach, wie hab ich dich da herbeigesehnt, da hättest Freudesprünge vor Entzücken gemacht und ich hätte so wie so immer dein glückliches Lachen neben mir. Eigentlich sollte man sich das ganze Jahr über seine Moneten sparen um jedes mal das Spiel im Rokokotheater mit diesen famosen Mannheimer Schauspielern zu sehen, das ist wirklich Theater und das lohnt sich. A-marie kam um 3 Uhr mit den Buben nach und wir sahen uns in der Pause, wo wir Kaffee tranken und danach, wo wir im Park herumliefen, der in dieser Sonnenhalle prachtvoll schön ist. Wie vergnügt die Kerlchen waren. Beide haben die Schauspieler „hinten herum“ gesehen und bei Johannes steht es ganz fest, daß er Schauspieler wird! Die Kostüme waren aber auch herrlich! Die mußten den Schüchternsten entzücken, wie erst Kinder mit soviel Phantasie! Abend schrieb, d.h. tippte und las ich noch. Frau Mokk ist gefallen und hat sich 2 Rippen eingedrückt, nun muß sie mit viel Schmerzen liegen und da gehe ich täglich einmal nach ihr schauen. So, inzwischen ists Nachmittag. Zahnarzt zu langwierig, aber 1 ½ Std. erst bei […], dann bei Mutt oben im Garten erzählend, war Belohnung. Außerdem fuhr ich wohlgestärkt mit Apfelsaft und Wurstbrot, am Rad einen prachtvollen Strauß Pfingstrosen erst zum Mittagessen heim. Letzt muß ich nähen und flicken und stopfen, H.d.H. will ¼ Std. vorbeikommen und abend Frau Ibach, die nun 2 Tage hier bleibt, sie geht zu ihren Eltern. Die Sonne ist wieder weg, schade, wir wollten baden gehen. Ade, A-marie, die mit Bauchweh und allerlei Beschwerden zur Ärztin soll, nimmt den Brief mit zur Post. Meinem Mägle gehts gut, ich hoff, es bleibt bao wie ich!
Ade, ade, viel Leid gibt’s hier […], vom Krieg gebracht – bleib nur Du mir gesund und sei vorsichtig, wenn Du so allein unterwegs bist. Wie gerne wär ich bei Dir und erlaubte sogar „both hands“, Du Goldschatz!
Kinderle sehr wohl, spielen draußen. Johannes schreibt Dir bald, er hat soviel Schule u. Aufgaben, da fehlt immer die Zeit, nicht aber die Liebe.
Ich umarme Dich liebe-liebevoll und küsse Dich um und um vor Dankbarkeit und Freue an Deinen Grüßen!
Ewiglich Dein
Weible

Bitte, leg mal ein Flußriesenblümle bei! Bitte. Grüß bitte Hptm. S. und alle Kameraden. Weißt Du was von Haerernier? Seine Frau rief vorhin an, hat garkeine Post! Ich hab sie eingeladen. Grüß auch Zr. Schreibt er auch öfter?! Ach, wie wichtig, wie allein wichtig das jetzt für uns ist. Kußele und innigstes Grüßen
Dein [gezeichnete Paraphe]

 

 



Ansicht des Briefes

 

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