Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Annemarie Seifert an ihren Freund Erich am 01.12.1939 (3.2002.7118)

 

Sagan, den 1. Dez. 1939.



Mein geliebter Erich!

Nun bin ich wieder einmal gezwungen Dir, mein Liebster, zu schreiben. Ich tue es ja so gerne, denn es ist ja jetzt nur noch das Einzige sich mit Dir zu unterhalten. Viel, viel lieber würde ich mich mir Dir persönlich unterhalten; aber was nicht ist, kann man nicht ändern. Gelt lieber Erich, Dir geht es genau so, aber einmal wird das auch wieder einmal werden und dann hoffendlich für immer. Lieber Erich wie geht es Dir noch? Bist Du noch gesund? Wo steckst Du jetzt eigentlich. Ich hoffe das ich recht, recht bald ein liebes Zeichen von Dir bekomme. Ich denke stündlich an Dich, Liebster. Nie, nie werde ich Dich vergeßen, was auch kommen mag. Nur wieder kommen musst Du. Wie hast Du die Fahrt überstanden? Es ist jetzt sehr hässliches Wetter. Andauernd regnet es. Ihr armen Kerle habt jetzt wirklich nichts zu lachen; aber es wird bestimmt auch für Euch wieder einmal eine bessere Zeit kommen. Deinen lieben Eltern habe ich geschrieben. Ihr ward noch in Sagan da ist der Brief schon fortgekommen. Sie werden einen schönen Schreck bekommen haben. Vor allen Dingen Muttel. Aber es doch einmal nichts daran zu ändern. Wir hätten Ihr bestimmt die Nachricht gern erspart.
Denken Dir lieber Erich, heute habe ich einen Brief von Else Jauer, Ottos Mädel, bekommen, Sie haben uns zur Verlobung gratuliert. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Sie hat wirklich nett geschrieben. Wir kennen uns doch noch gar nicht. Und doch hat die so geschrieben, als wenn wir uns schon lange kennen. Ich glaube ich hätte das nicht fertig gebracht. Ich meine so persönlich, so freundschaftlich, Du weißt schon wie es meine. Aber jetzt werde ich ihr natürlich in demselben Tone schreiben. Lieber Erich, es ist gerade ein so schönes Programm im Radio, schade das Du es nicht mit anhören kannst. Oder sitzt Ihr gerade vor einem Kasten? Ach, ich würde es Euch so wünschen; denn Ruhe tut Euch bestimmt mal not.
Diese Mal hat sich ja wieder mal Lommel hören lassen. Es war sehr nett.
Gestern war ich seit langem wieder einmal alleine fort. Im Haus Neberland [?] hat Frau Lindner gesprochen. Sie hielt einen politischen Vortrag; aber sie hat gut gesprochen. Der Vortrag hätte auch Dir gefallen. Weißt Du, die wies auch darauf hin, daß sich unsere deutschen Frauen und Mädchen nicht wieder mit den Gefangenen einlaßen sollten. Sie sprach gerade davon sehr nett. Liebster, sie hat auch sehr, sehr recht. Ich könnte jedenfalls die Frauen nicht verstehen.
Und nun lebe wohl mein Liebster. Es grüßt und küßt Dich tausendmal
Deine Annemie

Viele liebe Grüße auch von Muttelchen

 

top