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Brief (Transkript)

Annemarie Seifert an ihren Freund Erich am 05.09.1939 (3.2002.7118)

 

Sagan, den 5. Sept. 1939.



Mein lieber Erich!

Ich habe heute wieder meinen ersten Nachtdienst, und fange ihn an mir einem Brief an meinen Erich, trotzdem ich leider immer noch keine Nachricht von Dir habe. Lieber Erich ich habe solche Angst um Dich. Ach wenn Du mir doch wenigsten nur einen kleinen Kartengruß zu kommen ließest; dann weiß ich doch wenigsten daß Du noch gesund bist. Aber dieses ungewiße ist ganz furchtbar. Und doch, von Tag zu Tag sehe ich dem Briefträger mit immer größerem Entsetzen entgegen, Angst vor der grausigen Gewissheit, oder vor der Enttäuschung, wieder keine Nachricht von Dir bekommen zu haben. Lieber Erich, ich weiß, Ihr müsst jetzt sehr vieles leisten; aber es geht nicht einzurichten, gerade jetzt in der Zeit wo ich Dich doch ständig in Gefahr weiß, daß Du jeden Tag nur ein kleines Kärtchen schreibst. Liebster, es braucht ja nur ein Gruß, oder gar nur der Absender obenstehen; aber es ist doch wenigsten ein Lebenszeichen von Dir. Wenn Ihr einmal Ruhe habt, dann schreibst Du eben gleich ein paar Karten vor, um sie dann nur in den Briefkasten zu stecken. Natürlich immer nur jeden Tag eine Karte. Liebster, geht das nicht einzurichten, oder doch? Wenn ich dann Deine Adresse habe, schreibe ich Dir auch jeden Tag einen Brief. Ach Erich, wennn doch bloß schon wieder der ganze Krieg vorüber wäre, aber jetzt fangen ja auch noch die Engländer an. Es scheint eben nicht ohne Krieg zu gehen. Jedenfalls bei den anderen Staaten nicht.
Unser Führer ist ja jetzt auch schon mit ganz vorn an der Front. War er bei Euch auch schon? Das Radio wird jetzt den ganzen Tag fast nicht mehr zu gemacht, um ja keine Nachrichten zu verpassen. Ich warte immer auf den Moment, bis sie endlich durchsagen, das wieder Waffenstillstand ist. Wann wird das sein? Diesen Monat sollte nun Eure Entlaßung bei der Wehrmacht sein. Liebster, und jetzt, ich glaube Ihr müsst noch eine ganze Weile warten. Gestern habe ich Klärchen getroffen. Wir wollen uns Sonntag treffen. um ein Stück zu laufen und uns gegenseitig das Herz ein bißchen leichter zu machen. Das erste Mal ohne Euch, ganz alleine. Im übrigen hat Klärchen gestern schon Nachricht bekommen. Ich hoffe das ich morgen auch von Dir, mein Lieb, einen Gruß bekomme. Bist Du mit Schiller Erich zusammen, oder seid Ihr in verschiedenen Kompanien? Was macht Giebel Gerhard, wenn Ihr zusammen seid, einen Gruß von mir.
Und nun will ich schließen in der festen Hoffnung daß Dich meine lieben Zeilen in voller Gesundheit erreichen wie sie mich verlaßen.
Es grüßt und küßt Dich innigst Deine
Annemie

Lieber Erich hast Du meinen Brief in der letzten Woche bekommen? Hoffentlich habe ich morgen von Dir Nachricht.
7.9.
Heute habe ich nun endlich ein Lebenszeichen von Dir bekommen. Wie ich mich darüber gefreut habe kannst Du Dir nicht denken. Hast Du Deinen lieben Eltern ebenfalls eine solche Karte geschickt? Jedenfalls werde ich Ihnen die Nummer umgehend hinschreiben; denn auch Die bangen genau so um Dich wie ich und Muttel.
Und nun leb wohl.
Es küsst Dich Deine
Lusch.

Viele Grüße von Muttchen. Anliegend ein Bild von mir.

 

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