Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Gerhard Rücker an seine Ehefrau am 03.03.1945 (3.2002.7133)

 

O.U., den 3.März 1945



Meine liebe kleine Musch, mein lieber Eberhard!

Bisher hatte ich immer noch so grosse Hoffnung das ich eines Tages doch wieder einmal Post von Euch bekommen würde, aber bisher bin ich noch immer enttäuscht worden. Nun mag das vielleicht auch daran liegen, dass die gesamte Postversorgung für uns ziemlich schlecht ist. Wir haben auch sonst keine Post bekommen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich über Euer Geschick noch immer vollkommen im Unklaren bin. Ich klammere mich immer an die Hoffnung, dass Ihr in Grüntal und in Sicherheit seid, wass soll sonst auch werden. Ihr dürft doch nicht einfach weggehen und mich allein zurücklassen. Das Leben hat doch für mich sonst keinen Wert mehr. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe mir Klarheit zu verschaffen. Aber das ist wohl zur Zeit nicht möglich. Darum, werde ich weiter auf meinem lösten aushalten bis zum Tage der grossen Abrechnung. Wenn, man heute die OKW-Berichte hört oder unsere Frontzeitungen liest, dann kann man es wohl verstehen wenn schwache Naturen unserer Sache untreu werden, aber sie erreichen doch damit auch nichts. Wohl werden uns vom Gegner, in seiner Propaganda goldene Berge versprochen, aber das bittere Erleben des vorigen Krieges hat uns gezeigt wie weit man diesen Versprechungen glauben darf und jeder Tag heute zeigt es uns ausserdem. Darum gibt es für uns alle nur eins, das ist eben aushalten bis zur endgültigen Entscheidung. Die Wende in diesem gewaltigen Ringen wird kommen, vielleicht schneller als wir es vermuten und damit dann hoffendlich auch das Ende dieses Kriegs und aller inzwischen aufgetretenen Zweifel. Es hat wohl Zeiten gegeben in denen man sich Gedanken über die Zukunft gemacht hat oder in denen wir Pläne geschmiedet haben. Ach, wo ist das alles jetzt hin. Heute bedeutet das alles so wenig. Was hat es schon zu sagen ob man 1 oder 11 000 Rm. auf der Bank liefen hat. Der ist heute fast zu beneiden der nichts hatte, denn er konnte nichts verlieren und er braucht sich auch keine Gedanken über sein Vermögen machen. Ich habe mich, längst über den materiellen Verlust hinweggesetzt und wäre heute froh wenn ich mit nichts in den Händen in Frieden von ganz unten anfangen könnte. Noch habe ich die Kraft in den Armen die ich brauche um uns durchzubringen und ich traue es mir wohl zu uns auch wieder eine neue Zukunft aufzubauen. Ich rechne auch nicht damit das man mir nach dem Krieg von irgend-einer Seite hilfreich unter die Arme greift, ich könnte das vielleicht auch garnicht vertragen, nur Ruhe zum arbeiten möchte ich haben und Ihr bei mir, damit ich sehe das meine Arbeit nicht umsonst ist und damit ich mir von Euch die Kraft holen kann die ich brauche um wieder auf zubauen. So wie es uns geht geht es nun leider auch unserem ganzen Volk. Wohl niemals in der Geschichte ist ein Volk so schwer heimgesucht worden wie das unsrige in diesem Kriege. Es ist aber doch garnicht möglich das uns das Schicksal so ganz fallen lassen will. Noch glaubt ein Volk an seine gerechte Sache und das ist nach meiner Ansicht die Grundlage für den Erfolg seiner Waffen.
Mir selbst geht es hier recht fort. Ich. habe lange nicht so viel Arbeit wie vor Weihnachten. Das Essen ist gut, jetzt wird es nun allerdings schon schlechter mit den Zigaretten. Wir bekommen im Augenblick 2 Stück pro Tag. Ich habe aber noch Tabak und einige Zigarren, so dass ich im Augenblick noch keine Not habe. Das ist aber auch nicht so wichtig. Ich sehe vollkommen ein, das wir uns nun wohl langsam das Rauchen abgewöhnen können.
Liebling ich möchte nur hoffen und wünschen, dass meine Annahme Ihr seid in Grüntal zutrifft. In diesem bangen Zweifel grüsse ich Euch viele viele tausend mal mit vielen, vielen ganz, ganz lieben Küssen in groser Sehnsucht und Sorge für immer euer treuer
Vati

 

top