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Brief (Transkript)

Gerhard Rücker an seine Frau und seinen Sohn am 22.02.1945 (3.2002.7133)

 

Neue Feldpostnummer \"20436 A”

O.U., den 22.2.45



Meine liebe Kleine Musch, lieber Eberhard!

Hoch immer habe ich keine Nachricht über Euren Verbleib. Wenn ich auch immer die Hoffnung habe, dass Ihr in Grüntal seid, so erfüllt mich Euer Geschick doch mit tiefer Sorge. Wenn ich nur erst Nachricht hätte. Aber so wie mir geht es so vielen anderen Kameraden auch. Wie ich gestern feststellte, sind es in unserem kleinen Verband 20 %, das ist sehr viel. Es hat aber keinen Sinn sich jetzt mit mehr Gedanken zu befassen als es die läge eben erlaubt. Wenn wir einmal gesund und wohlbehalten zusammentreffen wollen, dann müssen wir jetzt tatsächlich unsere ganze Aufmerksamkeit auf das Nächstliegende richten. Damit ist unser Gegner gemeint. Gestern war es wieder einmal recht belebt. Die Fliegertätigkeit nicht ab. Wir halten aber die Genugtuung einige sehr schöne Abschüsse zu verfolgen. Die Piloten die aussteigen mussten waren nachher zu uns gebracht worden. Es waren ganz junge Burschen, fast noch Kinder. Es sieht also auch beim Gegner heute lange nicht mehr so rosig aus wie man es uns immer glauben machen möchte. Freilich machen uns auch die restlichen Soldaten des Gegners noch genug zu schaffen, aber sie dürften nicht unüberwindlich sein. Im übrigen haben wir hier doch wieder Boden gewonnen und die Lage ist lange nicht so verzweifelt wie es wohl manchmal angenommen wird. Wir sehen der Zukunft jedenfalls ruhig ins Auge. Nach, den Nachrichten ist auch der Vormarsch im Reich zum Stehen gekommen oder doch wenigstens stark gehemmt. Es bestehen also durchaus Aussichten das sich das Blatt auch einmal wieder wenden wird. Solange werden wir hier auch unsere Aufgabe erfüllen und dann mit allen anderen Kameraden zum Gegenschlag antreten. Der Himmel wird uns dann beistehen und auch unseren Fahnen wieder einmal gnädiger gesonnen sein. Wohl wird noch manches Leid über manche Familie kommen, aber wir haben schon lange gelernt, dass nur durch Opfer der Weg zum Sieg erkauft werden kann. Mir selbst geht es unverändert gut. Wohl hatte ich inzwischen mal einen kleinen Magen und Darmkatarrh, aber das hat sich wieder gelegt und es schmeckt schon wieder ausgezeichnet. Die Verpflegung ist auch recht gut und noch haben wir was zum Rauchen. Freilich damit wird es nun wohl langsam schlecht werden, denn es gibt nicht mehr viel davon. Das kann aber einen Landser nicht erschüttern. Wenn es eben nichts mehr gibt, dann müssen wir aufhören. Meine Vorräte zu Hause hat ja nun wohl Iwan. Schicken werde ich nun wohl in der nächsten Zeit nichts mehr, ganz abgesehen davon das es mir zur Zeit auch garnicht möglich ist. Andererseits weisst Du ja nun auch garnicht wohin damit.
Vor einigen Tagen bin ich wieder einmal gewandert, nicht weit, aber immerhin doch wieder ein Stück. Es ging wieder einmal nicht weit weg vom bösen Feind und hat auch nicht schlecht geschossen, aber nicht getroffen. Diese Nacht ging es uns beinahe an den Kragen. Da hat so ein Luftgangster Bomben auf unser friedliches Heim geworfen. Es hat nicht viel gefehlt und wir wären wohl mitsamt dem Fussboden im Keller gelandet. Das soll nicht sehr angenehm sein. Aber diese kurze Unterbrechung des Schlafes hat uns dann doch nicht weiter gestört. Wie wir heute feststellten hat es nur so kleine Löcher in den Boden gerissen das man eben gerade nicht mehr heraussehen kann. So bringt Jeder Tag und sogar noch die Nacht ihre Überraschungen. Die Arbeit ist zur Zeit lange nicht so schlimm wie vor und nach Weihnachten. Hier könnte ich mir das aber auch nicht leisten, denn ich habe kein Licht. Beim Kerzenlicht kann man schlecht schreiben und noch schlechter die anderen Sachen bearbeiten die nun mal mit zu meiner Arbeit gehören. Ist auch garnicht nötig. Der Tag wird nun schon langsam länger, da genügt die Zeit am Tage zum arbeiten und die Nacht ist dann zum schlafen da. Viel mehr kann, man hier auch doch nicht anfangen.
Damit nun auch für heute wieder genug. Grüss bitte alle Lieben Dich aber und unseren kleinen Stromer grüsse ich nun ganz besonders lieb mit vielen tausend ganz lieben Kusseln in grosser Sehsucht für immer Euer treuer
Vati

 

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