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Brief (Transkript)

Gertha an Reinhard Barke am 22.07.1943 (3.2002.0375)

 

Leipzig, 22.7.43.



Lieber Reinhard,
ich dachte meine Mutter hätte schon an Deine Eltern geschrieben, was sich inzwischen furchtbares ereignet hat, und ich wollte Dir es auf der Straße nicht so einfach sagen. Ernst ist am 7.6., vermutlich bei Charkow, wegen fahnenflucht zur erschossen worden. Eine amtliche Mitteilung haben wir überhaupt nicht bekommen. Aber wir bekamen vor 14 Tagen einen Brief von ihm, in dem er schrieb, daß er seit 4 Wochen zum Tode verurteilt wäre und in 4 Stunden erschossen würde. Was eigentlich vorgefallen ist, wissen wir nicht. Wir denken, daß er sich geweigert hat, irgend einen Befehl auszuführen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was er in diesen 4 Wochen durchgemacht hat. Wenn man daran denkt, könnte man wahnsinnig werden. Daß Ernst sich irgendwie von der Gruppe entfernt hat, können wir uns nicht vorstellen; denn er war so fest davon überzeugt, daß der Krieg in wenigen Monaten zu ende gehen würde. Was eigentlich vorgefallen ist, werden wir wohl nie erfahren. Er schreibt aber, daß er nicht anders hätte handeln können. Und davon sind wir ei auch überzeugt. Es gibt jedenfalls nichts, was sein Bild im geringsten trüben könnte. Mit der Versetzung zur S.S. war ja eigentlich sein Urteil bereits gesprochen. Man kann sich wenigstens sagen, daß er nicht gegen seiner Überzeugung gehandelt hat, wenn das auch kein Trost ist.
Meine Mutter wird inzwischen sicher an Deine Eltern geschrieben haben. Ernst hat Deine liebe Mutter immer sehr verehrt, die zu ihm immer so gütig war. Und er hat bei Deine Eltern sehr viel schöne Stunden verlebt.
Sehr herzlich
Deine Gertha

 

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