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Brief (Transkript)

Erich Dohl an seine Frau und Töchter am 03.12.1941 (3.2009.1998)

 

3.12.41



Meine lieben Mäuschen!

Leider hat es immernoch keine Post gegeben. Heute Abend bzw. heute Nacht sollen wir jedoch welche empfangen. Nun habe ich dir noch etwas unangenehmes mitzuteilen. Wir haben gestern Nacht Stellungswechsel nach Tischwin gemacht. Was ich schon immer vermutete ist nun Wahrheit geworden. Sie haben uns nochmals ins die Sch… geholt. Jedenfalls sind wir wieder sehr nahe am Feind und legt er uns ein Artilleriefeuer hin, da ist alles dran. Tagsüber kannst du dich nicht im Freien sehen lassen vor lauter Einschlägen. Nachts ist es jedoch etwas ruhiger. Da kann man es wahrhaftig mit der Angst zu tuen bekommen. Gottseidank war bis jetzt noch kein Flugzeug zu sehen. Wenn wir auch noch schießen, dann wird die Wurst warm sein. [?] Ich hätte dir ja gerne diesen neuen Kummer, den ich dir auflade erspart, aber einfach nicht schreiben, das bringe ich nicht über das Herz. Ich habe dich bisher noch nicht belogen und hoffe dies auch nie zu tuen ganz gleich in welcher Angelegenheit es sein mag. Der liebe Gott wird mich schon weiter in seinen Schutz nehmen. Nachts bekommen wir unser Essen. Gestern war es 1 Uhr gewesen, als wir das erste Essen nach 25 Stunden bekamen. Für heute ist es auch noch nicht da, obwohl es schon 20 Uhr ist. Also faul was nur faul heißt. [?] Ich werde dir wohl die ganze Weihnachtsfreude und vielleicht die Stille Hoffnung, daß ich doch noch auf Urlaub komme, genommen haben. Mir selbst ist es ja sehr unangenehm aber ändern kann ich es leider nicht. Aber überzeugt bin ich, daß mich unser Herrgott beschützt und mich gesund zu dir und den Kleinen zurückkommen läßt. Ich bitte dich deshalb dir nicht gar zuviel Sorgen zu machen. Sollte mir jedoch wider aller Erwartung doch etwas passieren, dann sei der Überzeugung daß ich dich sehr geliebt habe. Ich glaube jedoch bestimmt dich recht bald wieder in meine Arme nehmen zu können. Unser Bunker, ein Russenbunker ist ganz schön massiv gebaut. 4 Lagen Holz sind übereinander geschichtet, das hält schon etwas ab. Also eine leichtere Granate wird uns sehr wahrscheinlich nichts anhaben können. Freilich möchte ich es nicht darauf ankommen lassen. Ich weiß nicht ob du dir überhaupt so einen Krieg vorstellen kannst. Vermutlich nicht, denn etwas schlimmeres gibt es nicht auf der Welt. Damals an dem berühmtem 2. August (Lovatbrücke) war es ja auch schon schlimm, hier ist es jedoch noch eine Kleinigkeit schlimmer. Ein junger Kamerad von mir, Willi Braun, ist gestern Abend fortgelaufen und noch nicht wieder da. Anscheinend übergeschnappt. Wenn sie ihn kriegen wird er wohl erschossen werden. Angst um sein Leben hat jeder ohne Ausnahme aber mit dem nötigen Gottvertrauen geht es. Wir stehen ja alle in Gotteshand, ganz egal wo und in welcher Lage wir uns im Leben befinden. Er wird mich schon wieder zu Euch zurückführen. Ich werde wenigstens nicht aufhören Ihn um seinen Schutz für Euch und mich zu bitten. Die Sonne wird uns auch wieder scheinen. Die anderen Züge liegen auch nicht besser als wir. Das Geschütz wo Gläser drin ist wurde mit noch einem Geschütz direkt vor die Küste gestellt. Vor ihnen ist nichts mehr. Bei Tage ist es bei ihnen unmöglich aus dem Bunker heraus zukommen, auch ist es nicht möglich zu ihnen hinzukommen, weil die Straße dauernd unter Feuer liegt. Also bei diesen ist ja ganz der Wurm drinnen. Hoffentlich werden wir recht bald hier heraus gezogen, sonst gehen unsere Nerven noch total kaputt. Ich mache mir halt nur große Sorgen um dich. Wie wirst du diese neue Botschaft hinnehmen? Sei tapfer mein lieber Schatz, die Zeit hier wird auch herumgehen. Einmal muß ja dieser Jammer vorübergehen. Das Schlimme ist halt nur, daß immer wieder etwas Neues kommt. Ich glaube dir gerne und kann es auch verstehen, daß du dich sehr aufregen wirst. Bis der Brief bei dir ist wird bald Weihnachten sein. Ich kann es sehr gut ermessen, was es für dich bedeutet. Aber glaube mir mein Schatz, ich bin überzeugt, daß mich der liebe Gott auch diesesmal gesund und munter hier heraus kommen läßt. Angeblich soll ja Verstärkung im Anmarsch sein, sogar soll Flak mit Pferde bespannt dabei sein. Ich glaube es jedoch nicht eher als bis ich es selbst gesehen habe. Bei vielen ist halt der Wunsch, der Vater des Gedankens und da wird […] immerzu gemacht. Nun muß ich wieder eine Stunde auf Posten. Nachher schreibe ich dir wieder. Der Brief kann frühestens erst morgen Nachmittag um 4 Uhr, hier weggehen. Vielleicht schreibe ich auch Morgenfrüh noch etwas dazu. Zur Zeit ist es jedoch ruhig an der Front. Inzwischen ist es 24 Stunden später geworden. Auch heute hat es oft geschossen. Es ist uns jedoch nichts passiert. Unsere Kraftwagen sind total durchlöchert. Sie stehen an den Häusern die dauernd unter Feuer liegen. Also mit einem Wort wir haben es sehr schwer hier. Gestern Abend hat es doch noch Post gegeben. Für mich eine ganze Menge. Briefe vom 15, 17, 18, 20, 21, 22 und 23.11.41. dazu gab es Päckchen, im Ganzen 6 Stück. Ich habe mich sehr gefreut über alles. Gerade jetzt wo wir so in der Tinte sitzen ist es beruhigend zu wissen, daß man so geliebt wird. Leider kann ich deinen Wunsch die Päckchen erst an Weihnachten zu öffnen, nicht erfüllen. Ich hoffe nämlich noch vor Weihnachten hier heraus zu kommen. Wenn auch nicht nach Deutschland so doch wenigstens aus der Hölle von Tischwin. Da müßte ich ja ein Auto für mich haben, für die großen Pakete. Das Hauptpaket habe ich ja noch nicht durchgestöbert, das kommt Morgen an die Reihe. Aber die Päckchen von Else, Mutsch und natürlich auch deine zwei, habe ich schon gesichtet. Aber jetzt eine Bitte. Hört auf mit Fußlappen schicken. Mein ganzer Rucksack ist jetzt hoch voll mit Fußlappen und Strümpfen. Dabei kann ich garkeine Fußlappen anziehen, weil die Stiefel zu eng sind. Überzeugt bin ich, daß die nächsten Pakete von Lina und Theo auch noch Fußlappen enthalten. Ich weiß bald nicht mehr wohin mit den Sachen. Bei den vielen Briefen hat mich beunruhigt, was unser Urselchen hat. Du schreibst mir da etwas undurchsichtig. Ich habe bisher noch nichts gehört gehabt, daß Urselchen so schnellgewachsen sei und über das Wort Tuberkel bin ich entsetzt. Ich bitte dich deshalb, mir doch nochmals ausführlich in dieser Sache zu schreiben. Für Erholung bin ich natürlich sehr, aber mit dir und den kleinen Mäuschen. Natürlich läßt du dir einen Zuschuß von der Allianz geben. Wenn sie nichts bewilligen, dann schreibe ich an Finzer oder wegen mir auch an Wiedemann. Vor der Heimatfront fürchte ich mich nicht mehr, nach diesem Trommelfeuer hier. Nun noch eins, die Haare läßt du den Mäuschen jetzt im Winter nicht abschneiden. Wenn es jedoch wieder wärmer wird, dann selbstverständlich. Wenn die kleinen Schwänzchen nicht wachsen wollen dann kommen sie wieder ab, da wird das Haar stärker aber nicht jetzt im Winter. So, nun will ich dir für die Weihnachtspäckchen herzlichst danken. Ist es doch für dich eine große Einsparung. Du weißt ja, daß ich dies nicht haben will aber zu Weihnachten ist es etwas anderes. Nur fand ich das kleine Täfelchen Schokolade. Die Kinder haben doch so sehr wenig von diesem Zeug, daß ich es auf keinen Fall essen darf. Also bei nächste Gelegenheit, kommt es zurück. Einen rechten Weihnachtsbrief werde ich wohl kaum zusammen bringen bei diesem dauernden Geschieße. Aber trotzdem . Das schönste Fest, wenigstens für uns Deutsche ist wohl Weihnachten. Ich habe es immer besonders gerne gehabt, ist doch unser Heiland uns geschenkt worden. Aber nicht nur vom kirchlichen Standpunkt aus habe ich mich auf Weihnachten gefreut, sondern auch weil man da seinen liebsten Mitmenschen etwas schenken darf. Schenken ist doch etwas herrliches, zumal man weiß, daß der Beschenkte sich darüber freut. Mit Kindern Weihnachten feiern ist ja das Schönste was es auf der Welt überhaupt gibt. Strahlende Augen, im Kerzenlicht das Christbaums, dazu den anheimelnden Geruch, was schöneres gibt es ja nicht. In diesem Jahr ist es mir ja wieder nicht vergönnt bei Euch zu sein oder wenigstens etwas schenken zu können. Aber in Gedanken bin ich immer bei Euch. Meine Liebe und Fürsorge soll Euch ewig begleiten. Ich will den lieben Gott bitten, daß er uns gesund erhält und mir die Kraft gibt immer für Euch zu sorgen. Hoffen wir, daß es die letzten Weihnachten sind, die ich ohne Euch verbringen muß. Ich bin so froh, daß ich Euch wenigstens in früheren Jahren, hauptsächlich dir mein Schatz so schöne Geschenke gemacht habe. Ich erinnere mich mit Freude und Stolz an den Ring, den ich doch sogar in meiner Erwerbslosenzeit erwarb. Weißt du noch wie ich mit dem großen Paket „Vorsicht Glas“ ankam? Was hast du dich doch dann gefreut als doch ein Ring heraus kam und keine Gläser. Ja Spaß muß sein. Aber noch schöner war doch das Weihnachtsfest an unserer Hochzeit. In Bacherach waren wir in der Christmette und am 1. Feiertag, wohnten wir im Turmhotel in Caub. Was war es doch so schön mit dem jungen Frauchen das erstemal allein. Das sind so Sachen, die man im Leben nicht mehr vergißt. Leider bin ich schon das 3. Mal allein an Weihnachten. Aber ich war doch wenigstens an den ersten Kriegsweihnachten am 1. Feiertag auf einen Sprung bei Euch. Nun es wird wieder Urlaub geben, wenn auch nicht an Weihnachten, so hoffe ich doch recht bald. Mit Gotteshilfe wird mir in diesem Rußland schon nichts passieren. Wenn es auch manchmal toll aussieht und man glaubt die Welt ginge unter. Es schneit jedoch nur so. In einem alten Kirchenlied heißt es ja „und wenn die Welt voll Teufel wäre, es muß uns doch gelingen.“ Freilich ist dies kein Gesang für die Weihnachtszeit, aber es ist ja Krieg. Jedenfalls folgt auf Regen, Sonnenschein. Der liebe Gott wird mich aus diesem Chaos schon heil heraus führen. Es tut mir nur so leid, daß ich dir mein Schatz so viel Kummer aufladen muß. Ich würde etwas dafür geben, wenn ich dich in meine Arme nehmen könnte und du könntest den Schmerz vergessen. Deshalb möchte ich, daß du auch in Erholung fährst. Unsere Schätzchen möchte ich nicht allein wohin schicken. Nehme die 200,- und fahre in den Schwarzwald mit den zwei Mäuschen. Dort kommen sicher keine Flieger und liegt der Schnee so hoch wie hier bei mir. Das Geld kannst du ruhig ausgeben. Nehme es als Weihnachtsgeschenk von mir. Unser Kinderzimmer bekommen wir doch noch. Ich habe hier weitere 100.-, die du auch noch haben kannst. Sobald der Rechnungsführer kommt, schicke ich sie ab. Freilich wäre ein Urlaub mit mir schöner aber das kann ja jetzt leider nicht sein. Nach Wörrishofen würde ich dir nicht empfehlen. Dort ist es bestimmt nicht schön. Dann lieber ins Gebirge nach Oberstdorf. Für deine Mutter ist es freilich etwas anderes. Sie will ja Genesung suchen während Ihr meine Schätzchen nur Erholung braucht. Ich hoffe natürlich, daß du, Urselchen und Hiltrudlein nicht krank seit. Wegen Urselchen mache ich mir Sorgen. 1.24 m ist ja sehr groß für ihr Alter aber sie wiegt ja auch 42 lb [Pfund]. Ich meine Werner oder Günter hätte mit 8 Jahren nicht so viel gewogen. Über die Selbstständigkeit unserer Töchter freue ich mich natürlich sehr. Der kleine Kerl scheint ja sehr drollig zu sein. Aber naschen darf man nichts, wenns Mutti verboten hat. Hoffe nur, daß der Krieg recht bald zu Ende ist und das Elend was zur Zeit auf der Welt herrscht bald neuem Frieden platz macht. Ich wünsche Euch zu Weihnachten alles Gute. Der liebe Gott möge Euch meine Goldschätzchen ganz besonders in seinen Schutz nehmen und Euch segnen. Auch ich hoffe, daß er mich beschützt und beschirmt wie bisher. Seien wir froh, daß wir noch gesund sind und danken wir unserem Herrgott dafür. Seit recht herzlich gegrüßt und tausendmal geküßt
Euer lieber Papa.
Auf baldiges gesundes Wiedersehen!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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