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Brief (Transkript)

Erich Dohl an seine Frau und Töchter am 26.11.1941 (3.2009.1998)

 

26.11.41



Meine lieben Mäuschen!

Leider hat es immer noch keine Post gegeben! Angeblich sollen ja 3 Postsäcke da sein. Jedenfalls besteht Aussicht, daß ich morgen welche bekomme. Ein Wort habe ich jetzt schon mit meinem Ärmel verwischt, aber ich hoffe, daß du es trotzdem noch lesen kannst. Bei mir gibt es nichts Neues. Flieger waren heute nicht da. Sie werden wohl erst wieder repariert werden müssen. Alles geht seinen Gang weiter. Unser Essen wird immer weniger und unser Hunger größer. Selbst das Brot wird immer weniger. Das Brot ist kleiner geworden und gibt es nur zwei Mann ein Brot. Für Morgen gibt es Knäckebrot, was ich Euch aus Frankreich geschickt habe. Alle Mittag gibt es Suppe und heute Abend gab es mit 8 Mann eine Büchse Fleisch. Allerhand wenig was? Bei Euch meine lieben Schätzchen ist es jedoch auch nicht anders hier gibt es auch nichts zu organisieren die Kartoffel sind jetzt alle verfroren auch haben wir in den Kellern des Dorfes keine gefunden. Hoffentlich werden wir bald hier abgelöst, dann wollen wir es gerne noch ertragen. Unser Alter soll ja große Hoffnungen haben. Ehrlich gesagt, Hoffnung habe ich auch noch aber sie wird immer geringer. Heute war ich beim Sanitäter auf unserer Batterie-Befehlsstelle. Da waren sie am Adventskranz winden. Es berührt mich schmerzlich, wenn ich so etwas sehe. Zu Hause wäre es eine große Freude für mich, wenn ich am Sonntagabend ein Lichtchen anstecken könnte. Hier stimmt es mich sehr wehmütig. Das Beste wäre, man würde nichts sehen vom Advent und Weihnachten. Hier geht ja doch alles seinen alten Gang ob es Feiertag ist oder nicht. Wenn ich wieder bei Euch bin, dann ist es etwas anderes. Dir mein Schatz wird es ja um die Weihnachtszeit auch sehr schwer ums Herz sein. Aber du hast ja die zwei kleinen Goldschätzchen bei dir, da wird es dir doch weihnachtlich werden, wenn du die strahlenden Gesichtchen siehst. Nun der liebe Gott wird uns schon wieder in seinen Schutz nehmen wie bisher. Auch hoffe ich, daß es die letzten Weihnachten sind, die ich ohne Euch verleben muß. Vielleicht kommen wir doch noch zurück, was selbstverständlich das schönste Weihnachtsgeschenk für mich wäre. Wenn ich jedoch daran denke, daß ich Weihnachten auch […] in so einem Bunker sitze wie hier, dann könnte ich das heulende Elend kriegen. Draußen schießt die Artillerie. Wir hören es dumpf im Bunker grollen. Der Himmel ist im Norden rot gefärbt von Bränden. Anscheinend brennt Tischwin an allen Ecken. Ich bin froh, daß wir nicht mehr dort sind. Gebe Gott, daß wir auch nicht mehr hin müssen. Ich habe wirklich kein Interesse dran, nochmals in Erdkämpfe verwickelt zu werden. Die Gefahr ist jedoch für uns noch nicht beseitigt. Freilich hilft auch da der liebe Gott. Wir stehen ja Alle in Gotteshand und hängt ja von Ihm alles, Sein oder Nichtsein ab. Also hat es praktisch keinen Wert, Euch irgendwie drücken zu wollen. Aber Morgen werde ich auch wieder Posten mitstehen. Ich spüre nichts mehr und will ich meinen Kameraden am Geschütz behilflich sein wo ich nur kann. Sollte ich wieder oder erneut etwas spüren, dann melde ich mich wieder beim Arzt. Übrigens wird er ja sowieso in dem nächsten Tagen nochmals hier auflaufen. Da gehe ich sowieso wieder zu ihm. Also mache dir deshalb keine Sorgen. Ich paße schon auf mich auf, sogut es geht. Hoffen wir und bitten wir den lieben Gott, daß wir gesund bleiben dürfen. Alles andere kommt ja erst in zweiter Linie. Hier bläst wieder ein eisiger Wind, Das Thermometer rutscht bestimmt wieder auf -20°C. Die Kälte scheint jetzt erneut einzusetzen. Solange wir keinen Stellungswechsel machen ist dies nicht so schlimm. In unserem Bunker ist es schön warm. Wir haben sogar das Feuer aus gehen lassen. Abends kannst du vor Hitze nicht einschlafen. Allerdings ist es dann in der Frühe bitter kalt. Nun an Brennholz fehlt es in Rußland gottseidank nicht. Wie ist’s bei Euch mein Schätzchen? Ist denn die Heizung schön warm oder sparen sie sehr. Aber so kalt wie hier wird es ja bei Euch nicht und wohnt Ihr ja in massiven Steinhäusern. Hoffentlich hast du die Kartoffeln im Keller. Mit Kartoffeln kann man sich viel helfen. Ich hätte Euch ja gerne eine Gans besorgt aber es ist nichts zu wollen. Schade, da hättet Ihr Euch doch wenigstens an den Feiertagen tüchtig sattessen können. Dein Vater ist halt kein Kerl für so etwas zu besorgen. Er hat doch genug Beziehungen zum Land. Ich denke hierbei an seinen Freund Richold oder unseren Vertreter Hinkel in Massenheim (Vilbel), die bestimmt so etwas besorgen können. Ich weiß ja, daß Ihr nicht verhungert ich verhungere bestimmt auch nicht, aber es ist doch etwas Schönes, wenn man für die Feiertage genug hat. Weihnachtsgeschenke werden wohl oder übel flach fallen müssen. Es gibt doch nichts zu kaufen. Ich hoffe wenigstens daß du für mich kein Geld ausgegeben hast. Ich brauche absolut nichts. Wenn Friede ist, dann ist dies freilich etwas anderes. Laß deshalb erst den Krieg herum sein. Für dich und die Kleinen kaufst du natürlich, was du bekommen kannst. Es wird jedoch auch für Euch leider kaum etwas geben. Nun macht Euch nichts drauß es wird auch wieder besser. Froh bin ich, daß Ihr 3 noch gesund und munter seit das ist für mich die Hauptsache und mehr Wert, als das schönste Geschenk. Die Zeit wird schon kommen, wo ich Euch in meine Arme nehmen kann, wenn wir uns vorerst auch noch etwas gedulden müssen. Der liebe Gott wird uns schon wieder zusammen führen. Es zieht mich furchtbar nach Euch. Von Tag zu Tag wird meine Sehnsucht größer. Ein Wunder ist dies ja nicht, bei so langer Abwesenheit. Es geht mir jedoch nicht allein so. Ich glaube es gibt überhaupt keinen Menschen hier, der die Nase vom Krieg und insbesondere von Rußland nicht voll hätte. Aber bleibt Ihr mir gesund dann ist alles gut. Das andere kommt ja auch wieder. Viele Grüße und tausend Küsse aus weiter Ferne
Euer lieber Papa.
Auf baldiges Wiedersehen!
P.S.
Ich lege dir eine Frontzeitung bei. Die Bilder auf der letzten Seite sind von C[…]ino wo ich war. Auch der Artikel auf der letzten Seite wird dich interessieren. So ist tatsächlich Rußland. Nochmals tausend Küsse. Dein Erich.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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