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Brief (Transkript)

Erich Dohl an seine Frau und Töchter am 05.10.1941 (3.2009.1998)

 

5.10.41



Meine lieben Mäuschen!

Gestern konnte ich leider nicht schreiben. Der Stellungswechsel bringt immer so viel Arbeit mit sich, daß an Schreiben nicht zu denken ist. Auch sind die Verhältnisse hier wieder äußerst primitiv, sodaß es ansich schon kein Vergnügen ist zu schreiben. Heute, wo unser Hochzeitstag sich zum 7. Male jährt, ist dies etwas anderes. Ja, mein Schätzchen, heute vor 7 Jahren waren wir auf dem Standesamt gewesen. Eine lange Zeit schon und doch kommt es mir kurz vor. Wenn wir allerdings unsere Töchter betrachten, Urselchen ist schon 5 und selbst der kleine Mops ist schon 2, dann mus es schon stimmen. Jedenfalls war es damals ruhiger als zur Zeit. Ich bin wieder Frontsoldat in vorderster Linie. Das Zischen der Granaten ist wieder deutlich zu hören und liegen die Einschläge nicht weit von mir entfernt. Der liebe Gott wird jedoch dafür sorgen, daß die Russen nicht gerade auf uns halten. Ich befinde mich mitten im Waldai-Gebirge. Der höchste Berg liegt genau 1 km hinter mir. Auf ihm liegt unser 2. Zug in Stellung. Der seeliger-See liegt bei uns. Jedenfalls wirst du es auf der Karte finden. Die Wolga entspringt hier in der Nähe. Flieger waren nur heute früh, als noch alles voller Nebel war dagewesen. Wir konnten nicht schießen und ist es sicherlich auch gut so, sonst funkt die Artillerie hierher. Vorgestern sollen jedoch 65 Angriffe an einem Tag gewesen sein. Sollte jedoch kein Angriff bis Morgen mehr erfolgen, dann ziehen wir uns wieder zurück ins Winterquartier. Wir hoffen es schwer und ich bitte besonders den Herrgott, daß kein Angriff mehr erfolgt. Es ist zu kalt für im Zelt zu hausen und hier im Gebirge bläst der Wind stärker. Landschaftlich ist es ja sehr schön hier. Alles voller Wald. Die Bäume sind durch den Herbst bunt gefärbt nur die dunklen Tannen stehen dazwischen in ihrer alten Pracht. Bald wird jedoch das Laub ab sein und dann stehen wieder die Bäume, nackt da bis zum nächsten Jahre. Hoffentlich sehe ich das Grünwerden in der Heimat und nicht hier in Rußland. Die Front ist von mir keine 1000m entfernt. Gesternabend hat der Russe uns durch Lautsprecher aufgefordert, zur roten Armee überzulaufen. Mindestens 10 Minuten hat er gesprochen und fiel in dieser Zeit kein Schuß. Wir sind gespannt ob wir heute Abend wieder das Vergnügen haben werden, eine Einladung zu bekommen. In Propaganda sind die Russen groß. Hier fliegen 100 verschieden Sorten Flugblätter herum, die uns von unserer Führung abbringen sollen. Ein unsinniger Gedanke. Jedenfalls tuen Flugblätter ja nicht weh und können sie dieselben ruhig abwerfen Ich möchte sehen wer da überläuft. Übrigens soll Vorgestern unser Führer gesprochen haben. Ich habe es wenigstens erzählt bekommen. Was er jedoch gesprochen hat ist mir nicht bekannt. Erzählt wird ja viel aber man darf dem Land fern nicht alles glauben. Jedenfalls sagten sie uns, der Führer hätte gesagt, es seien seit 48 Stunden Operationen im Gange, die für den Ausgang des Ostfeldzuges entscheidend wären. Heute hat wieder einer erzählt, der Russenkrieg könne noch in diesem Jahre aus, es wäre eine Proklamation des Führers an die Soldaten des Ostheeres angeschlagen und würde dies darin stehen. Ich vermute, daß hier der Wunsch der Vater des Gedankens war. Warten wir es schön ab. Ich bin schon froh, wenn sie uns Morgen zurück ins Winterquartier fahren. Da haben wir wenigstens eine warme Stube und ein Bett. Was wird man doch genügsam. Dabei konnte man es daheim nicht schön genug bekommen. Auch sind ja jetzt meine Bestrebungen dahingehen, für Euch das Schönste und Beste zu ergattern. Zu gerne beschäftige ich mich mit Ausstattungsplänen für die Zukunft. Das Artilleriefeuer kann mich dabei nicht stören. Der liebe Gott wird mich schon wieder so beschützen und uns wieder zusammen führen. Gerade heute wo wir 7 Jahre verheiratet sind empfindet man die Trennung schmerzlicher denn je. Schon über 2 Jahre bin ich fort von dir und hatte mir so kurzen Urlaub, den man schon garnicht mehr rechnen kann. Wann werde ich jedoch wieder auf Urlaub fahren dürfen? Das steht alles noch in weiter Ferne. Vielleicht werden wir doch noch ausgewechselt, denn wir haben noch immer keine Winterbekleidung, obwohl es schon längst der 1.10. ist. Bei mir hier ist alles erkältet. Es kann ja auch bei diesem Wetter nicht ausbleiben. Ich selbst fühle mich jedoch […] ganz wohl. Freilich friere ich auch, aber es ist noch zu ertragen. Hoffentlich hast du mein Schätzchen heute deine Blumen und den Brief bekommen, sonst ist doch der Tag gar zu grau. Wir wollen jedoch unserem Herrgott danken, daß wir noch gesund und munter sind, was in diesem Krieg sehr viel heißen will. Ich hoffe, daß Urselchen wieder in der Ruhe ist und Hiltrudlein falls sie es auch bekommen haben sollte auch. Vielleicht bekomme ich Morgen Post von Euch, falls wir zurückgehen natürlich. Dieser Brief geht ja heute auch nicht mehr fort und mache ich mir Sorgen, wenn du keine Post erhältst, zumal du weißt, daß ich vorne bin. Nun ansich ist es hier nicht so gefährlich wie es den Anschein hat. Mit Gotteshilfe geht ja alles. Bitten wir ihn weiter um seinen Schutz, er wird uns schon helfen. Inzwischen haben wir einen neuen Zugführer bekommen. Wtm. Trendt, auch ein junger Spund, der auf der Kriegsschule war. Wir hatten ihn schon öfters als stellvert. Zugführer. Ich wollte wir bekämen unseren Leutnant wieder. Aber auch dies kann ich nicht ändern. Der Krieg wird ja auch einmal zu Ende gehen. Wenn ich Uffz. Pavel nochmals treffe, frage ich ihn ja doch nochmals danach, was mein Uffz. macht. Glauben tue ich natürlich nicht mehr daran. Jedenfalls hätte man es als Uffz. ein bischen besser, zumal jetzt im Winter bestimmt ein Dienstplan und dergl. Mist, heraus kommt. Aber wie gesagt, der Krieg geht zu Ende. Hoffentlich bin ich bald wieder bei dir und den Kleinen, damit wir die zwei Jahre der Trennung bald vergessen haben. Bleibt mir nur weiter so lieb und brav wie bisher, daß ist für mich auch schon eine Beruhigung. Mit Gotteshilfe werden wir schon gesund bleiben und unsere nächsten Hochzeitstage wieder zusammen feiern können. Viele Grüße und Küsse
Euer lieber Papa.
Auf baldiges Wiedersehen!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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