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Brief (Transkript)

Erich Dohl an seine Frau und Töchter am 28.08.1941 (3.2009.1998)

 

28.8.41



Meine lieben Mäuschen!

Leider konnte ich die gestern durch einen weiteren Stellungswechsel nicht schreiben. Durch die Arbeit war es zu spät geworden. Jetzt bin ich in der Stadt Welikije Luki. Schießen tut es hier nicht mehr und sind wir auch nicht mehr bei der Infanterie. Wir schützen den Flußübergang über den Lowat, einem Bach so breit wie die Nidda bei Frankfurt. Hoffentlich bleiben wir etwas länger hier. Die Front ist 40 km von hier entfernt. Bis jetzt haben sie 30 000 Gefangene gemacht und 40 000 Tode sind gezählt worden. Aber das hast du schon im Radio selbst gehört. Es ist kalt geworden und frieren wir wie die Schneider. Mein Schnupfen wird dadurch bestimmt nicht besser. Ich werde einmal zum Arzt gehen, weil es mir jetzt auch noch im Ohr sticht. Hoffentlich ist der Krieg recht bald aus, denn von dem Zeltwohnen wird man bestimmt bei diesem Wetter nicht gesünder. Aber wie lange werden wir uns da noch gedulden müssen. Der russische Feldzug ist wohl der anstrengendste und härteste der bis jetzt da war. Das Land ist zu groß und der Russe ist zäh wie Leder. An anderen Fronten sind ja unsere Truppen viel weiter ostwärts, das ist der einzige Trost. Die Infanteristen glauben ja alle, daß bis mitte September der Krieg hier aus wäre. Ich bin ja nicht so optimistisch. Wir wollen es abwarten sonst ist die Enttäuschung zu groß. Auch daß wir früher hier heraus gezogen werden habe ich aufgegeben. Gebraucht werden wir hier noch und die neuen Fahrzeuge können auch bei schlechtem Wetter fahren. In den nächsten Tagen werden sie kommen von Stettin. Aber man muß froh sein, wenn man noch gesund und munter ist. Das bischen Schnupfen ist ja unangenehm aber nichts besonderes. Hier in Rußland hat es schon so viel Tode gegeben wie in allen anderen bisherigen Feldzügen zusammen genommen. Du müßtest einmal die Infanteristen sehen wie die aus sehen. Ein Wunder ist es ja nicht, wenn man über 14 Tage lang in einem Erdloch liegt bei jedem Wetter, dazu noch dauernd schossen wird. Ich bin jedenfalls froh, daß ich bei der Flak bin selbst auf die Gefahr hin auch noch zum Erdkampf eingesetzt zu werden. Unsere Kameraden sind direkt wild auf Erdeinsatz. Trotzdem glaube ich noch nicht daran, weil hierfür die Heeresflak zuständig ist, die 5 Laffetten hat und wir ja auch der Infanterie wieder entnommen sind. Mit Gotteshilfe läßt sich jedoch auch ein Erdkampf aushalten. Es wird alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. Du brauchst dir jedenfalls keine besonderen Gedanken zu machen. Hier ist es zur Zeit ganz ungefährlich. Auch Flugzeuge lassen sich nicht mehr sehen. Wie es natürlich noch kommt weiß ich ja auch nicht aber aufzuregen brauchst du dich deshalb noch nicht. Der liebe Gott beschützt uns schon weiter wie bisher und mit Gotteshilfe geht ja alles. Stellen wir uns weiter unter seinen Schutz, dann wird es uns nicht schlecht gehen. Wie geht es Euch meine Schätzchen? Zu gerne wäre ich wieder bei Euch. Der Krieg steht mir bis oben und dabei ist es noch lange nicht zu Ende. Wenns hier aus ist geht’s noch gegen England. Das wird auch noch hart werden. Wie weit sich der Amerikaner noch hierein hängt, der ja den Irak besetzt haben soll, muß man auch erst abwarten. Die ganze Welt ist halt wieder einmal gegen uns. In Europa kann ja jetzt nicht mehr viel dazu kommen. Ein Glück, sonst müßten wir auch dort noch hinrennen. Das bischen Schweiz hat dabei nichts zu sagen. Da genügt keine Disziplin. Der ganze Brief liest sich wie ein Kriegsbericht in der Zeitung. Du wirst denken, der Kerl schreibt kein bischen von Liebe. Aber da mache dir nur keine Sorgen. Die Liebe zu dir und den Kindern ist ja das Einzige was mich noch aufrecht hält. Ich wollte nur ich könnte es Euch besser beweisen, als nur in Briefen. Die Zeit wird hoffentlich nicht mehr allzuferne sein, wo ich Euch wieder in den Armen halten kann. Freilich besteht auch für die kleinen Schätzchen die Gefahr, daß sie ab und zu den Popo versohlt bekommen. Dir mein Schatz, wird das ja nicht passieren. Aber das gehört sozusagen dazu. Bis jetzt denke ich ja auch noch nicht im Entferntesten daran. Du kannst dir sicherlich gar keinen Begriff davon machen wie sehr ich mich nach daheim zu Euch sehne. Jetzt sind es ja auch schon zwei ganze Jahre seit ich weg bin von Euch.
Wer da noch nicht genug hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Hoffen wir, daß es nicht mehr allzulange dauert mit dem Frieden und bitten wir den lieben Gott, daß wir wieder gesund zusammen kommen. Die Engländer werden Euch zu hause sicherlich sehr zusehen. Daran darf man garnicht denken daß Euch auch etwas passieren könnte. Helfen kann ich Euch leider nicht. Das ist wohl für mich das Schlimmste an der ganzen Sache. Der liebe Gott wird Euch jedoch mir schon gesund und lieb erhalten. Nun will ich Dir noch kurz die Stadt beschreiben. Welikije Luki ist ungefähr 60 000 Einwohner groß. Schöne Kirchen, noch vor dem Weltkrieg gebaut mit Zwiebeltürmen habe ich schon 6 Stück gesehen. Freilich sind sie alle verwahrlost innen ist meist ein Pferdestall oder Lager. Die Synagoge, vor der wir gerade in Stellung liegen, ist im Umbau begriffen. Anscheinend sollte sie größer gemacht werden. Allerdings jetzt nicht mehr, die Zeiten sind vorbei. Verschieden große Gebäude, Theater und dergl. gibt es hier. Alles natürlich mit Hammer und Sichel und fast alle geschmacklos. Der Rest der Häuser so weit wie sie nicht zerstört sind besteht aus holz – da muß man sich in Rußland daran gewöhnen. Wasser zum Trinken scheint es hier nicht gegeben zu haben. Die Weiber schöpfen alle aus dem Lowat ihr Wasser. Wir natürlich auch. Sehr angenehm, wenn man bedenkt, daß sie oben sich waschen, die Soldaten stehen alle nackisch darin und wir kochen unseren Kaffee davon. Trotzdem ist das Wasser noch besser als die Sumpfbrühe, die wir bisher hatten. Sonst habe ich noch nichts gesehen von der Stadt. Zivilisten, Frauen und Männer sind auch da. Das übliche Bild sehr unsauber. Anscheinend gehört dies jedoch zum Russen wie das tägliche Brot. Eine Lehrerin von ca. 70 Jahren habe ich getroffen. Sie spricht deutsch, Englisch, Französisch und natürlich auch Russisch. Allerhand was; wenn man bedenkt, daß der größte Teil der Bevölkerung überhaupt nicht lesen und schreiben kann. Die von der Wehrmacht angebrachten Plakate in Russisch bekommen sie immer vorgelesen. Mit einem Wort es ist ein Jammer. Hoffentlich bin ich bald wieder aus diesem Land heraus. Ich bin überzeugt, daß es in Moskau auch nicht viel besser aus sieht. Zur Abwechslung regnet es wieder einmal. Hoffentlich hält sich das Wetter noch etwas, sonst kann der Krieg hier dieses Jahr nicht mehr beendet werden. Bleibt Ihr 3 Goldschätzchen mir gesund, lieb und brav dann bin ich mit Euch zufrieden. Du mein Schatz brauchst nicht garzuoft zu weinen, das geht alles auf Kosten deiner Gesundheit. Seit recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Eurem lieben Papa. Auf baldiges Wiedersehen!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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