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Brief (Transkript)

Walter Kroen an seine Eltern am 25.4.1943 (3.2002.7506)

 

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Tunesien, 25.4.43


Meine lieben Eltern!

Nun hat mein erstes Osterfest ohne Euch seinen Höhepunkt überschritten und ich glaube nicht, daß noch mehr Feierlichkeit nachkommt und will es auch gar nicht hoffen. Was kann mir schon an solchen Tagen geboten werden? Ich darf gar nicht hinsehen, wie sich die anderen auf die faule Haut legen und so ihre Feiertagsstimmung zur Schau tragen, während ich zu allem Überfluß ein „Haus“ voller Gäste habe und ohne Pause meinen Kocher bediene. Jetzt ist die Abspülarbeit getan und der befriedigende Teil des Tages beginnt mit einem Gruß an Euch. Wann wird er aus diesem Erdteil scheiden und wird er es überhaupt tun. Nein, mit einem Bericht zur Lage will ich Euch nicht überraschen, da genügt schon ein Wort: Besch…en. Aber man macht sich halt hin und wieder Sorgen und Gedanken, wie das alles Enden soll und die harmloseste dieser geistigen Ausschweifungen ist noch die Angst, man möchte seine Briefe nicht umsonst geschrieben haben. Wir werden wieder recht lange auf Post warten müssen, auf Feuerzeug zum Beispiel lauere ich mit Schmerzen und dann denke ich wieder: Brauche ich überhaupt noch so ein Ding! So noch Vorräte da sind, werden sie im Akkord aufgefressen und mein Chef spart auch nicht mit Batteriestrom für seinen Apparat. So geht es uns immer ausgezeichnet, man hört kaum schießen und möchte darüber gram sein, daß der Himmel voller Baßgeigen hängt und Osterspaziergangswetter ausbleibt. Gottlob werden meine Deckungslöcher fast oder gar nicht gebraucht im oberen soll es übrigens Schlangen geben. Mein Chef hat gleich bei seiner ersten kritischen Beob Besichtigung so ein Reptil zu Gesicht bekommen und mir erklärt, daß er in dieses Loch nie kriechen werde. Darauf ich nichts eiligeres zu tun hatte, als schlagfertig zu antworten, der Graben sei noch nicht fertig und werde noch tiefer gegraben. Allerdings ist er bis heute noch nicht dazu gekommen, eher füllt sich der Graben von selbst wieder zu, das Wort von der Schlange war für mich eine Erlösung und wir wollen hoffen, daß ich nicht noch mehr Biester erschlagen muß. Das erste war ganz niedlicher, harmloser Natur, aber auf dem Bett im Einmannzelt einige Meter daneben sieht man die Sache anders als tot auf dem Spaten. Zum Kapitel Zoologie sei erwähnt, daß es in dem Urwald am Bach einige Ratten gibt, wahrscheinlich Ochsen bzw. Biesamratten, die uns schon einige Kücken weggeschnappt haben, gelegentlich mit außerhalb ihres Reviers umherzischen aber doch für keine Pistole oder kein Gewehr zu haben sind. – Mein Körpertarnanstrich ist bis auf einige Ausnahmen bereinigt, die paar Flecken am Rücken werden mit der Zeit verwittern. Jäh war was Zeug verflucht, Benzin und Wurzelbürste haben mir genug Seufzer entlockt, so ähnlich müßte sich Siegfried vorgekommen sein, hätte er die Entpanzerung seines Körpers noch erleben können, das Kaffeepäckchen ist leider noch nicht weg und der versprochene Film auch kaum eingespannt. Ich möchte gerne schöneres Wetter abwarten … und dann selbst dann selbst als Kurier nach Deutschland fliegen und aus dem berühmten Unterweltfluß trinken, bis ich alles vergessen habe, was einen an den Krieg erinnert. Aber gibt es heute noch Songs in denen man hören kann. „Ich möchte so gerne, ich weiß nur nicht was.“ – Euch nur mein Fragen [?], die sich aus berechtigten und fadenscheinigen Gründen noch mir verkündigen könnten nochmals zur Kenntnis, daß es mir gut geht. Euch herzlichen Gruß
Walter

 

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