Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Walter Kroen an seine Eltern am 11.12.1941 (3.2002.7506)

 

[Gepresste Pflanze]

Afrika, 11.12.41


[Zeichnung eines Adventskranzes]

Meine lieben Eltern, lieber Gerhardt!

Ja, nun ist es Ernst geworden mit dem Schreiben für Weihnachten, wenn ich mit meinem Gruß nicht zu spät kommen will, so muß ich endlich ran, der weite Weg ist leider nicht am Heiligen Abend erst zu überbrücken. Ich habe noch alle Verwandten und Bekannten, - eine ganze Litanei für sich, - abgefertigt, weil ich dachte, ich würde mich in Stimmung schreiben. Aber nun am hellen Tag will sie sich nicht einstellen, auch scheint mir die Schrift wackliger denn je, ich schreibe auch wieder unter unmöglichen Umständen, so mit richtiger Feldpostromantik. Ja, in manchen ruhigen Stunden und auch in schlaflosen habe ich viel in Gedanken an Euch geschrieben, aber nun wo ich muß, bin ich doch einigermaßen in Verlegenheit. Es ist mir auch eine ganz ungewohnte Beschäftigung, bis jetzt konnte ich mich immer mit mehr oder weniger gedankenlosen Grüßen für Weihnachten auf Karten und Briefen begnügen und diesmal ist es doch ein besonderer Fall. Doch es ist vielleicht ganz gut, man läßt inhaltschwere und wehmutsvolle Zeilen ungeschrieben, die stören nur das Fest, an dem man sich doch freuen soll. Fühlende Herzen brauchen auch kein bekritzeltes Papier um sich zu verstehen, sei die Entfernung noch so groß, das geht draht- und selbst wortlos. Es ist nun das erste Mal, daß ich Weihnachten nicht in Eurem Kreise, liebe Eltern, verbringen darf. Aber wir wollen noch froh sein, daß die ersten beiden Kriegsweihnachten uns noch vereint sahen. Es ist vielleicht gut, man lebt einmal in der Ferne, dann lernt man die Heimat ganz anders schätzen und um so mehr lieben. Jugendlicher Übermut ließ mich ja auch gerne nach Afrika ziehen, aber ich glaube, ich werde dieses Weihnachten Euch näher denn je sein. Mögt Ihr das Fest recht froh und glücklich feiern, vorallem in bester Gesundheit. Das ist mein innigster Wunsch und auch das Einzige was ich Euch auf den Gabentisch legen kann. Macht Euch nur um mich keine Sorgen, ich bin ja Gottlob gesund und der Himmel wird mir auch weiter das nötige Rüstzeug für diesen Erdteil geben, wie er auch schützend Euch eingeben möge, auf daß wir uns im kommenden Jahr glücklich wiedersehen.
Ich hatte mir schon längst Kleinigkeiten ausgesucht, mit denen ich Euch überraschen wollte, nun hat der „böse Krieg“ meine Träume und den Teil begonnener Arbeit zerstört. So fliegt euch also dieser Brief als einziger Festesgruß ins Haus. Weihnachten besteht ja Gott sei Dank nicht nur aus Geben und Nehmen, doch neben aller Innerlichkeit gehört so ein […] dazu, für uns Afrikaner dient es sozusagen zur „Stimmungsmaßnahme“.- Um dieses hohle Wort dreht sich allerhand. Der Traum von den kurzen Hosen ist ja längst ausgeträumt, aber wie wird sich sonst das Fest gestalten in Sand und Fels? Wir ziehen ja noch immer Nacht für Nacht hinaus in die Wüste und so wird uns auch der Heilige Abend im Zelt sehen. Die Einsamkeit unserer „alten“ Wüste wäre mir schon lieber gewesen, dort fühlte mich schon beinahe heimisch in meiner Baracke und ich hatte mir die Sache auch schon hübsch zurechtgelegt. Ein Adventskranz aus blühenden Kamdorn [?] war in Vorbereitung und Kerzen hatte ich auch gehamstert. Leider haben wir die traute Umgebung verlassen müssen, ein paar in Eile zusammengerafften Kerzenstummel konnte ich noch zerbrochen aus meinen Taschen kramen. Doch werden sie auch verstümmelt ihren Zweck erfüllen, und mir auch ohne Tannenbaum heimleuchten. Und dann bin ich ja in seeliger Erwartung von allerhand süßen Leckerbissen, vielleicht finde ich gar einen grünen Zweig vom deutschen Wald, so weiß ich wenigstens wie Weihnachten riecht und schmeckt, das geistige Fest wird sich schon einfinden.
Nun einen Sprung zum Abend des 24. Wenn ich mich in der Post nicht verrechnet habe und Ihr mein Schreiben rechtzeitig empfangt, so laßt Euch nun weiter nicht stören, sondern Euch gegenseitig überraschen. Es krame jetzt ein jeder in seinen Sachen, ich tue es auch zu gewohnter Stunde. Im Übrigen bin ich in Gedanken bei Euch und feier mit. Und wenn Ihr wie alljährlich die bekannten Häuser aufsucht, dann grüßt mir bitte alle Lieben, wenn ich auch offiziell schon geprostet habe.
Und nun grüße ich Euch alle nochmals herzlichst, seid mit tausend Wünschen bedacht und geküsst
Von
Eurem
Walter

[Zeichnung Adventskerze und Tropenhelm]

Zur Zeit herrscht ganz friedlose, kriegerische Stimmung, wir sind in Erwartung der Reichsregierungserklärung. Ich glaube nicht, daß dort der Friede erklärt wird. Wohl aber gehen wir einer weiteren Klärung der Lage entgegen und ein neuer Gegner wird das Ende der Krieges nur beschleunigen.

 

top