Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Walter Kroen an seine Eltern am 20.10.1941 (3.2002.7506)

 

15. Nachricht
Der vorige war nicht
nummeriert, soll wohl
No. 14. sein

Afrika, 20.10.41.



Liebe Eltern!

Inzwischen ist es doch Montag geworden, und ich bin froh, daß ich Samstag Euch noch einige Zeilen schreiben konnte. Ich bin eben an der Arbeit eine kleine Periode der Schreibfaulheit zu überwinden, wenn der „Kampf“ geschafft ist geht es wieder leichter. Es ist ja zur Zeit bei uns nicht so, daß zum Schreiben nur ein Sonntagnachmittag zur Verfügung steht, in meinem bescheidenen Dienst ist jeder Tag ein Feiertag und jeder Feiertag hat seine Arbeit. Außerdem hoffte ich gestern noch Post zu erhalten, doch vergebens. Anscheinend werden zur Zeit nur Liebesgaben für den Tommy befördert. Nun will ich Euch also endlich über unser Leben und den Dienst berichten. Wir hausen in einem sanften Wüstental, nicht sehr weit vom Heer entfernt, inmitten von festem Sand, Steinen und vertrocknetem, grauem Dornengestrüpp. Ich liege mit einem Kameraden in einem Einmannzelt, da geht es freilich etwas knapp her, aber dafür ist es um so wärmer. Anfangs haben wir, stolz auf unsere neuen Luftkissen, auf den aufgepumpten Dingern versucht zu schlafen, nun verzichten wir darauf und liegen lieber etwas härter. Zwei pralle Matratzen haben erst recht keinen Platz und so lange schief, bis ein Zusammenprall unten im Tal mit dem Nachbarn nicht zu vermeiden ist. Wir sind natürlich nicht die einzigen Zeltbewohner, das dorf zieht sich länger dahin, so ziemlich am unteren Ende ist die Futterkrippe und Waffenausgabestelle, das möchte einen schon manchmal erschüttern. An Zelten findet man alle möglichen Formen, spitze, flache, runde, eckige und erbeutete. Zu unser Behausung gehört noch ein kleiner Vorraum, der uns zur Unterbringung der Klamotten und Speisen dient. Gegen oben ist er zwar abgedeckt aber an den Seiten hat er einen Haken. Da könnt ihr Euch denken, wie es da aussieht, da möchte es schon einem richtigen Junggesellen Angst und Bange werden. Aber man wird ja hier so stur wie ein Panzerwagen, gegen den Sandsturm ist nichts zu machen und was man in einer Minute aufräumt, ist in der nächsten durcheinander und voller Sand. Ich sitze zum Beispiel bequem auf einem grau-gelben dicken Polster und es wird sicher mein Rucksack sein. Und jetzt einiges über meine neue Tätigkeit. Ich habe Euch schon geschrieben, daß ich von dem großen Haufen mit einem Kameraden weggekommen bin, die Feldpostnummer hat sich aber nicht geändert. Ursprünglich sollte ich als Schreiber Verwendung finden, bis jetzt habe ich aber Ordonnanz bei meinem neuen Herren gespielt. Das ist ja nun ein nicht gerade besonders begehrenswerter Posten, aber es ist auch noch nicht aller Tage Abend. Ich bin noch dauernd mit mir selbst im Zwiespalt, ob es so richtig ist, besonders wenn man schon einmal nach Afrika ist, aber es mußte wohl so kommen, denn freiwillig habe ich mich ja nicht gemeldet. Zu tun gibt es praktisch in der Frühe, Mittags und Abends. Wenn die Sonne aufgeht und der Bläser uns weckt, dann werden sich die Feldflaschen geschnappt und dann geht es zum ersten Mal rauf zur Küche. Dann können wir selbst einmal mit Ruhe jausnen[?] und dann machen wir uns über Geschirr und Betten und Sand. Mein Kamerad ist Fahrer und da es meistens für ihn nichts zu tun gibt, geht er mir an die Hand. Sind wir mit dieser Arbeit fertig, so ist meistens zum ersten Mal Feierabend bis zum Mittagessen empfang. Zu diesem Gang reicht nur ein Mann nicht aus, wir bekommen hier ein anständiges Essen, das nie aus einem Gang allein besteht. Backobst und auch andere Obstkonserven werden ziemlich oft verteilt und das soll uns mit Afrika ganz versöhnen. Anschliesend Kochgeschirr sauber – klappern und dann Mittagsruhe. Ich möchte ja nicht gerade behaupten, daß sie verdient ist, aber brauchen kann ich sie schon. Also schon verwöhnt. Gegen 17h ist es Zeit, abermals an den Magen zu denken, da gibt es eben wieder was warmes zu trinken, manchmal herrlichen Tee, dann wird die Abendkost am Verpflegungswagen gefaßt, ebenso Brot und die unvermeidlichen Zigaretten. Wenn alles gerecht verteilt ist, kommt des Tages heikelste Arbeit, der Wasserkasten. Wenn man zu zweit ist, geht es noch. Da sind fast täglich zwei 20l-Karnister vollzupumpen und herunterzuschleppen. Wenn wir dann angelangt sind, ist es meistens schon dunkel und das Abendbrot machen wir uns im Kerzen Schein eines Zündholzlichtes fertig. Den Mund findet man ja auch im Dunkeln. Und wenn wir dann schon zum Leuchten zu faul sind, sind wir auch annähernd gesättigt und wir verziehen uns in unsere Falle. Zum Sitzen ist es oft zu kalt, und es macht im Dunkeln auch keinen besonderen Spaß. Ich schlafe gewohnheitsgemäß nicht gleich ein, sondern höre mir den Wehrmachtsbericht vom Zelt nebenan. So bekommen wir doch auch etwas von den großen Ereignissen in Rußland mit, die Moskau bald das Genick brechen werden. Wir hoffen es hier alle. Nachts haben wir bis jetzt Ruhe und wenn schon mal was brummt, so kann uns das kaum erschüttern, es haben schon ganz andere Sachen gebrummt. Heute brummt nur der Kopf, aber das gehört wieder zu einem anderen Kapitel und hat seinen Grund eher in „Saufen“.* Das ist ja wohl übertrieben aber ich will bei der Gelegenheit auf unsere Ia-Kantine überleiten – hier Marketenderei genannt, die sich sehen lassen kann und die auch im ganzen Land einen guten Ruf haben soll. Von den Dingen um die ich Euch gebeten habe, ist leider nichts zu bekommen, aber in Bezug auf käüfliche Eßwaren werden wir richtig verwöhnt. Ich habe ja keine Angst, daß ihr etwa für mich bestimmte Rationen kürzt, aber komisch werdet ihr es vielleicht doch finden, wenn ich Euch schreibe, daß ich mich an Schokolade bereits abgegessen habe. Es war zwar ital. Schwarze Schokolade, aber immerhin. Jeden Tag bekommt man was anderes, einmal ist es Kaffee, dann Kakao, dann Milch, Schokolade, Eier, Butter und was alte Afrikaner sind, die kaufen und wir tun das gleiche. Nach ihrem Urteil ist das Geld doch nichts wert und man kommt wieder mal wohin wo es monatelang nur „Geld“ gibt, die gekauften Sachen sind mit unseren gewohnten deutschen Artikeln nicht zu vergleichen, die Butter ist gelb und salzig und die Milch ist nicht von Schnepf [?], die Eier von arabischen Hühnern gelegt und sie kosten außerdem pro Stück 46Pf. umgerechnet. Aber man ist zufrieden mit dem was man bekommt, für einen Rückfahrschein[?] würde wir ja dankend auf diese Sachen verzichten.
Nun warte ich noch auf Mehl und dann kann das Pfannkuchenmachen beginnen. Nun merke ich plötzlich, daß es verdammt nach Hunger riecht. Die Sonne steht auch schon ziemlich hoch ich habe zwar keine Uhr, aber es wird wohl allmählich Zeit zum Marschieren sein. Für die Vormittagspause war das das Ende des Briefes. Aufwiederhören
Nachmittags! – Ich fahre fort, nachdem mir die Mittagsträgheit durch Wäsche schrubben aus dem Gehirn genommen ist. Ich werde einen neuen Bogen beklagen müssen, wenn das Briefpapier aus ist, muß auch der Brief am zu Ende sein. Das Nomadenleben in dieser Gegend wird für uns schon in den nächsten Tagen sein Ende nehmen. Wir ziehen um, man wird sich leicht an den neuen Ort gewöhnen, die Gegend ist überall gleich trostlos öde. Vielleicht werdet Ihr auch mit Postverzögerung zu rechnen haben, bei mir ist das schon gar nicht so tragisch, den den der Apparat ist so noch nicht eingespielt. Einmal muß ja doch Ruhe eintreten. Ach was, Ruhe! Für uns wäre es am günstigsten, wir wären dauernd auf Reisen, nächste Woche in Cairo u.s.w., schließlich über Amerika nach Hause. – Wenn ich jetzt so aus dem Zelt sehe und ich wäre in Deutschland, so würde ich alle Augenblicke auf die ersten Regentropfen warten. Der Himmel hängt oft so voller Wolken, die Zeit der Güsse ist anscheinend nur auf Petrus‘ Kalender noch nicht notiert. Auch ist es richtig kühl, ich habe nun auch endlich dem Herdentrieb der großen Masse nachgegeben und meine pantalons angezogen. Ehrensache, die kurze bleibt darunter!! Die Hemdärmel bleiben unten, mich friert wenn ich an bloßen Oberkörper denke. Ja, dieser Erdteil wird mir noch oft seine Rätsel zu lösen geben. Nun ist es bei Euch schon ganz anständig kalt, denke ich, das Obst ist sicher gut versorgt, ich freue mich, daß dieses Mal der Segen im Garten größer war. Für meinen Bedarf genügen ja auch spärliche Ernten und ich werde auch noch fette Jahre genug erleben. Ich bin einigermaßen beunruhigt, daß Papa‘s Befinden nicht so ist, wie es sein sollte und ich hoffe nur, daß ich bald günstigere Nachrichten empfangen kann. Auf alle Fälle wünsche ich Dir, lieber Papa, recht baldige völlige Genesung! Mit einiger Genugtuung habe ich vernommen, daß meine Parteiaufnahme fit ist. Nun können die in Moskau, wenn sie noch Zeit haben, einen neuen Mann auf die schwarze Liste schreiben. Bei meinen Kameraden in Ingolstadt habe ich nochmals wegen Fotos reklamiert. Ihr habt mir noch keinen Empfang bestätigt, ich hoffe aber es klappt noch. Von Gefr. Voppesberger [?] muß eine Sendung ankommen, ist bestellt! Bei unseren Bestellungen kann ich mich nicht entsinnen, ich habe geschrieben, sie sollen ruhig gr. Nachnahmen senden. Nun wollt Ihr noch wissen ob ich den Christoph [?] gerettet habe. Das ist doch klar, jetzt hat er ja seine ursprüngliche Bedeutung für mich verloren, ich habe ihn kurzerhand zum Wüstenpatron befördert (oder nennt man das degradieren?) Der Geldbeutel ist auch mitgegangen, mein Taschenmesser und meine Brille. Ersteres schwer „beschädigt“, deshalb Bestellung. Und nun wünsche ich Euch allen frohe Unterhaltung, wenn jeder einmal den Brief laut vorliest, dann wißt ihr was ich zusammen geschmiert habe. Ich kann mir die Mühe nicht machen. Noch herzliche Grüße und Küsse

Euer Walter




* besser Schlemmerleben die Wüste ich doch kein Mathüser [?]

 

top