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Brief (Transkript)

Friedrich Spemann an seine Ehefrau am 22.09.1939 (3.2002.7135)

 

22.9.39



Mein Liebstes!

Das Dasein als Gefangenenbewachung hat schon gestern wieder sein Ende gefunden. Um ½ 11 am 20. kam Einsatzbefehl für gestern früh. Wegen der durch Regen zu einem Schlammmeer aufgeweichten Wege wurde alles Notwendige auf requirierten Panjewagen mit Bauern und Gefangenen als Kutscher verladen. Dann zogen wir im Fußmarsch zum Teil bei Regen los. - Stimmung darob glänzend. Unterwegs sah man ein, daß das zu langsam ging und wir wurden zum Teil auf Raupenschlepper der Infanterie übernommen, die uns hier vor brachten. Hier liege ich nun mit meinen 14 Leuten am Waldrand; der Pole hat heute Nacht fest geschossen, aber nicht hierher. Ob wir die Batterie heraushaben, weiß ich nicht. Jedenfalls schoß auch bei uns allerhand, so daß es zeitweise eine richtige Ballerei war. Unsere Geräte arbeiten und wir schieben Wache. -
Gestern Abend kamen noch warmes Essen und Kaffee, wir haben im Zelt geschlafen. Vorher saß ich noch allein bis 10 im Mondschein und dachte heim. Um 5 war die Nacht wieder herum. Um 9 Uhr hatten uns Fahrzeuge die Leitung kaputt gefahren, so daß wir die Nacht über mit anderen arbeiten mußten. Jetzt geht sie wieder. In der Auswertung hat's anfangs anscheinend nicht recht geklappt, sie wollten mir anhängen, ich stünde nicht an dem angegebenen Punkt, schickten extra einen Leutnant, früher aktiver Wachtmeister heraus, der entsetzlich aufgeregt war (warum wohl) aber dann selbst zugeben mußte, daß alles stimmte. Dabei hatte er sich selbst auf dem Herweg verfranzt und hatte entschieden noch kein Pulver gerochen. -
Eben - es ist 8 Uhr morgens, ein großes Erlebnis: Aus dem Wald (Kiefer) an dessen Rand wir liegen, ein polnischer Reiter mit 2 Pferden. Natürlich sofort angehalten und durchsucht. Ein versprengter Artillerist, der seit 3 Tagen in den Wäldern umherirrt. Spricht ebenso wie unser Gefangenenfahrer Sommerfeld (!) deutsch. Beute 300 Zigaretten! - Gestern auf dem Weg hierher griffen wie einen Zivilisten auf, ein hübscher Kerl, der angab, nicht Soldat zu sein. Bei der Durchsuchung fand ich einen Militärurlaubsschein. Er hatte Militärwäsche an und Militärstiefel. Darauf bekam er erst einmal einen Kinnhaken von mir und als wir in seinen Stiefeln einen Haufen Photos in Uniform und andere Papiere fanden, haben wir ihn schön übers Kreuz gebunden. Da gab er alles zu, heulte und dann haben wir ihn mit entsprechendem Vermerk abgeliefert. Die beiden anderen fühlen sich recht wohl bei uns. Eben kommen wieder 2 herrenlose Pferde aus dem Wald galoppiert. Ich schicke 2 Mann weg, die in einem verlassenen Hof Hühnersuppe kochen. Du siehst, es geht uns gut und wir wissen uns zu helfen. Es ist ein bißel kühl, aber ich habe meinen Pull an und im Zelt ist Stroh. - Eben höre ich, daß wir auf 2 feindliche Batterien eingeschossen haben und auf eine Festungsbatterie.
Gestern kam ein großer Panzerspähwagen vorbei mit 1 Oberleutnant als Führer. Mit dem habe ich länger gesprochen. Er hat allein eine Schwadron polnischer Reiterei erledigt! - Hatte auch allerhand Schüsse am Wagen, aber keiner durch. - Gleich geht jemand zurück und nimmt dies mit. Hoffentlich bekommst Du es bald. Für heut leb wohl. An Dorle schreibe ich möglichst auch.
In Liebe Dein Mann

 

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