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Brief (Transkript)

Friedrich Spemann an seine Ehefrau am 05.09.1939 (3.2002.7135)

 

5.9.39



Liebste,

wir fahren staubbedeckt Tag und Nacht mit ganz kurzen Pausen durch Feindesland. Einzelheiten schreibe ich oder erzähle ich Dir später einmal. Ständig kommen uns flüchtende Frauen und Kinder entgegen, angeblich fliehen sie vor Juden in den Dörfern, weil sie mit Deutschland sympathisierten. Das Land ist weit und hügelig, wie Mecklenburg, Dörfer und Häuser zum Teil aus Holz, zum Teil geschmacklos aus Stein. Die Straßen sind wie bei uns zwischen Lohne und Hauptstraße. Dichte Staubwolken ziehen sich hinter den Fahrzeugen her. Es ist eine eigene Stimmung - die ganze Wucht des Krieges zeigt sich in den Ortschaften, die der Gegner zu halten versucht hat. Überall marschiert der Arbeitsdienst hinter uns her und räumt auf, baut gesprengte Brücken behelfsmäßig wieder. -
Und in dieser Umgebung denke ich an Dich und Deinen Tag - schon seit heute früh um 5 Uhr. - Ach Liebste Du! - Gott behüte Deutschland und im besonderen Euch - uns vor all diesem Elend. - Wenn sie nicht in anderer Richtung so unzuverlässig wären, könnten die Leute einem Leid tun. Ob ich dies in den nächsten Tagen abschicken kann, weiß ich nicht. Ich schreibe, wann ich kann. Jedenfalls hast Du heute Nachricht. Vielleicht bekomme ich auch in der nächsten Zeit welche. Das letzte war schon vor langer Zeit. –

7.9.39
Wie einem überhaupt alles, was noch vor 14 Tagen war, wie ein Märchen vorkommt. Wir waren eingesetzt vorn, sind aber nun wieder zurück nach gelöster Aufgabe. Es ist jetzt ¼ 8 morgens, ich sitze auf einem von weißem Staub bedeckten Grabenrand. Eben habe ich mich mit dem Wasser aus dem Kühler eines liegengebliebenen Autos gewaschen und rasiert, Zähne geputzt und jetzt bin ich wieder ganz munter, obwohl wir nur stundenweise bei den Halten im Wagen schlafen konnten. Mehr als 2 Stunden im Zusammenhang kommt nicht heraus. Wir haben keine Nachrichten, wissen nur, daß es vorwärts geht und tun unsere Pflicht. Wenn ich nur wüßte, wie es Dir geht! - Hoffentlich bekommen wir bald Feldpost. - Ich denke, daß ich auch Geld schicken kann, da ich es hier doch nicht verwenden kann.
Daten und Tage verschwimmen durch die Fahrerei Tag und Nacht ineinander. Ich will eben an Dorle schreiben, wenn auch nur kurz. Mein Wagen bewährt sich sehr, manche andere haben schon versagt. - Man schaut in die Zivilfahrzeuge natürlich nicht hinein. Haben wir unseren noch? - Liebe, das Herz ist sehr voll und manchmal nicht leicht beim Denken an Dich, aber sei getrost im Vertrauen auf Gott.

Dein Mann

 

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