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Brief (Transkript)

Elisabeth Spemann an ihren Ehemann am 03.09.1939 (3.2002.7135)

 

Nr. 6

Sonntag abend 3. 9. 39.



Also nun weiß ich die Nummer nicht mehr ganz genau! Aber das ist nicht schlimm, denn ich schreibe jeden Tag jetzt! - Meinen Brief vorhin hab ich auf die Hauptpost gebracht, damit Du ihn auch am Dienstag hast. - Sag mal, was machst Du jetzt grad von ½ 9 bis ¼ 10 am Sonntag abd., ob Du mir das noch aus der Erinnerung schreiben kannst, oder ob es bei Euch so toll ist mit der Arbeit, daß Du dazu keine Zeit hast. Ich möchte nämlich mein Herz mal kontrollieren und mit Energie gegen dieses dumme Ding angehen! Und jetzt will ich schlafen gehen! Und Du! - Ach Gott, Jung, mein Jung - wann wirst Du wieder bei uns sein! Grüße Herrn Ries - in Gedanken an die guten Pralinen, und Herrn Heyder. Behüt Dich Gott, mein Lieb. L. Montag früh - seit 4h lieg ich wach und denke zu Dir. Ob Du seit der Zeit arbeitest? Liebster, was sagt Ihr dort zu England und Frankreich? - Ach, wenn ich nur erst mal eine Antwort von Dir auf all so etwas hätte. Wie und wo Du schläfst? Zelt oder im Wagen oder im Wald? Oder im Quartier?
Meine erste Arbeit ist immer: Radio hören d.h. erst schreib ich Dir und dann Radio und dann kommt die Tagesarbeit. Soviel ich weiß, ist das ganze IX. A.K. dort bei Euch. Also wohl auch Fulda und Frankfurt. Und wiederum hörte ich, daß die 15er bei Beuthen gelegen haben sollen, und Ihr seid doch wohl dort in der in der Nähe! -Schau, heute berichtet die Zeitung schon, daß Polen aus dem Hinterhalt auf deutsche Soldaten geschossen haben. Das ist es, wo mir bangt. Seid vorsichtig alle miteinander! - Und nun kommt der Führer zu Euch an die Front - ja, Du - das ist des Reiches erster Soldat! Möge er uns erhalten bleiben! Nun behüt' Dich unser Herrgott - mein Liebster Du! - bis nachher weiter! Mittags Grete macht die Küche, damit ich mich hinlegen soll - obwohl ich protestierte! Heut' erst kam Deine Karte aus Ohlau, obwohl sie Freitag abd. um 20 h abgestempelt, während der Brief schon gestern da war! Ich bin Dir ja so dankbar und würde glücklich sein, wenn ich jetzt mal erst eine Nachricht hätte, wie Eure Arbeit nun geht, ob Ihr viel im Gebirge fahren müßt etc. etc. Du weißt, alles interessiert mich! Noch ein Brief kam heute von Dir - den ich natürlich gleich aufmachte, der Brief für morgen von Gotha. - Du - Du hast wohl meinen Wunsch erraten, daß ich mal solch ein Bild haben wollte! Du, Du wie soll ich Dir danken. Grete hat mir gleich eins abgebettelt! - Beide sind gleich gut, Fotografenbilder, aber doch gut. Ich bin so glücklich! - Jetzt noch ein Brief morgen von Dir, anrufen darfst Du ja nicht - dann kann ich erst mal wieder leben! ½ 5 - Eben um 4 h war Fliegeralarm! Obwohl es den Engländern zuzutrauen wäre, glaubte ich nicht! Rief bei der Kasseler Post an: Ja! Aber unsre Sirene ertönte noch nicht! Ich rief dann bei der Polizei an, da brüllte mich der Mann an: Hören Sie denn nicht. Und erst da setzte die Sirene hier ein! - Also Grete war schon mit den Kindern unten, ich machte alles noch fertig, Brita war erstaunlich vernünftig, Hannes totenblaß, aber ruhig, dann ging ich runter! Indem kommt ein Telefon: Siedlung: Herr Leinius ließe mir sagen, es sei blinder Alarm! Ich habe es natürlich sofort seiner Frau gesagt und hab die Kinder hochgenommen! Liebster, Emmi ist da und soll den Brief mitnehmen! - Ich soll Dich grüßen von allen und ihr! Behüt Dich Gott - gleich schreib ich Nr. 7 -
In Liebe Deine L.

 

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