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Brief (Transkript)

Reinhard Barke an seine Familie am 15.06.1942 (3.2002.1942)

 

Rußland, 15.6. 42



Ihr Lieben!

Es ist ein so schöner milder Abend. Genießerisch kann man sich auf eine unserer tief geschwungenen Gartenbänke lümmeln und blaue Wolken vor sich hinpaffen - und seinen Gedanken nachhängen ... Doch könnt Ihr, selbst wenn Ihr mein Denken fühlt oder zu fühlen vermeint, dies nicht deuten. Ihr wißt nur, es ist da - das kann sehr viel, aber auch sehr wenig bedeuten. Also bekommt Ihr einen kleinen Schrieb von mir. Es ist Euch wohl auch lieber so, denn, was man schwarz auf weiß besitzt, das gibt Gewißheit und verbannt den Zweifel (Leider wird im allgemeinen der Zweifel zu schnell beiseite geschoben, die Herrschaft des gedeuteten Wortes ist zu absolut.)
Der gestrige Abend brachte uns eine Überraschung neuer Art. Der Russe griff mit nur sehr unscheinbaren Einheiten von der Seeseite an. Nach 2 Stunden war er verschwunden, denn um 3 Uhr wird es ja bereits hell. Anscheinend wollte er der Abwehr auf den Zahn fühlen. Er möchte sicher gar zu gern wieder hier landen. Doch das wird ihm nicht mehr gelingen. Diese Nacht war die Aufregung zwar groß, und alles wurde alarmiert. Doch heute bei Tage besehen sieht der ganze Streich halb so wild aus. Er kann ja nur mit Schnell- oder ähnlichen Booten kommen. Sein Anmarsch ist so lang, daß schwerere Einheiten der Seeaufklärung nicht entgehen. - Heute hat ein großer Teil hiesiger Einwohner seine Heimat verlassen - zur Arbeit nach Deutschland. Soviel ich feststellen konnte, sind die Leute gern gefahren und setzen große Erwartungen auf das „Reich“. -
Durch die Wehrbetreuung habe wir kürzlich neue Bücher bekommen. Es ist wirklich nette Unterhaltungsliteratur diesmal. Sehr nett, wenn auch etwas angekränkelt, da in letzter Zeit geschrieben, ist: „Zu dritt in einem Bett“ von R. Roding. Ich würde es trotz einiger Meinungsverschiedenheiten mit dem Verfasser gern besitzen. Es spielt in und um Dresden! Wenn Ihr lachen wollt, dann lest: „Der ungefährliche Dritte“ von Lennar. Ein Buch wie ein Rühmannfilm!
Ganz unvermittelt grüßt zum Schluß
das „Söhn’l“ Euch mit Gruß und Kuß.

 

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