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Brief (Transkript)

Horst Feldbusch an seine Mutter am 20.04.1944 (3.2002.0302)

 

Im Osten, 20.IV.1944



Liebe Mutter!

Überraschend schnell kam gestern Dein Brief vom 14. an, gerade als wir uns fertigmachten, in ein anderes Dorf zu ziehen. Das Dilemma mit dem Geschreibsel ohne Kopf und Fuss will ich Dir kurz erklären. Ich hatte an Dich und Vater je einen Brief geschrieben und kam nicht mehr dazu, diese Briefe zu kuvertieren. Abends, es war schon sehr dämmrig, wurde plötzlich Post abgeholt. Ich hatte natürlich nichts Eiligeres zu tun, als 2 Umschläge mit Adressen zu versehen, die Briefe einzustecken und mit abzugeben. Am anderen Tag fand ich Deinen Brief den ich längst unterwegs wähnte, in meiner Tasche. Gerne möchte ich wissen, was für ein Zettel an Dich abgegangen ist und besonders, was darauf stand. Der richtige Brief ist dann mit Verspätung losgegangen. Du musst ihn inzwischen erhalten haben.--- ----Jetzt sind wir gestern Abend plötzlich mit einem Umzugsbefehl überrascht worden. Der Plunder wurde gepackt und 1/2 Stunde später auf 3 Panjefahrzeuge gepackt und ab gings. Man hatte alles nur provisorisch zusammen geschnürt, es sollten ja nur 2 1/2 km zurückgelegt werden. Na, jedenfalls, um 1/2 6 Uhr abends zogen wir los und das letzte Fahrzeug war um 1/2 2 Uhr morgens an Ort und Stelle. Es waren tatsächlich nur 2 1/2km die übrige Zeit und tausende von Flüchen saftigster Art, kommen auf das Konto Russlands und seiner verschlammten Wege.—- Ich bin Zugmelder, das heisst, ich habe jetzt und im Ernstfall mit einem Kameraden Meldungen zu überbringen. Hierbei gehöre ich keiner Gruppe an, sondern, unterstehe dem Zugführer, einem Feldwebel direkt. Das hat den Vorteil, dass wir mit 4 Mann ein Haus bewohnen. Andere haben sich ein solches mit 19 Mann zu teilen. Die Budike ist auch für unsere Begriffe leidlich sauber. Überhaupt habe ich bisher nur in seltesten Fällen Verkommenheit gefunden. Die Leute haben fast alle einen primitiven Luxus. Heiligenbildchen in einer Ecke, die Ikonen genannt werden, mit Spitzendeckchen usw. behängt. Die Balken sind mit Zeitungspapier, Plakaten usw. überklebt. Ja, man findet oft in den ärmlichsten Häusern wissenschaftliche Bücher. Meist Mathematik und Naturwissenschaft wird auch in der zerfallendsten Hütte gepflegt. In krassem Gegensatz zu der augenscheinlichen Bildung der Landbevölkerung steht der Zustand der Strassen. Einfache Lehmwege sind durch das Spurenfahren, durch Regen- und Schneeschmelze in tiefgründigen Matsch verwandelt. Bleibt ein Fahrzeug nur einen Augenblick stehen, so sackt es unweigerlich bis an die Achsen ein. Das weitere kannst Du Dir vorstellen.
Übrigens ist heute Führers Geburtstag. Wir haben aus diesem Anlass Schnaps, Likör, Tabak und Zigaretten nebst Freizeit bekommen. Darum kann ich Dir 17 km hinter der Front noch solch einen langen Brief schreiben. Also, Mutter, lass es Dir gutgehen, grüsse alle Verwandte und sei selbst herzlich gegrüsst von
Deinen Horst

P.S. Urlaub tritt in greifbare Nähe. Im Verlauf der nächsten 6-8 Wochen bin ich wahrscheinlich zu Hause Bis dahin alles Gute
Horst

Ich klebe Luftfeldpostmarken, schreibe, ob das etwas ausmacht. Horst

 

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