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Brief (Transkript)

Wilhelm Nünnighoff an seine Eltern am 27.04.1948 (3.2008.1389)

 

den 27. April 1948



Liebe Eltern!

Zum ersten Mal in der Gefangenschaft ist es uns erlaubt einen Brief an unsere Angehörigen zu senden. Im allgemeinen bekommen wir nur eine Karte im Monat die ich auch immer an Euch richte. Unsere Verwandten werden sich dann schon bei Euch laufend erkundigen, wie es mir geht. Wir wollen hoffen, dass uns bald zum letzten Mal die Post miteinander verbindet. Wie Euch ja sicher auch bekannt ist, sollen bis Ende 1948 alle Kriegsgefangenen in die Heimat entlassen werden. Es kommt einmal ganz plötzlich mit unserem Abtransport. Otto Reif hat vor geraumer Zeit das Glück gehabt, mit einem Transport von hier aus nach Hause zu fahren. Er wird wohl inzwischen bei Euch gewesen sein und Euch vieles erzählt haben. Auf einer Karte kann man doch nicht viel schreiben. Von diesen Transporten sind schon mehrere aus unserem Lager nach Hause gefahren. Der eine hat eher das Glück, der andere später. Macht Euch nur keine sorgen um mich. Drei Jahre sind jetzt vergangen, dann werde ich den Rest auch noch überstehen. Ich freue mich schon heute auf den Tag, wo wir uns wieder umarmen können. Wenn ich die Füße wieder bei Mutter unterm Tisch strecken kann, dann werde ich ein Kerl wie ein Baum werden. Ich glaube, meine Anzüge werden mir wohl alle zu kurz sein. Darüber mache ich mir aber keine Gedanken. Auf einer Karte von Euch erhielt ich schon die erfreuliche Nachricht, dass Ihr schon Anzugstoff für mich gekauft habt.
Nun sind bald 3 Jahre vergangen seitdem ich auf der Halbinsel Hela am Tage der Kapitulation in Gefangenschaft gehen mußte. Ich bin noch nach wie vor in demselben Lager seit dem ersten Tage, wenn sich auch des öfteren schon meine Anschrift geändert hat.
Meinen Führerschein besitze ich auch nicht mehr. Ich möchte Euch nun fragen, ob es nicht möglich ist, gegen ein Entgeld eine Zweitausfertigung zu bekommen. Ihr wißt ja auch, wie gern ich mit dem Auto gefahren bin. Was macht eigentlich unser Wagen? Bekommt Ihr noch Benzin?
Uns wurde hier bekanntgemacht, dass jetzt aus der Heimat Pakete über das rote Kreuz geschickt werden können. Erkundigt Euch da bitte mal wie es mit dieser Sache steht. Ich würde mich riesig freuen einmal in der Gefangenschaft ein Paket von den Lieben daheim empfangen zu dürfen. Wenn ich nur mal wieder ein Stück Kuchen essen könnte. Na, auch das wird einmal wieder kommen.
Wie ich immer aus Eurer Post ersehe, geht das Geschäft so gut, das Ihr es kaum bewältigen könnt. Das freut mich auch immer ganz besonders. Ich weiß ja, dass die Verpflegungslage bei Euch im Westen nicht rosig ist. Aber wo das Geschäft so gut klappt, hoffe ich doch , dass es Euch gut geht und Ihr genügend zu essen habt. Über meinen Gesundheitszustand kann ich auch nicht klagen. In den zwei Monaten, die ich in der Brotkammer gearbeitet habe, habe ich mich gut erholt. Das war ja auch der Zweck der Sache.
Was macht eigentlich Herr Rühl. Arbeitet er als Friseur? Nun habe ich noch einen Wunsch. Schickt mir bitte neuzeitliche Bilder von Euch, die Ihr nur auf einer Postkarte aufkleben braucht. So sind hier schon viele Bilder angekommen.
Nun muß ich für heute wieder schließen. In der Hoffnung, dass wir uns bald gesund wiedersehen, grüße ich, alle Verwandten und Bekannten
Euer lieber Sohn Willi

 

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